Dienstag, 8. November 2011

Ich geh dann mal

So, Kinners, sorry, dass ich euch gleich einen Tag nach dem letzten Beitrag noch mal belästige. Mir ist aber plötzlich etwas eingefallen, das ein erneutes Posting dringend nötig macht: Es wird Weihnachten.

Ach was?

Ja, und das bedeutet, dass ich jetzt hier alles stehen und liegen lasse, um mich ab sofort nur noch Rudolf und seiner roten Nase zu widmen. Oder vielmehr meinem alten Weihnachten-Blog. Das wird hiermit wieder aus der Versenkung geholt, abgestaubt und aufs Schönste geschmückt in die Weiten des WWW gestellt. Denn wenn wir schon ein Extra-Blog haben, dann wollen wir das ja wohl auch benutzen.

Zeit dazu isses ja auch - das hatte ich ja bereits gestern festgestellt. Sieben Wochen bis Stichtag. Ich würde mich freuen, wenn ihr mit mir gemeinsam umzieht auf www.weihnachten-blog.com, von wo ich euch auch in Zukunft wieder mit meinen Einsichten und Anekdötchen aus dem Alltag einer Deutschen im Weihnachtsexil beglücken möchte.

See you there, soon!

Montag, 7. November 2011

Nur noch sieben Wochen...

So, Herrschaften. Ich erwarte Beifall. Und zwar jetzt und sofort. Denn es muss hier mal gesagt werden, dass ich Unmenschliches vollbringe. Im Land der ständig nachgehenden Uhren lebend (wenn man um 16 Uhr verabredet ist, braucht man vor 16.15 Uhr eigentlich gar nicht auftauchen. Ja, es könnte evtl. als beleidigend-deutsche Besserwisserei ausgelegt werden, das zu tun und damit die entspannten Gastgeber unter Druck zu setzen...), bin ich dennoch noch immer zeitorientiert und pünktlich. Heute habe ich aber etwas geleistet, das erfüllt sogar mich mit unbändigem Stolz - ich finde, Bundespräsident Wulff könnte mir ruhig einen Bundesverdienstkeks zukommen lassen...

Meine erste Weihnachtsgeschenkbestellung ist raus! Jawoll. Habt ihr euch vom Schock erholt? Tja, der Druck ist da! Nun mal ran, Leute, die Messlatte ist schon mal angelegt. Und wann, wenn nicht jetzt? Noch haben wir knapp sieben Wochen bis zum Stichtag. Und ich habe mir doch glatt mal vorgenommen, dieses Jahr nicht in der Weihnachtswoche auf Geschenkekauf zu gehen. Sondern den Spaß noch im November abzuschließen.

Ich gebe es zu - es ist eine Herausforderung, die ganz speziell auf mich selbst zugeschnitten ist. Ich möchte es mir einfach noch einmal selbst beweisen, dass ich auch anders kann. Geschenke bereits Wochen vor dem Termin im Kasten, am besten noch vor dem zweiten Advent verpackt und verstaut. Und dann zurücklehnen und genüsslich grinsen, wenn alle anderen in Panik ausbrechen und noch am heiligen Morgen Geschenke zusammenklauben.

Ach so, und was ich bestellt habe? Na, nicht irgendwaaas. Ich lasse einen Fotokalender aus meinen eigenen Fotos machen. (Gut, dass die Familie hier nicht mitzulesen scheint, sonst wäre die Überraschung jetzt versaut.) Naja, so hoch-orijenoool ist das auch nicht mehr, aber einzigartig immerhin. Und Exklusivität zählt. Mal sehen, was ich noch alles exklusiv machen kann...

Dienstag, 1. November 2011

Das Grauen ist vorüber...

Puh, Scottseidank ist es auch dieses Jahr wieder vorbei. Ich rede von Halloween. Blödes Ami-Fest. Künstlich aufgebauschte Gelegenheit für Kartenhersteller, noch einen Grußkartenanlass zu erfinden. Zuckerüberdosis für aufgedrehte Kinder. Saufentschuldigung für verkappte Alkis.

Hehe, halt, nein, das war jetzt einfach mal nur provokant so in die Runde geworfen. Ich hab gar nicht so viel gegen Halloween. Nur dass es einfach ein Brauchtum ist, mit dem ich nicht groß geworden bin und das mir demnach ein wenig abgeht. Angesichts der Tatsache, dass Halloween aber ursprünglich ein irisches Fest ist - kein amerikanisches! - bin ich natürlich milde gestimmt...



In vorchristlicher Zeit wurde im Herbst Samhain gefeiert - das Ende des Herbstes und der Beginn der dunklen Jahreszeit, deren bösen Geistern man mit Feuer und Licht begegnete. Kein Wunder, dass sich die schlauen Christen genau hier auch einen eigenen Feiertag ansetzten, Allerheiligen, um alte Traditionen in neue Bräuche einzugliedern. Und so ist Halloween - als Begriff eine Verballhornung von "All Hallows Eve" - der Vorabend von Allerheiligen.

Mit Kürbissen hatte man es im keltischen Irland nun nicht so. Das alles entwickelte sich, nachdem irische Einwanderer das Fest mit nach Amerika gebracht hatten. Und viel später kehrte das nun amerikanisierte Fest wieder nach Europa zurück. Auch in Irland wird mittlerweile an Halloween getrickst und gemacht.

Und zu meinem großen Glück das nicht vor meiner Haustür. Da, wo ich wohne, sind nur Büros und kaum Wohnungen. So muss ich mich weder mit Megatüten von Mini-Snickers eindecken noch befürchten, dass mir Eier unter die Türklinke geschmiert werden. Für meine Kinder ist es allerdings traurig, dass sie keine Nachbarschaft haben, in der sie von Tür zu Tür gehen und sich mit einer Jahresration Süßigkeiten eindecken können. Kostenlos.

Und so war der Höhepunkt des gesellschaftliches Herbsts meiner Kinder gestern abend in den Neubaugebieten ihrer Freunde angesiedelt, wo sie von Haus zu Haus zogen und ihr Schokoladendepot auffüllten. Ich saß derweil gemütlich zu Hause und habe Halloween im kleinen Kreise verbracht. Einzig und allein eines nervt mich jedes Jahr: Die bösen Geister werden hier (wie auch an Silvester in Deutschland) mit Hilfe von lauten Knallern vertrieben. Abgesehen davon, dass mein, zwar langsam und altersbedingt schwächer werdendes, Gehör davon beleidigt wird, macht mich das Geknalle einfach nur wütend - denn für Haustiere ist das ein einziger Horror! Mir taten unsere Katzen leid, die vermutlich traumatisiert auf dem obersten Ast eines Baumes saßen ohne eine Ahnung zu haben, warum die verrückten Menschen laute Geräusche machen.

Und entgegen anderslautenden Interpretation bin ich keineswegs spaßfrei. Wer gerne Verkleidung trägt und orange Hartfrüchte mutiliert, dem sei dieser eine Feiertag im Jahr gegönnt. Sogar ich habe zum Abendessen die Plastikspinnen herausgekramt, ein paar Tierschädel auf dem Dinnertable drapiert und die vorhandenen Kürbisfratzen in Szene gesetzt (siehe oben). 

Alles ist gut, keine Katze verloren oder verletzt, die Kinder schokoladentechnisch versorgt und Halloween wieder für ein Jahr erledigt. So lässt man sich Brauchtum gefallen...

Sonntag, 30. Oktober 2011

Trampled Underfoot

Eigentlich wollte ich euch heute morgen in gewohnt ironisch-distanzierter Art über die Ergebnisse der irischen Präsidentenwahl informieren. "Nur noch eben kurz zum News Agent gehen und eine Sunday Times kaufen", dachte ich mir. Und dann hatte ich ein kleines Erlebnis, das die Verhältnisse in diesem Land auf ganz andere Art und viel eindringlicher beleuchtet, als es ein Kommentar zur Wahl von Michael D. Higgins zum neunten Präsidenten der irischen Republik täte.

Ich war wie gesagt auf dem Weg zum Shop um die Ecke. Schon auf dem Weg zum Laden war mir ein junger Mann aufgefallen, der mir entgegenschlenderte und mich zaghaft angelächelt hatte. Ich dachte mir nichts dabei - außer dass ich vermutlich unwiderstehlich gut aussehen müsse, wenn mich junge Männer anlächeln.

Mit meiner Zeitung unter dem Arm trat ich kurz darauf wieder aus dem Laden heraus. Und kaum drei Schritte gegangen, kam mir der junge Mann von vorher wieder entgegen. Als wir auf gleicher Höhe waren, sprach er mich an. Ich dachte, es handle sich um einen Touristen, der mich nach dem Weg fragen wolle, und stöpselte meine Kopfhörer aus den Ohren. Er konnte mir kaum in die Augen gucken, lächelte schüchtern-traurig und sagte dann sehr leise, fast tonlos: "Hallo, es tut mir wirklich leid, dich ansprechen zu müssen. Aber ich bin in einer schwierigen Lage. Ich habe kein Geld und ich brauche etwas für eine Obdachlosenherberge heute nacht. Kannst du mir helfen?"

Die Zeiten sind schlecht. Auch ich bin bei weitem nicht so finanziell sorglos wie ich das vor drei Jahren gewesen bin, in den Vor-Crash-Zeiten. Und doch griff ich ohne zu überlegen in meine Handtasche und zog aus meinem Portmonnee einen Fünf-Euro-Schein und reichte ihn dem jungen Mann. Er blickte mich überrascht an. "Bist du sicher?" Ich nickte. "Wirklich?" "Ja, klar." Er sah mir in die Augen und meinte "Du hast gerade meinen Tag gerettet. Du bist die erste, die überhaupt stehen bleibt, um mich anzuhören. Ich danke dir." Ich wünschte ihm noch viel Glück und ging dann weiter.

Vielleicht bin ich naiv und lasse mich einfach übers Ohr hauen. Möglicherweise ist der junge Mann ein guter Schauspieler und hat einen Trick gefunden, wie er weichherzigen Frauen im mittleren Lebensalter die Penunzen aus der Tasche ziehen kann. Und fünf Euro sind heute für mich durchaus Geld, das ich nicht unüberlegt rauswerfe. Aber in diesem Moment waren sie für mich nur die Zahl auf einem Stück Papier. Denn ich habe so viel anderes, das unbezahlbar wertvoll ist, und dieser junge Mann hat das nicht. Nirgendwann anders als heute war mir das je so klar. Meine Eltern befinden sich zur Zeit zu Besuch bei mir. Sie haben mir zum Geburtstag, der demnächst ansteht, ein Geschenk mitgebracht, das ein Vielfaches der fünf Euro kostet, die ich dem jungen Mann gegeben habe. Geld? Schall und Rauch! Familie, Freunde und ein Dach über dem Kopf: Das ist Alles! Wie leicht es einem fällt, sich von (ein bisschen) Geld zu trennen, wenn einem das wieder einmal bewusst wird.

Und erst recht, wenn gleichzeitig auf dem iPod gerade ein Lied namens "Trampled Underfoot" läuft, wie passend (mal ansonsten von den Lyrics abgesehen)! Auf mir trampelt niemand herum, deswegen kann ich jemandem, der von den Umständen des Lebens offenbar ganz anders betroffen ist als ich, wenigstens so aushelfen. Und ich habe nicht nur ihm den Tag gerettet, sondern er auch mir - denn die Perspektive ist mal wieder gerade gerückt worden. Danke.

Dienstag, 25. Oktober 2011

Flut

Man sollte irgendwie meinen, dass Irland mit Wasser irgendwie Expertise hat. Nicht nur so als Inselnation. Sondern eher so als Land, das ja durchaus Erfahrung mit Regen hat, nech. Ich mein, es regnet hier ja eigentlich immer. Wenigstens einmal am Tag. Aber heute, da hat es mal den ganzen Tag geregnet. Und die Quittung haben wir auch gleich hier:



Ein kleines Video, das ich eigenhändig vor ein paar Stunden gedreht habe. Symptomatisch für Irland im Herbst. Nicht immer. Aber immer öfter. Und hier die dazugehörige Geschichte:

Es sollte ein schöner Abend werden. Beruflich hatte ich vier Eintrittskarten zu einer Vorführung des Films "Round Ireland with a Fridge" bekommen. Mann und Mäuse durften mich zur Ausübung meines Berufs (ausnahmsweise mal journalistisch, nicht fotografisch) begleiten, da es sich um einen komödiantischen Film handelte. Doch oh weh, der Dauerregen hatte bereits heute morgen eingesetzt, und als wir uns auf den Weg machen wollten, war der Feierabendverkehr so stark, dass wir kurzerhand entschieden, per Straßenbahn zum Kino im schicksten Einkaufszentrum Dublins zu fahren. Das Schicksal meinte es wohl gut mit uns - dazu aber später mehr. Zunächst mal war ich dem Schicksal nämlich nicht dankbar: Schon auf dem Weg zur Straßenbahnhaltestelle waren wir trotz dreifacher Beschirmung in kürzester Zeit durchweicht. Und außer uns wollten natürlich auch zahlreiche weitere Zuckerpuppen nicht nass werden, so dass wir uns mit eingezogenen Bäuchen zu den bereits wie Sardinen in der Büchse stehenden Strabapassagieren quetschen mussten, um überhaupt in die Bahn zu kommen.

Aber wir kamen an, die Freikarten lagen am Kino bereit und im WC gab es einen puststarken Handtrockner, der auch gleich die durchweichte Bluse wieder trockenfönte. Das Kino war mehr als dürftig besetzt - kein Wunder, bei dem Wetter. Und so beglückwünschte uns auch der Hauptdarsteller, Skriptwriter und Autor des Films, Tony Hawks, zu der erlesenen Zahl der Glücklichen zu gehören, die an diesem Abend gegen alle Elemente ankämpfend seinen Film sehen durften.

Mit Popcorn und Maltesers bewaffnet sanken wir in die roten Plüschsessel und genossen den Film - bis urplötzlich nach einer Stunde das Neonlicht aufflackerte. Sauerei, was für eine Unterbrechung? Drei offiziöse Herren stürmten in den Kinosaal und machten eine Ansage, die wir, auf den hinteren Plätzen sitzend, unter dem lauten Filmdialog leider nicht verstanden. Angesichts der Tatsache, dass alle anderen Kinoinsassen jedoch ihre Jacken anzogen und aus dem Saal stürmten, beeilten wir uns aber, hinterher zu kommen. Erst beim Hinausgehen erfuhren wir dann, dass das Shopping Center und das darin befindliche Kino soeben komplett evakuierte werde. Hochwasser.

Oder "flood" auf Englisch. Ein Wort, über das ich mich ja immer gerne amüsiere, ruft es bei mir doch Assoziationen von sturmgepeitschten Wellenbergen, Vollmond-Springflut und absaufenden Seelenverkäufern hervor. Haha, ein bisschen Wassereinbruch in'ner Tiefgarage, dachte ich noch so bei mir, bis ich dann vor das Kino trat und dort die aus den Gullydeckeln emporspritzenden Fontänen sah.

Dublin im Notstand. Mein Video von oben gibt es nur bruchstückhaft wieder, was draußen abging. Während sich das Shopping Center zu einem Hallenbad olympischer Ausmaße verwandelte, rauschten die an einem Hang gelegene Straße wahre Bäche von Wasser hinab. An ein Nachhausekommen trockenen Fußes war nicht mehr zu denken. Bereits nach fünf Metern waren meine Stiefel durchnässt. Glück im Unglück, dachte ich noch, denn wir mussten ja kein Auto mehr retten, waren ja mit der Straßenbahn gekommen. Alles, was in der Tiefgarage stand, war bereits unfreiwillig zum Amphibienfahrzeug umgerüstet worden.

Auf zur Straßenbahn, die bereits wartete. Doch wenn wir nun glaubten, dass wir nun trockenen Fußes nach Hause sausten, hatten wir uns getäuscht. Ansage in der Bahn "Verehrte Fahrgäste, leider verkehrt diese Bahn auf Grund von Hochwasser nur bis zur Haltestelle Beechwood. Wir bitten eventuelle Unannehmlichkeiten zu entschuldigen." Ach bitte doch, gerne. Bäh. Beechwood ist vier Haltestellen von der Innenstadt entfernt. Und als wir dort ausstiegen, wurden wir erst so richtig nass: Die Bahn konnte wahrhaftig nicht weiterfahren, da die Gleise einen halben Meter unter Wasser standen. Also stapften wir zwangsweise durch Regen, knietiefe Pfützen und immer in Erwartung einer Vertikaldusche mit ignoranten Grüßen vom rücksichtslosen Autofahrer neben uns nach Hause.

Tja, es soll wohl, so habe ich sagen hören, in manchen Ländern die enorm progressive und geradezu revolutionäre Idee geben, im Herbst das fallende Laub der Bäume regelmäßig von der städtischen Fahrbahnreinigung aufharken und einsammeln zu lassen. Könnte durchaus dem ständigen Durchfluss der Gullys und Rinnsteine zuträglich sein, habe ich mir sagen lassen. Das ist ein zukunftsträchtiges Konzept, aber eines, das in Irland bisher noch nicht auf Nachhaltigkeit und praktische Durchführbarkeit getestet wurde. Laubfall und Abflussfreiheit sind hier bislang noch in keinen kausalen Zusammenhang gebracht worden. Vielleicht ist noch Zeit, mir das patentieren zu lassen? Es könnte ja mal gebraucht werden...

Samstag, 22. Oktober 2011

Präsidentenwahl

Nun geht es in die heiße Phase! In knapp einer Woche findet die irische Präsidentenwahl statt. Nach 14 Jahren Mary McAleese muss das irische Volk sich einen neuen Repräsentanten wählen. Und das scheint für Überraschungen zu sorgen.

Während der irische Präsident genauso wie in Deutschland weitestgehend nur repräsentierend wirkt (mal abgesehen vom obligatorischen "Kaiser Wilhelm" unter neuen Gesetzen - vereinfacht gesagt), wird der erste Mann/die erste Frau der Poblacht na hEireann im Gegensatz zu unseren deutschen Wahlgesetzen hier per direkter Wahl ermittelt. Keine Bundesversammlung aus bunt zusammengewürfelten öffentlichen Würdenträgern, Sportlegenden, örtlichen Honoratioren und politischen Big-Wigs - direkte Demokratie, per  Wahl.

Das Feld ist weit gestreut, da werden alle politischen Farben abgedeckt. Naja, fast alle, denn die ehemalige Regierungspartei Fianna Fail (mehr oder weniger verantwortlich für den Zusammenbruch des Landes nach 2008 - jaja, gaaaaanz verallgemeinernd gesagt!) hat keinen alten Parteisoldaten bereit gestellt. Da hatte man sich wohl von vornherein keine Chancen ausgemalt, den Präsidenten aus den eigenen Reihen zu bestellen. Lediglich ein vor Jahren mal mit der Partei verbundener Kandidat wurde aufgestellt. Und der scheint nun das Rennen zu machen: Sean Gallagher ist bei weitem der jüngste der sieben Kandidaten - ein Self-made Businessman, dessen Name in Irland weit bekannt ist, da er in einer Fernsehshow mitgewirkt hat, bei der Erfinder und potentielle Unternehmer ihre Geschäftsideen vorstellen und eventuelle Finanzpartner finden. Den letzten Umfragen zu Folge hat Gallagher 40 Prozent der Wählerschaft hinter sich. Erstaunlich! Ich hatte ihn als einen chancenlosen Außenseiter eingeschätzt - aber ich bin eben auch keine Irin *grins*...

Mehr Chancen hatte ich da schon Michael D. Higgins gegeben. Der verkörpert nunmehr den Typus des "Elder Statesman". Irischer Präsident - das wäre so die Krönung eines jahrzehntelangen Aufreibens in der irischen Politik. Higgins ist Sozialdemokrat und vertrat die irische Labour Party in den Achtziger und Neunziger Jahren im Parlament. Unter anderem war er zudem Kultusminister. Und ist ein netter älterer Herr, kultiviert und weltgewandt - genau richtig für einen Präsidentenjob?!

Dabei habe ich es mit etablierten Politikern ja nicht so - und schon gar nicht mit dem Kandidaten der Regierungsparteil Fine Gael. Gay Mitchell steht für diese im Rennen. Wird aber bereits in den Prognosen von der Bevölkerung für die Larifari-Attitüde seiner Partei abgestraft. Der wird's nicht werden.

Ein interessanter Außenseiter ist David Norris. Eine wahre schillernde Figur - ehemaliger Literaturprofessor und Joyce-Experte, Gay Rights-Aktivist, mit seinem anglo-irischen Hintergrund eher ein Minderheitenvertreter - und im Auftreten ein Exzentriker par excellence. Schade, dass sich Norris vor dem Hintergrund irgendeines Skandals in grauer Vorzeit während des Wahlkampfs als Kandidat zurückgezogen hatte, um dann wieder in das Rennen auf Aras an Uachtarain (das Präsidentenhaus) einzusteigen.

Wenn man in Irland einen Präsidenten wählt, braucht man nach den beiden letzten Vorgänderinnen Mary Robinson und Mary McAleese natürlich eine obligatorische Mary, die sich zur Wahl stellt. Die gibt es auch, und zwar Mary Davis, eine unabhängige Kandidatin, die auf Grund ihres Engagements für die Special Olympics in Irland Rang und Namen hat. Aber eine reelle Chance auf das Amt hat sie nicht. Drei Prozent sagen die Vorhersagen für sie voraus.

Genauso soll auch die letzte im Bunde abschneiden: Dana Rosemary Scallon. Ja, hier gibt es "all kinds of everything" - eine ehemalige Schlagersängerin und Grand Prix-Gewinnerin im irischen Weißen Haus? Wohl besser nicht, schon gar nicht bei ihrer ultrakonservativen Einstellung gegenüber Abtreibung und Scheidung.

Interessant wird es allemal werden - am Freitag dann mehr zu den Ergebnissen der Wahl.

Mittwoch, 19. Oktober 2011

Frischer Ausschnitt

Der Ausschnitt ist wieder verpackt. Hallo, richtig lesen, Herrschaften! Ich spreche hier über den AuSschnitt! Die Salami ist im Kühlschrank sowieso vorschriftsmäßig und hygienisch in formschönen Tupperdosen gelagert. Über meine Verpackungsvorlieben hatte ich diesbezüglich ja schon vor langer Zeit berichtet. Nein, jetzt geht es also um den weiblichen Dekolletéebereich. Dieser hat zwar weniger Hygienevorschriften zu beachten, kann bei falscher Behandlung aber ebenfalls zu Faltenbildung und Austrocknung neigen, ganz ähnlich wie der Wellrand einer nicht luftdicht verpackten Aufschnittsorte...

Der Ausschnitt ist also wieder verpackt. Denn es ist kalt geworden. In den letzten Tagen ist das Thermometer in den Keller gesackt, bildlich gesprochen. Richtiggehend erschreckend war der Moment gestern morgen um halb 8, als das Thermometer am Küchenfenster die gefühlten Frösteltemperaturen mit 5 Grad bestätigte. Wieder ein (ohnehin nicht als solcher zu bezeichnender) Sommer vorbei. Ab sofort bleiben die Spaghettiträgernachthemdchen mit tiefem Ausschnitt im Schrank und die langärmeligen Pyjamas kommen wieder zum Einsatz. Zum Aufenthalt im Haus empfiehlt es sich, über einem obligatorischen Unterhemd nun auch wieder mindestens ein lamgärmeliges T-Shirt zu tragen, darüber dann das Top des Tages, abgerundet mit einer universal einsetzbaren Fleece-Jacke.

Und die kleinen Tricks werden auch wieder angewandt. Abgesehen von den Tassen heißen Tees im halbstündigen Zyklus sucht die fröstelnde Dame des Hauses dann nach kulinarischen Gründen, die Küche mittels Abbacken eines Gebäcks/Auflaufs vom Backofen anheizen zu lassen. Nie fahre ich so gerne Auto wie in diesen Tagen. Kinder mittags von der Schule abholen? Aber gerne doch - im Auto ist ja nullkommanichts die Heizung angeworfen, und man sitzt im mollig warmen Fonds. "Möchtest du auch gerne abgeholt werden, Kind Nummer zwei mit Schulschluss um 16 Uhr?" Mamas fahrbarer Fußsack ist bereit!

Vielleicht sollte ich mich einfach nur durchringen, jetzt eben doch morgens den Gasofen im Arbeitszimmer anzuschmeißen. Da steht ja noch irgendwie diese stoisch-protestantische Erziehung dagegen. "Heizung? Ja wohl erst ab Wintereinbruch! Heizen im Oktober ist für Warmduscher!" Warme Gedanken mache ich mir jedenfalls schon mal künstlich - und so ein Video ist nicht nur kosteneffizient, sondern auch CO2-freundlich. Emissionsfreie Herbstgrüße!

Donnerstag, 13. Oktober 2011

Gute-Laune-Morgen

Eigentlich wollte ich euch diese Woche noch mit einem politischen Beitrag beglücken. Die irische Präsidentenwahl steht in wenigen Wochen an und der Wahlkampf läuft auf Hochtouren. Doch nun drängt ein anderer aktueller Anlass das Thema in den Hintergrund: Heute ist ein gute-Laune-Morgen. Und zwar einer, wie es ihn nur in Irland geben kann.

Anlass meiner Eloge? Auf dem Rückweg vom Kurzeinkauf fiel mir plötzlich auf, dass sich ein ununterdrückbares Lächeln auf meinem Gesicht breit machte. Woher bloß? Und dann wurden mir so viele Gründe bewusst, von denen viele mit meiner Lieblingsstadt zusammenhängen:

Es bringt mich zum Lächeln, wenn...
... unerwartet die Herbstsonne auch noch nach 10.30 Uhr scheint.
... die Efeublätter zwischen blutrot und zartpink leuchten.
... im Straßencafé ein schicker Mann ein Zigarillo rauchend sitzt.
... im iPod "Kashmir" von Led Zep auf Endlosschleife läuft.
... in meiner Einkaufstasche eine Packung Chocolate Chip Cookies darauf wartet, von mir verzehrt zu werden.
... der Himmel azurblau ist.
... meine Ohrringe beim Gehen klimpern.
... ein LKW-Fahrer mit seinen zwei Hunden auf der Ladefläche sitzend Frühstückspause macht.
... mir mein Lächeln von einem Passanten erwidert wird.
... der Duft frischgebackener Croissants aus dem Coffeeshop noch meterweit weiterzieht.
... meine Haare mir beim Gehen in die Augen fallen.



Ich hoffe, ihr habt auch einen schönen Herbst, wo auch immer ihr seid! Nach meinem kleinen Erlebnis heute morgen bin ich für den Rest des Tages jedenfalls in unwiderruflich guter Laune.

Dienstag, 11. Oktober 2011

Oktoberfest in Dublin

Oans, zwoa, gsuffa - diesen Artikel hätte ich wohl doch schon etwas früher schreiben sollen. Denn das Oktoberfest ist mit dem vorgestrigen Sonntag vorbeigegangen. Die Wiesn hat ihre Pforten dichtgemacht, die Maß'n wieder eingemottet und Ausschnitte züchtig bedeckt - Schluss mit lustig, nach zwei Wochen ist Schluss. So übrigens auch in Dublin, denn hier tobt jedes Jahr, stilgerecht, zur Wiesn-Zeit ebenfalls ein Mini-Oktoberfest.



Ich amüsiere mich bei dieser Gelegenheit immer königlich darüber, wie viele Deutsche es doch in Dublin gibt. Nun gut, in der Kulturszene, in der ich gelegentlich ja auch unterwegs bin, sieht man ja immer die selben Gesichter Honoratioren. Beim Oktoberfest sieht man sie weniger, sondern hört sie eher. Tja, wenn es um Bratwurst und Weißbier geht, dann sind se alle da...

Vorgestern war nicht mal mein erster Besuch auf dem diesjährigen Oktoberfest. Bereits letzte Woche hatte ich mich relativ spontan mit einer Truppe Landsleute auf der Bayern-Party getroffen. Normalerweise greife ich damit immer die Gelegenheit auf, mal wieder eine *echte* deutsche Bratwurst vom Schwenkgrill zu bestellen. Angesichts von insgesamt einem Liter Bier habe ich dann aber die Bratwurst ausgelassen. Diäääääääääät!

Was aber gar nicht auszulassen geht, ist Schmalzkuchen. Wenn es die schon mal gibt, dann muss ich auch zugreifen, egal wie fettig und süß die Dinger sind. Ich liebe sie nun mal. Kennt ihr die? In manchen Gegenden Deutschlands auch eher als Mutzenmandeln (oder so ähnlich) bekannt, sind das die Hefeteigstückchen, die in Fett ausgebraten und dann mit Puderzucker bestäubt verzehrt werden. Immer wieder eine reine Sauerei - ich sehe nach dem Genuss einer Tüte Schmalzkuchen immer wie ein Damaltiner im Negativ aus: weiß gesprenkelt. Und dieser Puderzuckerstaub lässt sich ja auch nicht entfernen - eine reine Sauerei ist das...

Worüber ich hier jetzt nicht länger nachdenken möchte, ist übrigens das Deutschlandbild, was den nicht-deutschen Besuchern hier vermittelt wird. Kellner und Kellnerinnen in Dirndl und Lederhose, rustikales Essen, das weniger durch Geschmack als durch Fetthaltigkeit punktet, und vor allem die grau-en-haf-te Volksmusik, die da durch die Zelte geblasen wird. Entsetzlich. Muss das sein? Gehört das wirklich zu deutscher Gemütlichkeit dazu, dass "Und jetzt die Hände zusammen..." und "Schick mir ein Foto von dir" gespielt werden? Und das im Umpapa-Sound? Na dann Grüß Gott!!!

Freitag, 7. Oktober 2011

Backwahn

Mit dem Backen ham se es ja nich so, die Iren. Oder vielleicht kommt es einem ja auch nur so vor, wenn man aus der Wiege der Schwarzwälder Kirschtorte kommt, der Heimat des Butterkuchens und dem Hort des Frankfurter Kranzes. Nun hat Irland zugegebenermaßen auch einige der der Meisterschaft im Backwettbewerb entgegenstehenden Ausgangsprobleme. Mit exakter Wissenschaft ist man es in Irland auf Kriegsfuß - und Backen ist genaus das, eine Meisterleistung pedantischer Rezeptgenauigkeit, bei der die Fusion der Elementarteile direkt proportional von der folgsamen Umsetzung grammgenauer Rezeptangaben abhängt. "Ach, das wird schon gehen" passt da nicht! Und angesichts der doch recht kargen einheimischen Obstvielfalt, fehlt eventuell auch der Antrieb zur kulinarischen Verwertung von Naturalien.

Wie immer hat aber die Tatsache der irischen Unterperformanz im Bereich Backwaren Vor- wie auch Nachteile. Als Deutsche in Irland gelingt es mit sehr geringem Aufwand maximal zu beeindrucken. Ein simpler Sandkuchen erzielt hier bereits große Erfolge; eine Sahnetorte erhebt die Kreateurin des Gebäcks in den Olymp kulinarischer Halbgottheiten.

Der einzige Nachteil der irischen Backresistenz: ein Volk, das nicht backt, hat auch nicht die Backzutaten im Supermarktangebot. Gehackte Walnüsse? Selberhacken! Vanillezucker? Fehlanzeige. Springform? Immer aus Deutschland importieren. Heck, wenn man hier einen Backofen kauft, wird der ohne Backblech geliefert!! Und die gekauften Backbleche sind immer zu klein für deutsche Blechkuchenmengen.

Wie dem auch sei, heute habe ich mich mal wieder der Backlust gewidmet. Der Anlass ist auch ein guter - deutscher Besuch, der nicht nur Selbstgebackenes zu schätzen weiß, sondern selber ein fantastisches Food-Blog schreibt, bei dem allein schon die köstlichen Fotos Hunger machen. Guckt mal rein bei dearbelly.

Und wir essen jetzt einen frisch gebackenen versunkenen Birnenkuchen. Es lebe der Backwahn!

- Posted on Tour, using BlogPress from my iPhone

Montag, 3. Oktober 2011

Ich will Meer!

Es ist allzu leicht, im Großstadtleben der Metropole Dublin zu vergessen, dass ich direkt am Meer lebe. Nun, allerdings nicht mit Balkonblick auf die See. Ich kann noch nicht mal die Mischung aus Fischmief und Teer riechen, wenn ich meine Nase aus dem Fenster stecke. Aber manchmal werde ich doch daran erinnert, dass das Meer nie weit weg ist.

Nach einer Kaffeeeinladung am gestrigen Nachmittag fuhr ich auf dem Rückweg einen Abstecher auf die Küstenstraße von Arklow nach Wicklow - und konnte nicht widerstehen, einen Strandparkplatz anzusteuern. Das Wetter war ganz für einen Herbstspaziergang gemacht - Nieselregen und Wind, tiefliegende Wolken. Das bedeutet: wenig los am Strand.

Brittas Bay
Manch einer findet das langweilig und depressiv. Für mich ist es tröstend. Ich liebe es, wenn die Wellen brachial an den Strand krachen, wenn der Wind an den Haaren zerrt und du die Regentropfen auf dem Gesicht wie feine Nadelstiche spürst. Eine Erinnerung, dass wir nicht nur in unserem Inneren leben, sondern die wahre Macht von außen kommt.

Auweia, Anflüge einer Herbstdepression??? Nein, keine Angst, ich war zwar versucht, in die Wellen zu springen, aber nicht um mich malerisch und dramatisch zu ertränken, sondern weil das Meer am Ende des Sommers erfahrungsgemäß dank der Sommersonne wärmer ist als im Juni. So hatte das Meer hier Anfang des Sommers rund 12°C. Im September 2011 dagegen sind es über 14 Grad.

Und nichts ist besser, als eine heiße Tasse Tee, wenn man durchweicht und verfroren von draußen reinkommt. Auf die kommenden Herbststürme!

Freitag, 30. September 2011

Wer kennt wen?

Irland ist ein kleines Land. Bei nur 4,5 Millionen Einwohnern ist die Inselnation... nun, wie sagen wir es denn mal... "übersichtlich". Das gibt ein gemütliches Gefühl - es ist hier eben nicht ganz so anonym wie unter 80 Millionen Deutschen. Es gibt einfach weniger von ihnen, das macht sie weniger bedrohlich, die possierlichen Iren. Und gibt unter den Iren selbst offenbar auch ein anderes Gefühl von Gemeinschaft oder Zusammengehörigkeit und nationaler Identität als bei einer Masse von rund 80 Millionen Deutschen.

Und irgendwie kennt hier auch irgendwie jeder jeden. Oder wenigstens die Mutter vom Bruder der Kusine dritten Grades von jedem. Oder die Schule, auf die der Studienfreund der Schwester gegangen ist. Verbindungspunkte gibt es viele – das habe ich nicht nur erlebt, wenn ich im Ausland beobachtete, wie Iren sich kennenlernten und innerhalb kürzester Zeit gemeinsame Bekannte der Vergangenheit aus dem Hut zauberten, sondern sogar am eigenen Leibe. Zum Beispiel:

Während meines Studiums in der Jungsteinzeit traf ich über ein Austauschprogramm in Würzburg eine junge Irin, die vom Trinity College Dublin entsandt worden war. Tragischerweise verstarb Kate bei einem Autounfall auf der Autobahn. Einige Freunde, die sie im Austauschprogramm kennengelernt hatten, fuhren zur Beerdigung nach Dublin. (Ich übrigens nicht, da ich sie nicht intensiv genug gekannt hatte.)

Mehrere Jahre später stellte sich in einem Gespräch mit meiner Schwiegermutter heraus, dass diese Austauschstudenten damals unter anderem im Hause P___ von meiner SchwieMa beherbergt worden waren. Was für ein Zufall, oder? 

Als ich selber dann ein Auslandsjahr in Dublin verbrachte, schloss ich mich in meinem College dem Archäologie-Club an. (jaja, einmal Freak, immer Freak...) Die Freundin des damaligen Club-Vorsitzenden war eine Freundin der Verstorbenen! Und es geht noch weiter. Nicht nur das – sie war auch eine gute Freundin meiner späteren Schwägerin und meines Schwagers, da sie alle drei auf dieselbe Schule gegangen waren.

Was sagt uns das alles? Das Schicksal wollte mich und meinen Gatten unbedingt zusammenbringen. Jedenfalls hätte man das Kennenlernen gut und gerne schon zwei, drei Jahre früher in den Griff kriegen können. Nein, was uns das sagt: In Irland ist die Gesellschaft so klein, dass man nie unbeobachtet ist. Man kann nie wissen, ob ein neuer Kontakt nicht vielleicht über zwei Ecken doch bereits in entfernter Verwandschaft mit einem verbunden ist. Deswegen: Obacht! Feind hört mit.

Montag, 26. September 2011

Schöne Aussichten

Manches in Irland ist doch noch nach Jahren der intensiven Auseinandersetzung mit irischer Lebensweise so skurril, dass es mir nach wie vor ein breites Grinsen aufs Gesicht zaubert. Wer mich in solchen Minuten Angesicht zu Angesicht erlebt, hält mich vermutlich für grenzdebil. (Wobei - das tut wahrscheinlich jeder, der mein Blog hier verfolgt *lach*). Ich kann mir das Amüsement über manche irische Ideen einfach nicht verkneifen - und das meine ich nicht einmal herablassend, sondern mit einem gewissen kindlichen Staunen, wie man überhaupt auf *solche* Ideen kommen kann...

Im letzten Blogpost hatte ich von meinem Parkplatz-Ärger in Dun Laoghaire berichtet. Unverrichteter Dinge hatte ich mich damals beleidigt wieder hinter den Volant geschwungen, um nach einem kostenlosen Parkplatz an anderer Stelle Ausschau zu halten. Mir schwebte da auch bereits etwas vor - die Wohngegend hinter dem "James Joyce-Tower", am anderen Ende Dun Laoghaires in Sandycove gelegen. Dort hatte ich schon zu früheren Zeiten gelegentlich gebührenfrei geparkt. Das war wohl kein Geheimtipp mehr, denn die Straßen dort waren zugeparkt.

Doch wo ein Wille ist, ist auch eine Sackgasse. Und zwar eine ganz besonders schöne:

Größere Kartenansicht

Als ich ankam, standen, ähnlich wie hier im Bild, bereits vier Wagen in der Sackgasse. Drei PKWs und ein Transporter. Aber ein Plätzchen war für mich noch frei, in das ich mich hineinquälte. Erst beim Aussteigen bemerkte ich dann die skurrile Tatsache, die mich zu diesem Blogpost bringt: Die anderen Wagen waren nicht geparkt, sondern nur angehalten! (Wo ist der Unterschied? Ja, Leute, habt ihr denn eure Fahrstunden in einer amtlich bestätigten, deutschen Fahrschule vergessen? Parken ist, wenn man ein Auto abstellt und das Fahrzeug verlässt. Anhalten ist, wenn man das Auto abstellt, aber im Wagen sitzen bleibt! Ein kleiner, aber wichtiger Unterschied. Denn die hier abgestellten Wagen waren besetzt.)

In den drei PKWs jeweils mit Dubliner Kennzeichen saßen die Fahrer. Neben mir ein kleiner PKW-Lieferwagen mit einem Herren, der bei offenem Fenster eine Zigarette rauchte. Hinter mir eine Fahrerin in ihrem Fahrzeug, die eine aufgeschlage Zeitung auf dem Steuer liegen hatte. Und im BMW vor mir eine weitere Frau, die durch die Frontscheibe auf das Meer blickte. Was mich zu der irischen Skurrilität bringt: Die Iren lieben es offenbar, mit ihrem PKW an schöne Aussichtspunkte zu fahren. So weit, so gut. Dort steigen sie jedoch nicht aus, um die Gegend zu genießen, sich den Wind um die Nase pfeifen zu lassen und ein paar Schritte zu gehen. Nein. Man bleibt im Fonds sitzen und macht ein Picknick/liest die Tageszeitung/hört Radio/isst ein Butterbrot. Wie gemütlich. Im Auto. Direkt an einer schönen Aussicht. Aber mal lieber mit einer schützenden Schicht Autoverglasung und Blech zwischen den Passagieren und der Gegend. Ich finde es immer wieder witzig - da hat jemand offenbar sich genau überlegt, irgendwo hinzufahren, wo es besonders schön ist. Aber bleibt im Auto sitzen. Und macht Picknick.
 
Das schönste derartige Bild bot sich mir vor Jahren einmal an einem Aussichtsparkplatz in Co. Kerry. Dort stand ein Kleinwagen mit örtlichem Kennzeichen auf dem bestmöglichen Aussichtspunkt. Innen drin ein reizendes Rentnerpärchen. Er mit aufgeschlagener Zeitung auf dem Lenkrad, sie mit Stricknadeln auf dem Beifahrersitz. Gemütlich. Ich konnte mir lebhaft vorstellen, wie "Paddy und Mary" nach dem Lunch zueinander sagten "Was machen wir heute nachmittag? Ich habe keine Lust in meinem Fernsehsessel liegend meinen Irish Independent zu lesen." "Ach, Paddy, lass uns doch eine kleine Ausflugsfahrt machen! Ich würde gerne an der Strickweste für Edna weiterstricken." "Hervorragende Idee, Mary. Packst du uns noch eine Thermoskanne Tee ein?"

Vorteilhafter geht es ja auch nicht - mit dem eigenen Gefährt direkt bis an das Ausflugsziel fahren. Gebäck und heißer Tee aus eigenem Anbau mit dabei, und das ohne Warten auf ignorante Kellner oder Selbstbedienungstresen. Das ist kostengünstig. Und bei irischen Wetterverhältnissen praktisch noch dazu, wenn man keinen Schritt unter potentiellen Regenwolken gehen muss.

Ich freue mich schon auf meinen Lebensabend. Gemeinsam mit dem Gatten auf Vico Road den Sonnenuntergang verpassen. Mit einem leckeren Ham Sandwich und einer aktuellen Zeitung sicher aufregend. Und wir müssen noch nicht mal miteinander reden. Autoradio full blast!

Samstag, 24. September 2011

Adrenalinstoß

Ein kleines bisschen Adrenalin ist ja nicht schlecht für den Kreislauf, sage ich mir immer. Wie schön, wenn man sich ein wenig über die ganz normalen Kleinigkeiten des täglichen Lebens aufregen kann – das bringt einen mal wieder in Schwung. So auch gestern:

Ich musste ein bisschen Zeit verplempern, nachdem ich den Kronprinzen Gitarrengott-in-spe bei seiner Musikstunde abgesetzt hatte. Ich befand mich in dem Dubliner Küstenvorort Dun Laoghaire (Exkurs für die des Irischen Nicht-Mächtigen: Das spricht sich dann /dunn lierie/ aus, nicht etwa /dunn la-o-gäh-rie/!!! Das sind die mir nicht ganz logisch ersichtlichen Ausspracheregeln der irischen Sprache...). Die Gitarrenstunde dauert 60 Minuten. Mit Fahrtzeit von und zum Gitarrenlehrer verblieben mir noch knapp 45 Minuten, um einmal kurz auszusteigen und die mitgebrachte Kamera ein wenig zu lüften. Da es ein schöner Tag war und ich nicht lange überlegen wollte, dachte ich, nicht nur Marky Mark (meine geliebte Canon 5D2), sondern auch die etwas morschen Knochen auf der Hafenmole spazieren zu führen. Also ab an den Hafen, wo es mehrere ausgewiesene Parkplätze gibt.

Doch ich hatte meine Rechnung ohne Rücksicht auf die Geldgier der Parkbehörden gemacht. Mal abgesehen davon, dass für eine Parkstunde dort horrende € 2 zu berappen sind, hatte ich dummerweise nur begrenzt Kleingeld bei mir. Nun wollte ich ohnehin nur für 30 Minuten den Wagen abstellen, um an der Mole ein paar Fotos zu machen - doch mein sorgsam abgezählter Euro in nicht-nummerierten, nicht-prägefrischen Centstücken wurde vom Parkautomaten arrogant mit dem Hinweis zurückgewiesen, zum Parken an der exklusiven Hafenmole (mit Blick auf rostige Seelenverkäufer, zerfledderte Hummerkörbe, allesamt fein umweht vom lieblichen Aroma faulenden Fisches) sei eine Mindestgebühr von € 2 fällig.

Ich konnte es nicht fassen und fuhr mit dem Wagen zum nächsten Hafenparkplatz, aber auch dort dieselbe Antwort: Entweder du schmeißt hier jetzt € 2 ein, oder du kannst mich mal nicht parken. Was für eine bodenlose Frechheit und Geldgier!!! Was ist, wenn man eben nicht eine volle Stunde dort parken will, sondern nur 15, 30 oder 45 Minuten? Die nehmen das Geld von den Lebendigen – naja, von den Toten kriegen sie es ja auch nicht mehr. Aber die Tatsache, dass man – in den Worten eines ebenso erzürnten Freundes von mir – “sein Eigenheim wieder belehnen muss”, um sein Auto an einem weder touristisch noch kommerziell ausgelasteten Ort abzustellen, ist doch eine wahre Frechheit.

Da bleibt dann nur Trick 17: Man sucht sich einen kostenlosen Parkplatz anderswo. Aber das ist eine Geschichte für einen anderen Tag. Horrido!

Sonntag, 18. September 2011

TV-Star Update

Oha, da bin ich ja wohl noch ein kleines Update schuldig, wie es denn nun mit dem großen Fernsehspecial gelaufen ist, das hier gedreht worden ist. Jawohl, ich kam mir fast schon vor wie Peter Alexander an seinem 75. Geburtstag - nur dass die geladenen Gäste fehlten und auch kein leicht bekleidetes Fernsehballett um mich herum strich, um mit kokettem Hüftschwung meine brillianten Wortbeiträge zu würzen. Aber wichtig! Ich war ja sooo wichtig.

Aber von vorne: Am Donnerstag tauchte das besagte Fernsehteam drei Mann hoch hier auf, um einen anderthalbminütigen Beitrag für ein Stadtmagazin zu drehen. Dazu waren zwei Stunden Zeit anvisiert worden. Insgesamt brauchte das Ganze dann dreieinhalb Stunden. Und Schrecken aller Schrecken: Ich war in fast jeder Szene mit dabei. Natürlich auch wieder typisch: Da geht es um historische Dubliner Bausubstanz, um eine irische Künstlerin und ein Haus in Innenstadtlage mit Familienanschluss. Und wer muss den Salat da präsentieren? Ich, die Zugereiste, die Ausländerin. Komplett mit deutschem Akzent und unirischem Aussehen. Naja, mir ist sowas ja auch ganz egal, aber irgendwie wäre es doch passender gewesen, wenn sich hier ein *echtes* Familienmitglied ausgetobt hätte, und nicht eine völlig unverwandte, hereingeblasene Person.

Dem Fernsehteam war's letztlich egal. Die wollten von mir nur ein bisschen Interviewgeplauder haben, dazu ein paar schöne Einblicke in unser "Museum" und den Schlüssel für den Park, damit sie da weiterdrehen dürfen. Was für mich interessant war: die Arbeitsweise des Teams. Erstaunlich, wie spontan und improvisiert hier gearbeitet wurde. Natürlich hatte die Fernsehmoderatorin sich inhaltlich auf unser Gespräch vorbereitet. Aber geprobt wurde hier nichts. Zwar wurde mir vorab zu verstehen gegeben, welche Punkte sie interessant fänden, aber wie ich das nun umsetze, blieb mir überlassen.

Für das optisch ansprechende Fernseherlebnis mussten die jeweiligen Interviewgespräche allerdings jeweils mindestens zweimal aus verschiedenen Perspektiven gedreht werden. Besonders albern: Die Türöffnungsszene, die offenbar bei solchen "Hausbesuchen" Standard ist. Da musste ich, mal mit dem Kameramann drinnen neben mir, mal draußen hinter der Moderatorin, ihr die Tür öffnen. Wie originell, dann auch noch unter Vorspiegelung falscher Begeisterung die Besucherin höchst überrascht zu begrüßen... Nicht, dass mir gar nicht aufgefallen wäre, dass ein Kameramann vom irischen Fernsehen neben mir im Flur steht...

Insgesamt eine wirklich interessante Erfahrung, die durchaus Spaß gemacht hat. Aber das sage ich jetzt NOCH. Denn noch habe ich ja das entstandene Filmchen noch nicht gesehen. Sendetermin am kommenden Donnerstag. Ich selber bin dann leider-Gott-sei-dank gar nicht zu Hause, sondern in der Uni. Mal sehen, ob der Beitrag hier durch die Zensur geht.

Donnerstag, 15. September 2011

Schein oder Sein?

Mal ganz ehrlich: Mit dem Putzen habe ich es ja nicht so. Ich habe eine, wie hier ja schon mehrfach erwähnt, sehr hohe Schmutzschwelle. Im Laufe der Jahre habe ich eine Art optischen Staubfilter entwickelt. Dabei handelt es sich nicht um einen handlichen Staubsaugeraufsatz, sondern um die subjektive und gezielte optische Ausblendung von Staubansammlungen im Wohnraum bei der Übertragung der visuellen Informationen von der Netzhaut ans Hirn. Ähnlich selektive Wahrnehmung hat sich dank langjähriger Übung auch beim Ignorieren unansehnlicher Flecken auf dem Küchen-PVC sehr bewährt. Einzig und allein die Unordnung lässt sich schlecht wegdenken - da besteht noch Bedarf an bewusstseinsändernden oder selbstsuggestiven Bewältigungsstrategien.

Gestern musste ich nun aber leider ran: Ein Kamerateam vom irischen staatlichen Fernsehen hatte sich zum Dreh in meinem heimischen "Museum" angesagt. Im Mittelpunkt des Interesses stand eine schon lange tote Bewohnerin unseres Hauses, die Malerin Mainie Jellett, die erste kubistische Malerin der britischen Inseln. Darüber hinaus wünschte das Team auch noch ein bisschen "Homestory" mit mir zu machen, um zu illustrieren, dass unser Haus als Familienresidenz bewohnt wird. Das bedeutete, Küche und Wohnzimmer aufräumen und präsentabel machen. In meinem Fall hieß das: Grundrenovieren! Am liebsten hätte ich ja gleich richtig klar Schiff gemacht. Wenn ich schon aufräumen und putzen muss, dann bitte doch richtig: PVC rausreißen, die Arbeitsplatten mal alle abschleifen, die Decke könnte auch mal neu verputzt und gestrichen werden. Dazu reichte nun aber leider die Zeit doch nicht - ich hatte nur zwei Tage Vorlauf, die sich dank meines außerordentlichen Ignorier- und Verzögerungstalents letztlich auf einen Abend und einen Viertel-Morgen reduzierten.

Dennoch ist es aber ja immer erstaunlich, wie viel man doch schafft, wenn man muss. Das Geheimnis meines Erfolgs: Umschichten. Küche und Wohnzimmer sehen klasse aus. Könnten beide in einer Wohnzeitschrift erscheinen. Ungelogen. Aber guckt bitte nicht in mein Arbeitszimmer. Dort stapeln sich gerade ungeordnet zwei abgehängte Kronleuchter, zwei Stereorekorder, eine Pappkiste voll "Kram", ein Weidenkorb voll "noch mehr Kram" eine Nähmaschine, vier Lichtschutzplatten (Studioausrüstung) und ein heimatloser Staubsauger.

Ich könnte nun eigentlich wieder zurückordnen. Aber: Es ist unheimlich schön, plötzlich, in der Küche. Die Arbeitsplatten frei und sauber. Der Kaminsims aufgeräumt und symmetrisch dekoriert. Der Geschirrschrank wohl geordnet und mit freier Ablage. Erstaunlich, wie gut das alles aussieht. So wohl habe ich mich schon lange nicht mehr in meiner Küche gefühlt. Das soll so bleiben. Und wenn wir alle draußen bleiben, wird es auch nicht wieder unordentlich. Ab jetzt nur noch Frühstück bei McDonald's, Lunch vom Sandwich-Shop und Dinner im Restaurant. Das wird teuer - aber es sieht gut aus.

Montag, 12. September 2011

Vorne hui und hinten pfui

Mal was Aktuelles: Katia hat ihre Finger nach uns ausgestreckt. Auf dem Weg in die Arktis macht sie jetzt nochmal Station am Westrand Europas. Als ob sie nicht schon genug angerichtet hätte! *tststs* Heute wütet sie in Dublin. Für heute hat unser kleines Inselchen mal wieder eine Sturmwarnung bekommen. Windgeschwindigkeiten von bis zu 130 km/h sind zu erwarten. No kidding - die Bäume im Park rauschen, die Fensterscheiben im Hause wackeln.

Klingt fast schon gemütlich, nicht wahr? So ähnlich wie "Ich liebe es, das Getrommel von Regen auf einem Zeltdach zu hören." Ja. Klar. Aber auch nur, wenn man nicht in selbigem Zelt schlafen muss, Persenning und Zeltboden wasserdicht sind und ein Vordach aufklappen kann, unter dem man sich trocken und aufrecht sitzend aufhalten kann, nech... Und wenn man wie ich eben in der Küche vor einem 2m hohen und 1m breiten Fenster saß, das original Früh-19.-Jahrhundert verglaste Butzenscheiben hat und per Schiebemechanismus ausgesprochen undicht ist, dann fürchtet man von jedem Windstoß, dass er nun die Scheibe eindrückt und einem der Fenstersturz auf den Kopp fällt... Ah ja, the joys of living in the 18th century...

Dabei könnte es so schön sein:





Das Foto habe ich eben gerade in meiner Straße gemacht. Die schönsten Herbstfarben, das intensivste Naturrot, das ich kenne. Eine schon jahrzehntealte Efeupflanze, die sich an der Häuserzeile über acht bi zehn Fassaden erstreckt und jedes Jahr im Herbst in den unglaublichsten Schattierungen zwischen pastellgrün und karmesinrot leuchtet. Und das heute bei fast keinem Lüftchen. Der Sturm, der tobt nämlich auf der Rückseite der Häuserzeile. Ungelogen. Vorne hui und hinten pfui. Ich geh dann jetzt mal die Küchenmöbel festzurren.



PS: Mit diesem Beitrag übrigens herzliche Grüße nach W___ an meine Freundin K___, die in diesen Tagen vermutlich leidet und leidet und leidet. Sorry, es ließ sich einfach nicht vermeiden. Hoffen wir, dass es nächstes Jahr mal einen Tropensturm D___ gibt ;-)



Samstag, 3. September 2011

Elektrisches Picknick

Wozu habe ich eine teure Remote Blogging App gekauft, wenn ich sie nicht nutze. Auch wenn es mir als Angeberei ausgelegt werden könnte, ichkomme heute nicht umhin, einen kleinen Live-Post vom Highlight meines Sommers abzusenden. Ich befinde mich nämlich mit meinem Sohn und Erben, seines Zeichens Guitar-God-in-the-Making, auf dem Electric Picnic. Das Picnic ist eines der größten irischen Musikevents. Es findet statt auf einem Landgut, und zwar an einem Ort, den man als the middle of the sticks bezeichnet: am Ar...m der Welt sozusagen. Ziemlich viel Gegend hier. Aber dafür auch besonders schöne Gegend!

Das alles ist natürluch nicht entscheidend, denn wir sind nicht wegen Gegend hier, sondern wegen Arcade Fire. Und den Chemical Brothers. Und Death in Vegas. Mogwai. Trentemøller. Paul Kalkbrenner. Ihr seht schon, ich komme als Electronica-Fan diees Jahr voll auf meine Kosten. Außerdem ist das jährliche Festival auch immer Gelegenheit für ein bisschen Mutter-Sohn-Bonding. Der Gitarrengott und ich sind die beiden Musikfans der Nuklearfamilie. Unser Musikgeschmack deckt sich in vielen Teilen. Nun gut, Electronica ist nicht so sein Ding, aber da musser dieses Jahr durch. Dafür hält er mich in Sachen Indie auf aktuellem Stand.

Ein weiterer Grund, warum wir jetzt schon zum vierten Mal dabei sind, ist, dass das Picnic die einzige Gelegenheit für einen minderjährigen Musikfan ist, livegigs zu erleben. Die irische Trinkkultur ist nicht umsonst eher berüchtigt als berühmt. Trinken tut "der Ire gern und viel. Vor allem in jungen Jahren. Dementsprechend geht es auf Festivals und Konzerten heftig ab. Denn alkoholfrei ist hier so gut wie keine Veranstaltung. Mit dem allgemeinen Ergebnis, dass Kinder von der Teilnahme an Konzerten ausgeschlossen sind. Aber nicht beim Pucnuc! Hierher darf man Kinder mitbringen. Und darf dafür sogar auf einem speziellen Familienplatz zelten, also fernab von dem gewöhnlichen Plebs, das auf den regulären Zeltplätzen bis in die Puppen säuft, Kraut raucht, kotzt und weitere nicht-jugendfreie Aktivitäten betreibt...

Und so sind wir dieses Jahr also wieder dabei. Das letzte Mal, denn ab nächstem Jahr ist Cillian zu alt. Teenager im Alter von 13 bis 17 Jahren dürfen zu keiner dieser Veranstaltungen. Wegen siehe oben. Dann müssen wir eine Alternative finden. Vielleicht das Hurricane Festival in Scheeßel. Denn in Deutschland gelten solche Regeln nicht. Da kann man sein Neugeborenes mit zu einem Death Metal-Gig nehmen, wenn man das will. Oder seinen 14-Jährigen an den Nürburg-Ring.

Nach der ersten Nacht im Zelt - übrigens ausgesprochen bequem, so eine Isomatte - kommt heute der Mega-Tag. Party bis 2 Uhr nachts, die Chemical Bros. Spielen den Headline Gig. Und jetzt muss ich schnell Schluss machen, der akku ist leer.

We are electric, yay



Location:Timahoe Rd,,Ireland

Dienstag, 30. August 2011

Endlich!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

Leute, ich habe heute drei Kreuze gemacht! Und zwar aus Freude. Um 7.45 Uhr GMT-Sommerzeit schob ich meine Mannschaft aus der Tür und hatte zum ersten Mal seit Wo-chen einen Morgen ganz alleine. Jawohl. Die Sommerferien sind zu Ende. Das wurde auch langsam Zeit, denn Irland gönnt seinen Schülern sage und schreibe zehn Wochen Sommerferien.

Die Mütter unter euch stöhnen mit mir mit, ich höre es förmlich. Und alle anderen wundern sich, wie man nur so unmütterlich sein kann. "Qualitätszeit mit dem Nachwuchs, wünschen wir uns das nicht alle?" NEIN! Denn Kinder machen Aufwand. Selbst wenn sie schon über zehn Jahre alt sind. Ein typischer Ferientag:

6.00 Uhr: Mudder K___ steht auf und journalisiert am Rechner. Katzenfütterung
8.00 Uhr: Vadder P___ steht auf. Frühstück. Ab zur Arbeit.
8.30 Uhr: Mudder würde gerne joggen gehen, aber: geht nicht, Kinder sind noch nicht wach, dann kann sie sich hier nicht so einfach rausschleichen.
9.00 Uhr: Klospülung. Eins der Kinder ist wach. Hurra! Endlich frühstücken und Küche klar machen.
9.05 Uhr: War nur ne Pinkelpause. Kind ist wieder ins Bett zurückgegangen. Hmpf.
9.30 Uhr: Der Erbe steht auf und wünscht Frühstück. Ok.
9.55 Uhr: Erbe geht in sein Zimmer, Mudder an den Rechner. Kronprinzessin schläft immer noch auf der nicht-vorhandenen Erbse.
10.30 Uhr: Kronprinzessin tapert verschlafen die Treppe zur Küche runter. Endlich das letzte Frühstück serviert und abräumen. Mann, ey!
10.45 Uhr: Mudder wieder am PC. Jetzt klasse zügiges Arbeiten bis...
10.50 Uhr: "Mamaaaaaaa????? Was kann ich machen????" Kronprinzessin ist langweilig. Mudder schlägt ungefähr zehn pädagogisch sinnvolle Tätigkeiten vor, keine davon findet Anklang. Kronprinzessin zieht beleidigt in ihr Zimmer ab.
10.55 Uhr: Kurzer Kontrollbesuch bei FB. Mudder wendet sich wieder ihrem Artikel zu.
12.00 Uhr: "Mamaaaaaaa????? Kann ich etwas backen???" "Ja." Erbe verzieht sich in die Küche.
13.00 Uhr: "Mamaaaaaaa????? Ich hab Hunger!" Kronprinzessin erinnert Mudder an ihre hausfraulichen Pflichten. "Oh, ist ja schon 1 Uhr. Ich komme."
13.01 Uhr: Arrrrrrrrrrrrrghhhhhhhhhhhhh! Was ist das denn bitte? Die Küche ist zu einem Winterwunderland geworden, und das im August: Alle Oberflächen verschwunden unter einem Zentimeter Mehl, gelegentlich untrennbar mit Hilfe von Eiweiß mit der Arbeitsplatte verbunden. Drei Plastikschüsseln, zwei Löffel, Messer und Gabel, drei Messbecher und zwei Backbleche liegen verkrustet in der Ecke.

Und es ist doch erst die Hälfte des Tages geschafft... Eigentlich müsste man sich jetzt erstmal hinlegen und regenerieren.  Andererseits hat man sich körperlich nicht wirklich ausgetobt, wozu also hinlegen? Ist ja auch ein äußerst bedenkliches Beispiel für die Nachkommenschaft, am hellichten Tage schon wieder einzupennen. Aber erstaunlicherweise fühlt sich mein Hirn so leer an...

Muss ich noch weiterschreiben? Oder glaubt man mir jetzt, dass ich mich freue, dass die Schule wieder angefangen hat. Herrlich. Ich werde in Zukunft die Küche nach dem Frühstück verlassen und nicht wieder betreten. Denn - wo kein Mensch, da auch keine Bakterien. Und erst um 15.30 Uhr den Rechner runterfahren, wenn ich zum Abholen der Nachkommen aufbreche. Es lebe die Schulpflicht - ein Segen für alle liebenden Mütter, die ein Interesse haben, ihre geistige Zurechnungsfähigkeit noch bis zur Volljährigkeit ihres Letztgeborenen zu retten. Horrido!

Freitag, 26. August 2011

Rich pickings - reiche Funde

Das Leben im Ausland ist doch immer so etwas wie ein Leben außerhalb der in der Heimat gesetzten Maßstäbe und Verhaltensweisen. Das - wie ich ja schon mehrfach erwähnt habe - genieße ich in vollen Zügen. Außenseiten, Zugereister, Ausländer zu sein, hat seine Vorteile - es lebt sich eben etwas ungenierter außerhalb der angestammten Werte und Normen...

Eine Sache, die ich zum Beispiel in Irland ohne Scham und Rücksicht betreibe, ist das Ausspähen von Sperrmüllcontainern und subsequent-konsequente Mitnehmen von ausrangierten Möbelstücken. Sobald ein solcher oranger Container in meinem Blickfeld auftaucht, reagiert mein Körper mit Adrenalin-Ausstoß. "Was da wohl drin sein könnte? Muss dringend nachgucken!" Die Spannung und Vorfreude ist bereits ziemlich erfrischend, aber das tatsächliche Finderglück hat geradezu Höhepunktscharakter.

In letzter Zeit scheine ich dabei jedoch einen Lampenfetisch zu kultivieren. Begonnen hat es im Februar. Damals fand ich in einem Müllcontainer drei Tischlampen. Eigentlich war ich ja nur auf die eine davon scharf - sie sah chic und schlank aus (so wie ich Schlampen... ups... äh... LAMpen liebe *ggg*). Die anderen beiden waren rundlich und langweilig braun. Doch dann dachte ich: "Och, wegschmeißen kann ich die Dinger ja auch zu Hause noch. Ich nehme mal alle drei mit. Ist ja nicht weit bis nach Hause." Gesagt - getan. Zu Hause polierte ich gleich liebevoll das schlanke Lämpchen auf, mit dem Ergebnis rechts.

Kann sich sehen lassen, oder? Die beiden anderen Lampen sind derzeit noch in der Werkstatt. Und bekamen letzte Woche Gesellschaft. Ein Messing-Leuchter wurde von mir aufgegriffen. Und das kam so: Ich war auf einem Fotoshoot in einem noblen Hotel. Während einer Zigarettenpause auf der Terrasse bemerkte ich einen ausrangierten Leuchter in der Ecke. Spaßeshalber meinte ich zu dem Hausmeister, der gerade dabei war, einen blitzblanken neuen Leuchter aufzuhängen, dass das alte Stück mit seinen Grünspan-Flecken doch viel schöner und es eine Schande sei, den Leuchter nun zu entsorgen. Woraufhin der Hausmeister sofort anbot, ich könne den Messingleuchter gerne mitnehmen, er würde ihn sowieso in den Müll schmeißen. Bingo! Eigentlich habe ich gar keinen Platz für den Leuchter, aber wegschmeißen kann man sowas doch nicht!

Das dachte ich auch gestern abend, als ich mehr oder weniger direkt vor meinem Haus einen weiteren Kronleuchter fand. Dieses Mal schmiedeeisern mit acht Lampen. Schlicht und schön, ein wenig ausladend, aber in unseren hochherrschaftlichen Räumen eigentlich machbar. Also rettete ich auch dieses Prachtstück.

Tja, so ist das, wenn man die Narrenfreiheit des Ausländers hat - im Müll stöbern und den entsorgten Mist von fremden Leuten mitnehmen. Klasse Sache. Würde ich mir zu Hause wahrscheinlich nicht trauen, denn: Was sollen denn die Nachbarn denken...????


Montag, 22. August 2011

Kontinentalshelf

Verehrte Leserinnen und Leser. Nicht Vulkanologie, Geografie oder Geologie stehen - wie der Titel des Blogbeitrags vielleicht andeuten könnte - heute auf dem Programm. Nein, ich möchte mich den kulturellen Unterschieden zwischen Irland und Deutschland mal aus der irischen Perspektive und unter dem Gesichtspunkt bestimmter Hard- und Software-Betrachtungen (ähäm) nähern und verbinde dieses mit einer Warnung: Es könnte hier heute unappetitlich werden!

In der Vergangenheit hatten wir uns bereits der Analyse gewisser sanitär-hygienischer Gegebenheiten hinsichtlich der irischen Schwachdruckduschen gewidmet. Nun jedoch möchte ich mich mit einem kleinen Detail auseinandersetzen, das unsere irischen Zeitgenossen immer wieder amüsant finden - jedenfalls jene, die schon mal im Zentraleuropa germanischer Prägung unterwegs waren. Und das Sie und ich, verehrte deutsche Landsleute, vielleicht noch nie als ein ungewöhnliches oder gar anrüchiges Kuriosum wahrgenommen haben - das deutsche Wasserclosett.

Was gibt es da zu sagen, fragt der Laie und der Profi wundert sich. Das irische und das deutsche WC haben gemeinsam, dass sie aus schmutzresistentem, hygieneaffinen, zumeist blitzweißem Porzellan bestehen und einen formschönen Plastikdeckel mitsamt Kunststoffbrille zum bakterienfreien Herablassen des Gesäßes in Spülungsnähe besitzen. Ein Blick in das Innere der Porzellanschüssel offenbart dagegen erstaunliche Unterschiede. Während man beim WC irischer Provenienz direkt in den Wasserabgrund blickt, bleibt der Blick bei einem deutschen WC sofort an einem gewissen "Absatz" hängen. Das ist das im Titel erwähnte "continental shelf" - dessen Vorhandensein schon so einige Iren zu einer interessanten Schlussfolgerung herausforderte. Die Deutschen, so meint man in Irland, haben ein verdächtiges, wenn nicht gar ungesundes Interesse an ihren eigenen Ausscheidungen. Wozu sonst, so der Tenor, braucht man diesen Präsentierteller im Porzellan? Zudem nachteilig sich ebenfalls auswirkt, dass das Kontinentalshelf nicht kontinuierlich bewässert wird und dementsprechend anrüchig die letzten Ankömmlinge präsentiert.

Ich weiß wirklich nicht, wozu man ihn braucht. Und auch mir war bis zu meinem Umzug nach Irland nicht bewusst, dass es diese "Stufenklos" nur auf dem Kontinent zu geben scheint - dementsprechend auch meine Wortschöpfung "continental shelf" in Anlehnung an ein Ausstellungsregal. Mittlerweile muss ich zugeben, dass auch mich angesichts des sanitären Präsentiertellers leichtes Befremden ergreift - wenn ich mich nicht gar angesichts der Konfrontation mit den Überresten des letzten Abendessens zutiefst erschrecke. Ich appelliere daher ausdrücklich und eindringlich an die deutsche Sanitärindustrie: Wir sind nicht fäkal fixiert, sondern blicken nach vorne, nie zurück. Daher fordern wir den Schluss der Produktion von Kontinentalshelfs! Der gute Ruch, äh, Ruf der Deutschen steht auf dem Spiel. Guten Abend!

Mittwoch, 17. August 2011

Direktheit Teil 2

Wenn ich mich mal kurz selbst zitieren darf: " Direktheit? Ich sag's mal ganz direkt: Find ich Sche*ße!" Nun, das muss wohl noch mal eben ein wenig qualifiziert werden. Direktheit ist nur dann "Sche*ße", wenn ich die Zielscheibe der Direktheit bin. Andersherum ist das natürlich gaaaaanz anders.

Neulich in Dublin: Familie K___-P___ hatte Sprachbesuch aus Deutschland. Und dieser sollte auf Wunsch des Nachwuchses in den Genuss des Besuchs des Wachfigurenkabinetts kommen. *gähn* Mutter K___ marschierte also mit den Kindern zum Wachsmuseum, um, diese dort abzugeben.

Ich baute die Kids wie Orgelpfeifen vor dem Kartenschalter auf. "Three tickets, please!" "Wie alt sind denn die Kinder?" Ich dachte, es ginge um die Eintrittspreise, die nach Alter gestaffelt waren, und erklärte wahrheitsgemäß: "14, 12 und 10." "Ja, dann müssen Sie auch eine Eintrittskarte kaufen. Die beiden Unter-14-Jährigen kann ich ohne erwachsene Begleitung nicht ins Museum lassen. Es ist heute so voll, da können wir nicht für die Sicherheit garantieren!" Mir fiel fast die Kinnlade herunter. Mal abgesehen davon, dass auch 10-Jährige schon selbständig laufen können, war mir bisher der Gedanke noch nicht gekommen, dass ein öffentliches, wenn auch privates Museum per se ein Sammlungsort für Kindesentführer, Pädophile und generelle Unholde ist. Aber diese ganzen Unternehmen wollen sich ja heute für jede Eventualität absichern - und lassen lieber keine Kinder unbegleitet hinein, damit sie nicht verknackt werden können, sollte etwas passieren...

Ich war aber dennoch nicht begeistert, zückte nur unwillig meine Brieftasche, schob räuberische € 25 für ein Familienticket über den Tresen und drückte der Kassendame emphatisch meinen Unmut aus: "Oh Mann, ich hasse Wachsmuseen!" Diese stutzte eine Runde. Und entgegnete dann: "Are you German?" Ups, voll erkannt. Wie sie da denn nun drauf käme, fragte ich zurück? "Nunja, Deutsche sind immer so direkt!"

Tja, da war dann mal mit mir díe Zurückhaltung durchgegangen. Nun gut, die Dame sieht mich ja auch nie wieder, und ich hab nicht sie persönlich, sondern lediglich ihr blödes Museum beleidigt. Das war übrigens - erwartungsgemäß - lahm. Echt, ey. Ich hasse Wachsmuseen! Und das wird auch so bleiben.

Donnerstag, 11. August 2011

Auf der richtigen Seite

Hallihallo - und schöne Grüße aus der deutschen Heimat. Ich bin mal eben rübergeflogen für einen Kurzbesuch in der (Klein)Stadt meiner Kindheit und Jugend. Und bin gerade eben leicht entsetzt: Der Punkt scheint gekommen, wo ich gefühlsmäßig mehr Irin bin als Deutsche. Kann das sein?

Nun ja, kommt drauf an, was man als Messlatte nimmt. Und wenn ich aktuell dann mal meine Partizipation am Straßenverkehr hier als Maß aller Dinge betrachte, dann muss ich mit außerordentlicher Besorgnis feststellen, dass mein Hirn offensichtlich auf Irland programmiert ist. Nachdem mein Vater seiner einzigen Tochter das sorgsam gepflegte Fahrzeug anvertraut hatte, wollte ich mal eben mit dem elterlichen Opel zum Einkaufen fahren. Das Einsteigen via linker Fahrertür funktionierte ja noch intuitiv. Auch das Schalten mit rechts war irgendwie noch machbar. Aber mich dann auf der rechten Straßenseite zu halten, fiel mir un-ge-heu-er schwer. Der Linksdrall war nicht zu übersehen - das mag allerdings auch politisch-ideologische Ursachen haben: Ich habe für Rechts eben absolut gar nichts übrig!

Ganz so heftig war das bei früheren Besuchen nicht. Die Erinnerung an die Tatsache, das Fahren auf den heimischen Straßen gelernt zu haben, überlagerte wohl alle Fahrpraxisgewohnheiten aus dem rechtsgesteuerten Ausland. Aber der Widerwillen, mit dem ich mich heute morgen auf der rechten Straßenseite nur so schlecht und recht fortbewegte, spricht da eine deutliche Sprache. Imaginärer Monolog im Kopf: "Losfahren. Halt, ich muss ja rechts fahren. Wir sind ja in Deutschland. Ok. ... Bäh, fühlt sich das sch*iße an. Irgendwie ist das nicht richtig gut, das Gefühl. ... Ich würd' ja jetzt lieber weiter links fahren. Geht wohl nicht. ... Huch, da kommt ein Auto!... Brrrr, mir gefällt das überhaupt nicht. Rechtsfahren ist irgendwie falsch..." Wie gut, dass ich morgen schon wieder abfahre. Dann aber mit der Bahn!

Sie werden sich freuen, liebe Leser, dass es mir gelungen ist, das Fahrzeug unbeschadet wieder in die heimische Garage zu steuern. Frauen am Volant - das ist eben Emotionalität hoch 10. Das wusste man ja auch schon in den 70er Jahren. Und deswegen zum Abschluss mal wieder die immer wieder schöne Folge vom "7. Sinn" zum Thema "Frau am Steuer".

Dienstag, 9. August 2011

Parksünden

Halten wir es doch mal lokal und bleiben wir da, wo ich in den letzten beiden Beiträgen gewesen bin. Am Park. Denn an unserem Park gibt es Parksünden. Nein, nicht solche, wo harmlose Autofahrer falsch parken, sondern wo die Stadtverwaltung bei der Parkplatzvergabe Sünden begeht.

Mal wieder so eine typisch irische Geschichte. Also, der Park ist - logischerweise - in der Mitte eines Platzes angelegt und umgeben von vier Straßen. An allen vier Seiten sind Parkplätze ausgewiesen, auf beiden Straßenseiten. Nun ist bei Innenstadtlage klar, dass diese erstklassigen Parkmöglichkeiten nicht kostenlos zu haben sind. Und das kostet auch flott - unter € 6 die Stunde kommt man da nicht weg. Als Anwohner kratzt mich das nicht - ich darf mit Plakette kostenlos parken (Jahresbeitrag € 20, naja, geht ja noch). Der Witz jedoch: Meine Adresse ist an der Westseite des Platzes und direkt vor unserem Haus gibt es Parkplätze. Meine Parkerlaubnis gilt aber seit Jahren nicht für die von mir bewohnte Seite, sondern für die Südseite des Platzes. Das Auto kann also nie direkt vor dem Haus abgestellt werden. Grrrrrrr. (Das mag jetzt kleinlich klingen, aber bei irischem Wetter ist man dankbar, wenn man nicht unnötig weit von der Haustür zum Wagen gehen muss!)

Meine Besucher werden also kräftig zur Kasse gebeten. Und das sogar samstags *ärger*, wo es ansonsten doch überall Usus ist, am Wochenende die Parkgebühren auszusetzen. Aber warum auch eine Goldgrube zuschütten? Bis ich dann neulich mal - auf Hinweis eines Besuchers - entdeckte, dass man mittlerweile doch auch am Samstag bei uns kostenlos parken kann. Der Scherz: Wieder nicht direkt vor unserem Haus. Aber knapp 5 m weiter links. Erklärbar ist das nicht - die Straße ist die gleiche, aber die kostenlose Parkzone endet nicht am Ende der Straße, sondern mitten drin. Das ist das, was ich Parksünden nenne.

Right. Von diesen kleinen, das Leben in Irland doch immer wieder heiter machenden Eigenheiten muss ich mich dann mal für ein paar Tage trennen. Die Heimat ruft. Vielleicht kommt ja dieses Mal die Blog-App zum Einsatz.

Hol' di hart!

Sonntag, 7. August 2011

Erntezeit

Ein kleines Update, was den wunderbaren Park vor meiner Haustür angeht. Der ist nicht nur Kinderknast und Rennstrecke, sondern auch Obstgarten. Natürlich ist er eigentlich gar nicht als ein Nutzgarten angelegt - in der Mitte befindet sich eine große Rasenfläche, auf der Tennis gespielt werden kann, zwei Rundwege führen um den Rasen herum, am Rand und zwischen den beiden Wegen ist der Park bepflanzt mit Sträuchern und Blumen.

Irgendjemand muss aber irgendwann mal gedacht haben, dass ein Park nicht nur schön aussehen soll, sondern dass es auch noch ein extra Bonus ist, wenn man im Garten essbare Pflanzen findet. Und so gibt es in unserem Park ein paar Gewächse, die wir zur entsprechenden Erntezeit gerne von der Last ihrer Früchte befreien. Als da wären Holunder, dessen Blüten ich im Frühjahr schneide, um daraus "Elderflower Fritters" zu machen - Holunderküchlein. Später im Jahr kommen die Holunderbeeren dann in unsere Geleefabrikation. Im Sommer gibt es Artischocken zu ernten. Und heute haben wir eine besondere Delikatesse geerntet: Zwetschgen.

Und dabei prallten mal wieder zwei Kulturen aufeinander. Die gesamte Familie hatte sich zum Erntefest in den Park begeben. Ich hatte schon vorab darauf hingewiesen, dass es vielleicht zweckdienlich sei, eine Leiter mit rüber zu nehmen, damit wir an die Zwetschgen kommen. Nein, das sei weiter nicht nötig, es gebe da eine etwas einfachere Methode.

Die bekam ich dann im Park zu Gesicht. Der Ire pflückt nicht die Früchte vom Baum, der Ire rüttelt die Früchte vom Baum! Zum Auffangen der Zwetschgen wird lediglich eine große Decke auf dem Boden unter dem Baum ausgebreitet. Und fertig.

Oder auch nicht. Man sollte bei dieser Methode dann schon darauf achten, ein entsprechend großes Tuch mitzubringen. Unser 2 x 1m großes Tuch brachte leider keine nennenswerte Fangleistung. Geschätzte 5 von 50 abgerüttelten Zwetschgen landeten in unserer Fangvorrichtung.

Naja, einer muss ja Recht behalten. Und im Zweifelsfalle bin das sehr gerne ich. *ggg* Mit vereinten Kräften wurden die Bäume dann noch erklettert und zwei Kilo Zwetschgen den Zweigen entrissen. Mehr als genug, um daraus einen Zwetschgenkuchen zu fabrizieren. Bei der Herstellung desselben musste ich mir Gottseidank dann von keinem Ausländer reinreden lassen - das ist eindeutig eine deutsche Spezialität, zu der die Iren keinen eigenen Erfahrungsschatz beitragen können. Wie auch - die Zwetschgen wachsen hier nicht so groß wie in D'land, sondern bleiben eher auf Olivengröße stehen. Da ist eine Entsteinungsaktion von 2 kg Zwetschgen dann doch ein ziemlich zeitaufwändiges Unterfangen. Aber lohnen tut es sich immer. Vor allem mit Sahne drauf - unerreicht gut. Yum.


Donnerstag, 4. August 2011

Exklusiv und einmalig

Was machen Landeier, wenn sie in die Großstadt gerollt werden? Sie zerbrechen, wahrscheinlich. Oder sie haben das große Glück, aus ihrem Fenster auf einen Park blicken zu können, so wie dieses Landei hier.


Mitten in der Stadt, eine kleine Oase. Davon gibt es in Dublin gleich mehrere ähnlicher Machart. St. Stephen's Green, Merrion Square, Mountjoy Square, Fitzwilliam Square - und viele kleinere.  Sie stammen aus der Zeit zwischen 1714 und 1830, in der "georgianisch" genannten Epoche britischer Geschichte. (Nein, kein "ups" - Irland war eben damals Teil der britischen Geschichte!) Angelegt wurden diese Parks eigentlich eher als Gärten - allerdings nicht zum Anpflanzen von Gemüse, sondern höchstens zum Abschieben von "jungem Gemüse": In den Squares wurden die Kinder der Anrainer-Bourgeoisie von ihren Kindermädchen beaufsichtigt, es wurde lustgewandelt, Tennis gespielt.

Die meisten dieser Squares sind heutzutage in öffentlicher Hand - sie wurden zu Parks umgewandelt, die jeder aufsuchen kann. Ursprünglich waren sie jedoch nur für die Anlieger zugänglich. Unser besagter Park befindet sich nach wie vor in privater Trägerschaft der Anwohner. Und nur wer einen Jahresbeitrag zur Pflege des Parks einzahlt, erhält einen Schlüssel für den Park. Arrogante Exklusivität, könnte man meinen, aber das Ganze kann auch sein Gutes haben: In Ermangelung eines grasbepflanzten Gründfläche im heimischen Garten, verbrachte ich die Kleinkindtage meines Nachwuchses im Square - da konnte ich das junge Gemüse freilassen, ohne Angst zu haben, dass sie unter die Räder kommen. Zaun drum, Tore zu - Kinder sicher.

Na, die Tage sind vorbei - einsperren muss ich sie nicht mehr. Deswegen ist der Park mittlerweile weniger Kleinkindgefängnis als private Rennbahn - wer, so wie ich, tendenziell lieber ohne Zeugen joggt, ist mit einem Privatpark gut beraten. Geschützt von all zu vielen neugierigen Blicken, kann ich hinter Büschen und Sträuchern meine Runden runterreißen. Ein Privileg, das ich sehr genieße. Aber ein bisschen Schuldbewusstsein bleibt doch - vielleicht hatte der Schmierfink doch recht, der auf das Schild am Eingangstor mit dickem Edding schrieb: "Arrogant Bastards!"

Sonntag, 31. Juli 2011

Direkt und unverblümt

Weia, ich bin wirklich schon zu lange aus D'land weg. Nicht nur, dass mir das meine Leser hier in letzter Zeit ein paar Mal sagen mussten. Vorgestern merkte ich es auch selber mal. An manches bin ich doch einfach nicht mehr gewöhnt.

Wir hatten Besuch aus D'land - eine Bekannte, die ich seit 30 Jahren nicht mehr gesehen habe. (Jawohl, 30 Jahre! Ich war noch ein Kind, als ich sie das letzte Mal sah.) Auf Irlandurlaub, hatte sie mich kontaktiert, ob man sich nicht auf eine Tasse Tee treffen könne. Klar, sowas macht mir immer Spaß, und so lud ich sie und ihren Reisebegleiter zu mir ins Haus ein. Wir verbrachten ein paar nette Stunden beim Plauschen. Das Gespräch drehte sich um alles - nicht nur Irland, Deutschland, auch Leben, Freizeit und Gesundheit. Und mir blieb glatt die Luft weg, bei der Direktheit, die noch nicht mal böse gemeint war: Ohne thematischen Zusammenhang wies mein Gast plötzlich auf meine Körpermitte und meinte "Du musst aber auch ein bisschen aufpassen, oder?"

Mir fiel fast die Teetasse aus der Hand und die Kinnlade runter auf den Tisch. Ich mein, ich weiß, dass ich eine Gazelle bin (oder wie heißt noch mal das Tier mit dem Rüssel?). Aber dass mir nun ein mehr oder weniger Fremder, der noch dazu in meinem Haus gerade Gast ist, unverblümt und zusammenhanglos ansagt, dass ich dringend auf Diät gehen muss, das bin ich einfach nicht mehr gewöhnt. In Irland läuft das ganz anders. Je draller du wirst, desto häufiger sagt man dir "You are looking very well!" (Du siehst aber gut aus.) Mit abnehmendem Körperumfang dagegen kann man sich auf eine Kompliment-Nullrunde gefasst machen. Und niemals würde ein Außenstehender, der nicht mindestens 15 Jahre lang mit einem selbst zur Schule gegangen ist, drei Kinder zeitgleich im selben Kreißsaal zur Welt gebracht hat oder drei Monate in derselben Geschlossenen war, es auch nur ansatzweise wagen, eine direkte persönliche Ansage dieses Kalibers zu machen.

Ganz ehrlich: Mir gefällt die vorgeschobene Harmonie der Iren besser. Ich brauch nur in den Spiegel zu gucken, wenn ich wissen will, dass ich ne Diät brauche. Direktheit? Ich sag's mal ganz direkt: Find ich Scheiße!

Dienstag, 26. Juli 2011

Grenzverkehr

Gerade wieder zurückgekehrt vom Urlaub, stehe ich noch immer unter dem Eindruck des grenzüberschreitenden Reisens. Ich reise gerne. Aber stressig finde ich es dennoch immer. Das aber tendenziell eher bei der Ein- und Ausreise nach und von Deutschland. Nein, ich habe in Deutschland keine Leichen im Keller. Aber ich habe die emanzenhafte Sünde begangen, mich trotz Eheschließung nicht dem Familiennamen meines angetrauten Ehegattens anzupassen. Flintenweib!!!

Bereits bei der damaligen Unterzeichnung des Todesurteils öh... Heiratsdokuments mussten die Eheleute festlegen, wie die in Zukunft aus dieser Verbindung entsprießenden Nachkommen mit Familiennamen heißen würden. Konventionell der Name des Vaters? Oder lieber frauenbewegt-lila der Name der Mutter? Wir entschlossen uns für Ersteres. Und nun haben wir den Salat: Die böse Bürgerin K___ stürzt bei jeder Ein- und Ausreise die versammelte Grenzbeamtenschaft in Verwirrung, wenn Sie mit ihren nicht K___ heißenden Kindern antanzt. Das gestaltet sich dann in etwa so:

Frau K___ erscheint mit den Kindern C___ und T___ am Passkontrollschalter. Der Beamte nimmt den Reisepass von Frau K___ und studiert mit erhobenen Augenbrauen die darin enthaltenen Informationen, hält das Dokument unter die rätselhafte Maschine, die vermutlich irgendwelche im Reisepasstext versteckten Codewörter entschlüsselt ("Brillenträgerin. 1,68 m groß. Keine Punkte in Flensburg."), und überprüft die Übereinstimmung des kränklich aussehenden Passfotos mit der vor Gesundheit nur so strotzenden Reisenden. Verdächtig.

Zu den Kinderausweisen. Ein Blick in das Innere der Pässe, und die Augenbrauen der Grenzperson wandern unter den Scheitel. Der Beamte setzt sich aufrecht hin, beugt sich über die Theke des Kontrollkabuffs, um die mitreisenden Nachkommen visuell zu fixieren. "(*räusper*) Wessen Kinder sind das da?" fragt er mit der Autorität der gesamten bundesdeutschen, imaginär hinter seinem breiten Rücken versammelten Polizeihunderttausendschaft in der Stimme. "Das sind meine Kinder. Sie tragen den Nachnamen ihres Vaters. Ich habe den meinen bei der Eheschließung behalten. Aber ich führe in vorauseilendem Gehorsam (und auf Grund jahrelanger Erfahrung) eine Kopie meiner Heiratsurkunde mit mir, aus der hervorgeht, dass ich mit Herrn P___ verheiratet bin." (Natürlich sage ich das nicht wortwörtlich so, aber gelegentlich wäre es wahrscheinlich sinnvoll, den Beamten mit vorgestanzten und dementsprechend ihrem Hirn vertrauten Phrasen das Verständnis des so hoch-kom-pli-zier-ten Sachverhaltes zu erleichtern. Ich sollte mir das wohl mal notieren und ebenfalls mit-füh-ren.) "Ach so. Gut. Danke." Und ab.

Ein Naturschauspiel, das in der Regel dramatischen Charakter hat. Lässt er uns durch oder nicht? Handelt es sich bei Frau K___ um eine Entführerin oder nicht? Machen wir Gebrauch von der Schusswaffe oder nicht? Ein Wunder, dass das Theater sich bisher noch nicht traumatisch auf die beteiligten Nachkommen ausgewirkt hat. (Obgleich es da ja einmal diese brenzlige Situation gab, als der Grenzbeamte dummerweise den genialen Gedanken hatte, nicht mich nach den Familienzusammenhängen zu fragen, sondern die damals 6-jährige T___. "Wer ist denn das?" Schweigen. "Ist das deine Mama?" Große Augen und Schweigen. Weia. Die schnell gezogene Heiratsurkunde wendete das Schlimmste Gottseidank gerade noch ab...)

Manchmal kann die Gesichts- und Passkontrolle aber auch zu sehr amüsanten Wortwechseln führen. So geschehen vor einigen Monaten in Fuhlsbüttel. (Flughafen. Nicht Knast!) In freudiger Erwartung des üblichen Schlagabtauschs begibt sich Mutter K___ mit Reisepässen im Anschlag an die Kontrolltheke, die von einem freundlich aussehenden Grenzbeamten besetzt ist, der gerade noch mit seiner Kollegin scherzt. "Guten Tag!" sagt Frau K___ artig. Der gut gelaunte Grenzer wirft einen Blick in die Pässe, taxiert die unvollständige Kleinfamilie, starrt erneut in die Pässe. Und dann kommt die Frage der Fragen: "Was für ein Verhältnis haben Sie zu den Kindern?" Nun, auf diese Frage gab es nur eine passende Antwort. "Ehm, ein gutes." Der Grenzpolizist stutzte - und brach dann in schallendes Gelächter aus, während er uns grinsend durchwinkte. Puh, manchmal siegt Schlagfertigkeit dann doch, im kleinen Grenzverkehr. Und es gibt auch noch humorvolle Polizisten...

Dienstag, 19. Juli 2011

Eröffnungstouren

Im Rahmen des Fotografie-Fests PhotoIreland finden im gesamten Monat Juli zahlreiche Veranstaltungen zum Thema Fotografie statt. Von fachkundigen Führungen in Fotosammlungen zu Ausstellungen, Workshops und Podiumsdiskussionen. Wir waren letzte Woche schon ordentlich dabei. Über die Komplikationen auf dem Weg zur Galerie berichtete ich ja schon. Da konnte es dann ja nur noch besser werden. Und das wurde es. Nicht nur dank unterhaltsamer Gesellschaft guter Freunde und angesichts interessanter Fotokunst, sondern auch nicht zuletzt wegen der angebotenen Getränke. Denn das ist bei Eröffnungsfeiern natürlich immer inbegriffen - das obligatorische Glas Wein. Oder zwei.

Um es nicht ganz so auffällig zu gestalten, mit welchen Prioritäten man auf eine Eröffnungsfeier gekommen ist, empfiehlt es sich, nicht nur die Glasabnahme im Turnus auf die anwesenden Gruppenmitglieder aufzuteilen, sondern das Weiterziehen auf gleichzeitig stattfindende Veranstaltungen mit einzuplanen.

So geschah es dann auch. Um so überraschter war ich, als ich mich auf Eröffnungsfeier Nummer zwei plötzlich in heimischen Gefilden wähnte - eine Ausstellung deutscher Fotografen der Agentur Ostkreuz, Berlin. Die unerwartete Konfrontation mit vertrauten deutschen Ansichten war extrem gewöhnungsbedürftig - erst recht, wenn man in Begleitung von nicht-deutschen Freunden ist, die eine lückenlose Interpretation und Hintergrundausleuchtung der gesehenen Bilder erwarten.

Und komisch - nur weil es sich um eine Ausstellung deutscher Fotografien handelte, fühlte ich mich tatsächlich besser befähigt, das Gesehene einzuordnen. Der Autorität und dem umfassenden Wissen des Eingeborenen ist eben nichts entgegenzusetzen. Und das gefällt mir manchmal, denn als Ex-Pat bin ich hier tendenziell eher der außenstehende Beobachter, der höchstens mal in Gegenwart von urlaubenden Ausländern die Identifikation und Vertrautheit mit der gewählten neuen Heimat als lückenlosen Kenntnisstand ausgeben kann. Selbst ein Besuch in Deutschland bringt da keine Linderung - nach über einem Jahrzehnt Auslandsleben ist mir auch das Geburtsland fremd geworden und ich kann nicht wirklich mehr generelle Auskunft über "DIE Deutschen" geben.

Bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als mal wieder eine landeskundliche Exkursion in heimische Gefilde anzuberaumen. 

Freitag, 15. Juli 2011

Konservenkost

Na, das war wohl nichts mit meiner dollen BlogPress-App. Der Beitrag heute kommt aus der Konserve. Ja, denn Irland ist mal wieder führend in Sachen Telekommunikation. Oder eben nicht. Von wegen  "dann schreib ich mal hochaktuell und liver als live direkt vom Urlaubsort meine Beiträge" - fällt aus wegen is nich. Grund: Mein irischer Telekommunikationsanbieter hat leider keine Kooperationsverträge mit einem französischen Anbieter, so dass alle Internetaktivitäten via iPhone im Urlaub über Roaming laufen würden. Und das kostet, kostet, kostet.

Aber ist ja nicht das erste Mal, dass die Rückständigkeit in Sachen moderne Kommunikation mir hier Schwierigkeiten macht. So war ein Breitband-Internetzugang in Deutschland schon Jahre vor einem solchen in Irland zu haben. Während ich hier noch mit einem lächerlichen Modem vor mich hintüterte, blieben meine deutschen Freunde stundenlang online. Kompletttarife machten's möglich.



Und jetzt, wo wir das Broadband haben, drücken wir nicht nur kräftig dafür ab, sondern ärgern uns dennoch über unzuverlässige Zugänge herum. In den letzten 12 Monaten habe ich zweimal den Anbieter gewechselt. So richtig zufrieden bin ich immer noch nicht. Dabei bin ich auf den Internetzugang angewiesen und kann von Glück reden, in einer Geschäftsgegend Dublins zu wohnen, wo überhaupt ein regulärer Anschluss zu haben ist. Meine bemitleidenswerten Freunde auf dem Lande verpulvern ihre Euronen dagegen mit mobilen Breitbandanschlüssen, da die auf grüner Wiese aus dem Boden gestampften Siedlungen teilweise gar nicht erst ans TK-Netz angeschlossen wurden.

Naja, bleiben wir mal ganz ruhig und sehen wir es positiv: Der gelegentliche Netzausfall hat ja auch was Gutes - so kommt man denn auch mal von der "Kiste" weg und kümmert sich um die reale Kommunikation und nicht die virtuelle.

Aus dem Isolationsurlaub grüßt

Sonja

Dienstag, 12. Juli 2011

Die ganz normale irische (Un)Logik

Wer sich in Irland mit Iren verabredet, trifft sich in der Regel in einem Pub. Bisher dachte ich ja immer, dass das an der stark ausgeprägten Trinkkultur der Iren liegt - und die findet nun mal in der Regel in einer öffentlichen Tränkstätte statt. Neueste Erkenntnisse bringen mich aber zu einer gänzlich anderen Vermutung: Wer sich mit einem Iren treffen will, muss das an einem öffentlichen Ort tun. Denn die Privatwohnungen der Iren kann man einfach nicht finden.

Das wurde mir letzte Woche bewusst - wenn auch in etwas anderem Zusammenhang. Gemeinsam mit einem Freund war ich unterwegs zu einer Ausstellungseröffnung, die in Dublins Capel Street stattfinden sollte. Capel Street zieht sich schnurgerade in Nord-Süd-Richtung durch die nördliche Innenstadt Dublins. Wir stießen knapp am unteren Drittel der Straße seitlich auf Capel Street und freuten uns, auf der gegenüberliegenden Straßenseite die Hausnummer 153 zu erkennen. Nun glaubt der logik-verwöhnte Zentraleuropäer, dass dementsprechend das von uns gesuchte Haus Nummer 53 etwas weiter oberhalb auf derselben Straßenseite zu finden ist, wie Nummer 153 im unteren Drittel. Weit gefehlt!  Wir meinten, auf der Straßenseite mit den geraden Nummern zu sein und machten uns nach rechts auf den Weg. Zuerst gab es mal gar keine Hausnummern, dann tauchte plötzlich eine 77 auf. Auf der geraden Straßenseite??? Gegenüberliegend erspähten wir dann noch eine 144. Die Verwirrung war perfekt.

Logisch wäre es, Hausnummern in gerade und ungerade aufzuteilen und dann in dieselbe Richtung gehend aufsteigen zu lassen. Nicht so in Dublin. Ordnungssystem war hier die fortlaufende Nummerierung der Häuser einmal die Straße runter und dann auf der gegenüberliegenden Seite wieder rauf. Toll. Sogar mein irischer Begleiter musste zugeben, dass das nicht effektiv sei.

Wenn man nun glaubt, dass einem das aber nur in der Großstadt passieren kann, dann hier eine Warnung: Auf dem Lande wird es noch schlimmer. Dort gibt man sich mit Hausnummern erstmal gar nicht ab. Stattdessen werden die Häuser durch wunderbare Namen gekennzeichnet. Das geht von irischen Ortsbezeichnungen wie "Dromore" (großer Berg) über Heiligennamen ("Loyola") bis zu ausländischen Städtenamen ("Altona") und Lieblingsnamen ("Casa Sara"). Eine Beispieladresse wäre dann sowas wie

Liam Murphy
Glenmore
Avoca
Co. Wicklow.

Kein Straßenname, keine Hausnummer. Nun findet das mal! *lachschlapp* Da ist ja die seltsame Hausnummernregelung in Dublin noch Gold dagegen.

Freitag, 8. Juli 2011

Testing, testing, one, two, three

Wer hätte das gedacht? Auf meine alten Tage habe ich mich nun doch noch zu einem Technikfan entwickelt. Oder sollte ich mich ehrlicherweise eher als "geek" bezeichnen, einer von den eher uncoolen, in der Regel bebrillten, verpickelten Technikfreaks, deren sozialen Kompetenzen reziprog-proportional zur Speicherkapazität ihres "Rechners" ("Computer" sagen diese Experten nicht zu ihrem PC...) stehen und die ihre Polyester-Strickpullover immer in den Hosenbund gesteckt tragen??? Ok, nee, das sind die Peinlichkeitsagenten so ca. 1985. Heute sehen wir ganz anders aus. Wir fallen in der Menge der Normalos gar nicht weiter auf. Wir sind blond, tragen fetzige rote Brillen, exzentrischen Schmuck und kommunizieren ohne Ende. Dies allerdings dann doch gerne nicht Angesicht-zu-Angesicht, sondern lieber am Bildschirm, neben sich der Koffeinnachschub in Form eines Kohlensäure-haltigen, anti-alkoholischen Brausegetränks, damit man bis nachts um 2 Uhr die Welt auf FB mit weitergeleiteten Gimmick-Empfehlungen á la "Fruchtzucker-betriebener USB-Anschluss - soooo cool, muss ich haben!" beglücken kann.

Warum schreibt sie das, fragt sich mal wieder die geneigte Leserschaft. Weil diese Bloggerin gerade begeistert eine neue App auf dem iPhone in Betrieb genommen hat, die - und jetzt kommt's endlich - mir das Verfassen meiner Beiträge mobil auch während meines in Kürze anstehenden Urlaubs ermöglichen wird! Das hier und heute ist eine Trockenübung, sozusagen. Ich teste mein BlogPress Pro vorsichtshalber schon mal im Vorfeld aus, damit ich dann von meinem gemütlichen Plätzchen im Schatten eines im Garten eines südfranzösischen Landsitzes gelegenen Baumes meinen Senf zur deutsch-irischen Freundschaft abgeben kann. Dazu gehört auch, das ich jetzt probeweise ein sinnfreies Foto hier einfüge, um die Fotofunktion zu überprüfen. Obacht!





Alles klar? Die wichtigsten Werkzeuge der Bloggerin ganz im Bilde. Rechner (!!) unbenutzt, Cola-Glas, Kalender mit eingetragenem Urlaub. So sieht's aus.

Um nun aber wenigstens noch abschließend mal das Thema dieses Blogs wieder aufzugreifen: ich freue mich ganz besonders auf diesen bevorstehenden Urlaub. Denn ich vermeide dabei diesmal etwas, was mich oft an meinem Ex-Pat-Dasein verzweifeln lässt: ich durchbreche die sonst übliche Fixierung auf Deutschland als obligatorisches Urlaubsziel. Rein zwangsläufig ist es gewöhnlich so, dass Urlaube in der alten Heimat verbracht werden (müssen). Nein, nicht weil ich fremdbestimmt bin oder in meinem fünften Lebensjahrzehnt (weia, wie bitter) immer noch am Rockzipfel meiner Eltern hänge, sondern weil der Mischlingskinder wegen die Auseinandersetzung mit der Heimat der Mutter natürlich durch Eintauchen in die Lebensrealität Zentraleuropas gefördert werden muss. Ergo: Sommerferien immer in D'land. Dabei gibt es noch so viel anderes Schönes auf der Welt zu sehen...

Wenn dieser Beitrag nun planmäßig online geht, dann steht meinem fernschriftlichen Live-Blogging direkt aus dem Sommerurlaub nichts mehr entgegen. Technik ist schon was Dolles, nech?! Man muss sie nur zu nutzen wissen. Es grüßt Techniksonja!

- Posted using BlogPress from my iPhone

Dienstag, 5. Juli 2011

Sehnsucht geht durch den Magen

Eigentlich leide ich nicht unter Heimweh. Ich habe das große Glück, in dem Land leben zu dürfen, das ich mir als selbst gewählte Heimat aussuchen durfte. Nach fast 12 Jahren Auslandsleben zieht mich nichts mehr nach Deutschland zurück. Ausgenommen selbstverständlich meine Familie und Freunde, das marginal bessere Wetter und die alljährliche Weihnachtsstimmung. Oh, und gelegentliche kulinarische Sehnsüchte...

Wie bereits im letzten Beitrag erwähnt, war ich vergangene Woche als Führerin einer deutschen Schulklasse unterwegs. Die jungen Erwachsenen kamen in Begleitung meines Referendariatskollegen T___ nach Dublin, der mich kurzerhand als Bezugsperson engagiert hatte. Im Vorfeld dieser Abschlussfahrt hatte T___ mir eindringlich nahegelegt, die Tatsache auszunutzen, dass die 18 Gruppenteilnehmer mit 18 Gepäckstücken reisen würden, in denen dementsprechend auch Platz für dringend aus Deutschland benötigte Produkte Platz sei.

Dieser Aufforderung konnte ich nicht widerstehen. Und so gab ich eine Liste mit den gerade zu ersetzenden, nur in Deutschland erhältlichen Dingen an, die mein Leben in Irland komplettieren... Als da wären:

  • eine Rolle Backpapier
  • Zuckerrübensirup der Marke Grafschafter Goldsaft
  • Erdnussflips

Und nun gewähre ich interessierten Lesern einen exklusiven Einblick in meinen Vorratsschrank.

Erdnussflipsvorrat bis fünftes Quartal Zweitausenddrölf?

Beeindruckend, nicht wahr? Ja, man muss Prioritäten setzen, das ist mein Motto. Und Kollege T___ hatte das sofort verstanden und unter den Mitfahrenden gefühlte 20 Tüten Erdnussflips zum Mitbringen verteilt. Vielleicht waren es auch tatsächlich 20, am Ende wurden mir jedenfalls 15 Tüten überreicht. (Ein bisschen Schwund ist ja immer dabei - erst recht, wenn es um hungrige, junge Leute auf Klassenfahrt geht. Und bei 15 Tüten kann ich die ein oder andere abgezweigte Packung "Würmchen" noch verschmerzen!)

Wunderbar! So in Naturalien für meine Dienste bezahlt, sind die Wochen bis zum nächsten Deutschlandbesuch wieder mal überbrückt. Wenn man sparsam ist, halten die 15 Tüten eventuell gar für 45 Tage. Dabei steht mein nächster Flug nach Hause schon in 34 Tagen an. Gerettet!

Samstag, 2. Juli 2011

Klein-Irland

Die [West]Randbemerkungen sind ja bisher immer höchst subjektiv im Stile einer persönlichen Kolumne herübergekommen. Das liegt mir, gefällt mir - und kommt meiner intrinsischen, Einzelkind-sozialisierten Egozentrik extrem entgegen *ggg*. Heute will ich aber mal weniger auf meine persönliche Befindlichkeit hinaus, sondern euch (potentiellen) Irland-Fans einen eher praktischen Tipp an die Hand geben.

Nicht jeder, der nach Dublin kommt, hat Zeit, das "echte" Irland zu erleben. Viele Besucher planen nur einen Städtetrip mit ein paar Übernachtungen in der Landeshauptstadt. Sicher, hier ist einiges zu sehen, aber repräsentativ für "Irland" ist die Großstadt Dublin nicht unbedingt. Denn wer an Irland denkt, denkt an grüne Wiesen, sanfte Hügel, Strände und Klippen. Und doch gibt es genau das auch in Dublin.

Gestern war ich als Führerin mit einer deutschen Schulklasse unterwegs. Bei nur vier Tagen in Dublin war es mir wichtig, ihnen einen kleinen Eindruck von der landschaftlichen Schönheit und der wild-romantischen Natur Irlands zu vermitteln. Aber Budget-Grenzen und Zeitrestriktionen erlaubten keine Bustour in die nähere Umgebung Dublins. Doch nicht verzagen, Sonja fragen: Stattdessen führte ich meine Schutzbefohlenen nach Klein-Irland. So nenne ich eines meiner Lieblingsausflugsziele - die Dublin vorgelagerte Halbinsel Howth.

Nur knapp 30 Minuten mit der Vorortbahn Dart entfernt gelegen - ein Rückfahrtschein kostet € 4,40 - bringt den Touristen in den niedlichen Hafenort Howth. Neben einem Fischereihafen, an dem man Seehunde beobachten kann, ist dort ein großer Yachthafen und eine kleine Promenade mit Cafés und Shops und eine schöne Mole, auf der man zum Leuchtturm am Ende spazieren kann, von wo aus man einen herrlichen Blick auf die Howth vorgelagerte Insel Irelands Eye hat. Soweit, so urban.

Landschaftlich schön wird es dann, wenn man sich auf den Cliff Walk begibt. Dazu geht man von der Leuchtturmmole aus Richtung Hügel und lässt das Meer immer links liegen - wortwörtlich. So kommt man schließlich auf den Klippenpfad, der direkt am Abgrund entlang um den Hill of Howth herumführt. Von hier aus ergeben sich schöne Aussichten auf das Meer; malerische Klippen, ganz wie man sich die irische Küste vorstellt, runden den Blick ab. In den Felsen nisten Seevögel, deren Flugkünste über den kleinen Buchten beeindruckend anzusehen sind. Wer wenigstens die kleine Runde des Cliff Walks macht, für die 1,5 Stunden veranschlagt werden, wird mit einem herrlichen Ausblick belohnt - nach knapp einer Stunde erreicht man eine Felsnase, hinter der sich die Aussicht auf das Panorama der gesamten Dubliner Bucht eröffnet: Von Dalkey Island über Dun Laoghaire, Blackrock, Sandymount, Dublin Hafen, Dollymount, Clontarf bis Sutton. Im Hintergrund erheben sich die Wicklow Mountains. Malerisch davor gelegen ist das Bailey Lighthouse, das auf einer felsigen Landzunge von Howth in die Bucht ragt. Aber seht selbst:


Schon unzählige Male auf diesem Klippenpfad gegangen, bin ich jedes Mal aufs Neue hingerissen von der Schönheit dieses Fleckchens. Und der Tatsache, dass man quasi in Dublin dieses Naturerlebnis genießen kann. So einfach zu erreichen, ein leichter Spaziergang für Wanderer aller Stärken. Und am Ende des Cliff Walks gibt es dann nichts Besseres, als sich mit einer Box Fish and Chips von Beshoff's am Hafen von Howth zu belohnen.

Nur eine kleine Warnung: Der Pfad ist gänzlich ungesichert und führt direkt über den Klippen entlang. Für Leute mit Höhenangst und Kinder unter 6 Jahre ist der Cliff Walk nicht geeignet!