Dienstag, 31. Mai 2011

Landei in London

Zyniker behaupten ja, das Beste an Irland sei seine Nähe zu England. Oder zu der Metropole London. So ganz kann ich dem ja nicht zustimmen, aber ich gebe zu, dass ich mich gerade irrsinnig auf meinen Kurztrip nach London freue. Während ihr hier diesen Beitrag lest, befinde ich mich bereits in der britischen Hauptstadt - automatisches Posten macht's möglich - und klappere Fotoausstellungen ab.


Jahrelang habe ich London übrigens links liegen gelassen. Oder rechts, je nachdem, wie man sich den Atlas nun anguckt. Schlappe 70 Flugminuten von Dublin entfernt, war mir London einfach zu sehr Moloch, als dass es mich interessiert hätte. Vielleicht war ich selber auch einfach noch zu Landei-ig und habe mich nicht getraut? Wie auch immer, im Februar diesen Jahres war ich auf einer selbst-organisierten Studienexkursion in der britischen Hauptstadt - und ganz und gar begeistert.

Schon bei der Ankunft in Victoria Station war mir klar: London is an all different ballgame to Dublin. Soll heißen: London ist doch wirklich ein Tacken mehr Weltstadt als das beschauliche Dublin. Allein schon die verschiedenen Schattierungen der Leute, die im Bahnhof meinen Weg kreuzten, machten das deutlich. Und dann der öffentliche Nahverkehr - mit der tube schnell und unkompliziert überall hin. An jeder Ecke eine Galerie, ein Museum oder ein interessanter Shop. Ich habe es genossen, in mich aufgesogen, aber fast gar nicht gewusst, wo ich zuerst hinschauen soll.

Und genau deswegen freue ich mich auch jetzt schon auf die Rückkehr aus London. Denn so beeindruckend die Weltstadt London auch ist: Wohnen möchte ich da nicht. Zu groß, zu hektisch, zu anonym, zu unübersichtlich. Fast schon zu viel Auswahl. Da lobe ich mir mein dear, dirty Dublin. Hier kenne ich mich aus, hier treffe ich bei jedem Stadtbummel mindestens einen Bekannten, hier fühle ich mich wohl.

Einmal Landei, immer Landei? Und wenn schon - auch in Dublin gibt es Hauptstadtfeeling. Das Regierungsviertel mit Parlament und Department of the Taoiseach - quasi das irische Bundeskanzleramt - sind gleich um die Ecke. Und wenn ich mich wie Dieter Kronzucker fühlen möchte, brauche ich nur um 18 Uhr während der ersten Fernsehnachrichten mal eben die Straße runterzugehen und mich dezent hinter dem Radio Telefis Eireann-Reporter ins Bild zu schmuggeln. "Aus Dublin berichtet Sonja Kroll." Schalten Sie auch am Donnerstag wieder ein, wenn Kulturreporterin Kroll von ihrem Auslandseinsatz in London zurück ist.

Sonntag, 29. Mai 2011

Dankeschön, Darling, dankeschön

Nochmal zum Thema Dankeschön, das ich schon im letzten Beitrag kurz angesprochen hatte. Anfänglich fand ich es ja eher amüsant, wenn nicht gar grenzwertig nervtötend, dieses ständige Bedanken für alles und jedes. Mein Gatte - damals natürlich noch nicht ein staatlich sanktionierter solcher, sondern noch als in Brautwerbungsbemühungen befindlicher Anwärter auf meine Gunst - erwarb sich meine Zuneigung durch die entzückende Angewohnheit, sich für jeden meiner hingehauchten Küsse separat mit einem schüchternen "thank you" zu bedanken. Vielleicht sind er und seine Familie ja nicht repräsentativ - dennoch beeindruckte mich bei den ersten Begegnungen in meiner Schwiegerfamilie in spe die Gepflogenheit meines Freundes und seiner Brüder, sich bei ihrer Mutter nach dem Essen immer für das Mahl zu bedanken.



"Ein kleines Danke reicht weit", heißt es im Englischen. Und das ist wohl wahr, denn auch Selbstverständliches und Alltägliches ist dankenswert. In Irland nimmt das - für Außenseiter Exilanten - manchmal wunderliche Blüten an. Ich erinnere mich noch gut an meine erste Busfahrt in Irland, seinerzeit in Cork, 1984. Als ich aus dem Bus ausstieg, bedankten sich die vor mir aussteigenden Fahrgäste alle mit einem kurzen "thank you" beim Busfahrer, bevor sie den Bus verließen. Ich fands komisch. Das ist ja wohl der Job des Fahrers, mich von A nach B zu bringen, den Bus anzuhalten und die Tür zu öffnen. Dafür habe ich ja schließlich auch bezahlt! Und doch - eine nette, kleine Freundlichkeit, die mich nichts kostet und den Fahrer erfreut.

Man könnte nun meinen, dass in den seit damals vergangenen 27 Jahren (oh mein Gott...) die irischen Tigerjahre und die Schnelllebigkeit des 21. Jahrhunderts derartig niedliche Gepflogenheiten als Anachronismus ausradiert haben. Doch eine Probe aufs Exempel ergab kürzlich erstaunliche Ergebnisse, die mich doch noch an das Gute im Menschen glauben lassen. Bei einer Fahrt mit Dublin Bus positionierte sich Dr. Sonja in der Nähe des Ausstiegs und überprüfte den Höflichkeitsgrad der das Verkehrsmittel verlassenden Fahrgäste. Die Auswertung ergab, dass bei 23 Probanden knapp 90 Prozent der Fahrgäste das Prädikat "höflich" erhalten. Nur zwei Passagiere stiegen grußlos aus - und sind die unhöflichen schwarzen Schafe unter den Mitfahrenden. Vermutlich Ausländer. Die sich mit den hiesigen Sitten und Bräuchen nicht auskennen. Haha.

Wer also demnächst in Irland mal mit dem Bus fahren sollte und nicht unangenehm auffallen will: Immer schön danke sagen - sonst ist man als Touri enttarnt.

Donnerstag, 26. Mai 2011

Sprache und Hierarchie

Als Exildeutsche ist das bilinguale Kommunizieren Teil meines Alltags. Hin und wieder ertappe ich mich dabei, wie ich sogar auf Englisch denke. (Nun ja, das ist aber vielleicht auch nur Ausdruck anglophiler Ex-Anglisten-Arroganz oder mitteilsamer Schrulligkeit: Ich neige dazu, in Situationen emotionaler Relevanz - etwa beim akuten Ärgern über Erlebtes, der hochwichtigen Entscheidungsabwägung beim Schuhkauf oder gelegentlich selten auch in grenzwertig erotischen Extremsituationen (...) - meinem "inneren Monolog" ohne Punkt und Komma mit Standleitung aus dem Hirn auf die Zunge externen Ausdruck zu verleihen.)

Aber ich schweife ab (ein schönes Beispiel des inneren Monologs, der sich gerade hier äußerlich Bahn bricht). Kurz und gut: Ich liebe die englische Sprache. Und ich liebe die Art und Weise, wie das Kommunizieren auf Englisch Distanzen aufbricht, die auf Deutsch viel schwerer zu überwinden sind. Das fiel mir wieder einmal in den letzten drei Tagen auf. Von Dienstag bis Donnerstag arbeitete ich als Foto-Assistentin auf einem großangelegten Shoot. Der Fotograf ist international tätig und hat eine beeindruckende Kundenliste - Vodafone, Ernst & Young, Deutsche Bank und und und. Durchaus wohl eine Größe im Bereich kommerzieller Fotografie. Dementsprechend "ehrfürchtig" blickte ich auch dem ersten Zusammentreffen mit John entgegen - schließlich bin ich ja trotz meiner gesetzten Jahre rein fototechnisch gesehen "nur" Studentin und Anfängerin. Zum Shoot flogen außer dem Fotografen auch noch ein Creative Director und der Auftraggeber aus den USA ein, die während der Aufnahmen kontinuierlich dabei waren.

Gewohnt ehrerbietig und dank langjährigem, an deutschen Universitäten erlerntem Hierarchieverhalten übte Sonja bereits im Vorfeld den Kratzfuß und war bereit, bescheiden und mit Ehrfurcht dem großen Meister und seinen ebenso koryfähigen, eh, Koryphäe-igen Klienten zu begegnen. Doch unser Kommunikationsmittel, die englische Sprache, setzte dann ganz andere Maßstäbe. Alle drei "Chefs" stellten sich sofort mit Vornamen vor. Und es trat ein, was das Kommunizieren auf Englisch für mich so bemerkenswert macht: Die sprachliche Konvention, sich mit der informellen Anrede "you" anzusprechen, sowie die mittlerweile überall übliche Anrede mit dem Vornamen, riss alle Hierarchiebarrieren ein. Sprachlich gleich gestellt, finden sich alle Beteiligten auf demselben Niveau wieder - niemand ist "Herr Hochtrabend" oder "Dr. Wichtig". Auch wenn es nur der sprachliche Ausdruck ist, und doch hat es Auswirkung auf die Interaktion der Personen: Der Small Talk geht leichter von der Hand Zunge, die Gesprächsteilnehmer wirken vertrauter und damit zugänglicher, und die Gesprächsthemen werden vertraulicher. (Ich verrate in dieser ehrenwerten Runde mal lieber nicht, welche irrsinnigen Themen ich mit den mir ja wildfremden Männern diskutiert habe...)

Für die Zusammenarbeit bedeutete dies, dass es eine lockere Atmosphäre gab, in der freundlich und fast freundschaftlich miteinander umgegangen wurde. Als Foto-Assistent ist man nicht nur Mädchen für alles, sondern auch der allerkleinste Wurm Handlanger, der so wichtige Aufgaben übernimmt wie als Belichtungsschlampe Modell bei der Ausleuchtung im Foto zu posieren, Lampen zu bedienen, den Reflektor zu halten oder dem Fotografen das angeforderte Objektiv zuzureichen. Für alle diese selbstverständlichen Handgriffe wird sich auf Englisch jedoch höflich und einzeln immer wieder bedankt - noch so eine typische, englischsprachige Sitte, von der sich die Deutschsprachigen eine Scheibe abschneiden könnten. Denn sie impliziert, dass die Ausführung der Tätigkeit vom Anfrager nicht nur wahr genommen, sondern auch geschätzt wird. Dementsprechend wird eine Hilfskraft nicht ignoriert, sondern der Beitrag als wertvoll anerkannt.

Nein, wir sind nicht als dicke Freunde auseinander gegangen. Vermutlich werden wir nie wieder irgendwo zusammentreffen. Aber die 24 Stunden, die wir zwangsweise zusammen gearbeitet haben, wurden in angenehmer, freundlicher Atmosphäre verbracht. Schlau, dass das einfach nur die Sprache macht. Sollte ich allerdings mal ein Praktikum in der Beschwerdeabteilung eines Unternehmens machen, dann werde ich das vermutlich nur auf Deutsch erfolgreich durchziehen können...

Freitag, 20. Mai 2011

Königliche Schmerzen im Gesäß

Nein, nein *abwink*, kein Grund zur Bekundung von Besserungswünschen - mir geht es gut. Ich beziehe mich nur heute, aus aktuellem Anlass, auf den gegenwärtigen Aufreger der Stunde. Oder vielmehr "der Woche". Königinnenbesuch in Irland! Ein wahrhaftiger "Royal pain in the ass" - oder übersetzt "ein echtes Ärgernis".

Schon wo-chen-lang wurde in Irland über den bevorstehenden Besuch der britischen Monarchin diskutiert. Ob das nun gut ist, dass sich die beiden Nachbarinseln symbolisch durch den Besuch des britischen Staatsoberhauptes endlich nach 800 Jahren kontroverser Geschichte versöhnen. Nationalisten pochen darauf, dass die irische Insel wiedervereinigt werden muss. Monarchiefans freuen sich auf das bunte Windsor-Gucken. Und dem Großteil der Masse ist das Ganze einfach nur egal.

Mich kann man auch zu letzteren zählen - obwohl ich als absoluter Irland-Fan natürlich gaaaanz klar auf der Seite der von den Engländern unterdrückten Iren stehe. Aber bitte, kann man jetzt dann doch mal von alten, überkommenen Uralt-Rivalitäten abrücken und sich gemäßigt einer diplomatischen Linie zuwenden? Die jahrhundertelange Unterdrückung der Iren und der Kulminationspunkt Ostern 1916 (Freiheitskampf der Iren) sind doch schon längst kalter Kaffee. Soll sie doch kommen, die Lizzy, und hier die Völkerverständigung unterstützen.

Was mich allerdings an diesem ganzen Zirkus besonders gestört hat: Die Kosten eines Staatsbesuchs dieses Kalibers belaufen sich auf runde 25 Millionen Euro. Sicherheitsvorkehrungen, Organisation, Banketts und Veranstaltungen. Das wäre es mir nun wiederum nicht wert gewesen! Schon gar nicht in der aktuellen Lage Irlands, das täglich mit den IMF-Auflagen in Folge der ganzen Rezession zu kämpfen hat. Besuch von Königs: Was für ein (unnötiger) Luxus!

Ganz zu schweigen von den Umständen, die der Besuch den Iren macht. Schon Tage vor der Ankunft der Queen waren in Dublin ganze Straßenzüge gesperrt. Die irische Polizei war wochenlang mit der Überprüfung sämtlicher Gullys beschäftigt, um sicherzustellen, dass keine Bomben abgelegt wurden. Wenn das mal nicht anrüchig ist. Und dann kam mir der Queen-Besuch auch noch bei der Vorbereitung meiner Fotoausstellung in die Quere: Verkehrsbeeinträchtigung = weniger Besucher bei der Abschlussausstellung meines Fotokurses.

Heute endlich ist die Queen aus Dublin abgereist. Noch ist sie im Lande, fährt in den Süden der Republik. Aber wenigstens kann sich in Dublin jetzt wieder die Lage normalisieren. Ich selber haue auch ab - campen an der Westküste. Wenn wir schlau gewesen wären, wären wir schon am Vorabend der Queen-Visite abgehauen, dann hätten wir den ganzen Zinnober hier nicht mitmachen müssen! Ich freue mich schon auf die Rückkehr in ein normales Dublin - am Sonntag.

Montag, 16. Mai 2011

Mein tägliches Adrenalin, Teil 3

Was bisher geschah: Abmarsch zum Bahnhof vertrödelt. Bahn verspätet. Doch mit einiger Verzögerung hatte Sonja es doch noch unter Aufbietung aller verfügbaren Kräfte zum Flughafen geschafft. Die letzte Hürde: Sicherheitsüberprüfung. Und es hat "piiiiiiiiiing" gemacht... 

28 vor 8. Die Sicherheitsdame tastet mich ringsherum ab. Nicht ganz in der Stimmung für solche Sinneseindrücke. Naja, wenigstens habe ich noch meinen Humor. Der "Ping" sitzt im Bügel meines Bügel-BHs. Das hätten die doch gleich wissen müssen - ich bin viel zu gestresst, als dass ich hier Waffen schmuggle!

25 vor 8. Zurück zum Gepäckband. Der Sicherheitsmensch hat bereits eine Reihe verdächtiger Gegenstände in meinen Taschen lokalisiert. Beweisstück Nummer 1: Shampooflasche > Flüssigkeit über zulässiger Menge >> ab in die Tonne. Beweisstück Nummer 2: Schneekugel > Flüssigkeit über zulässiger Menge >> ab in die Tonne. Beweisstück Nummer 3: Metallener Seifenhalter im antiken Stil, mit Seife in Zitronenform (Weihnachtsgeschenk für den Gatten) >> höchst verdächtig und daher aus der Verpackung gerissen, aber nicht in die Tonne *juhu*. Beweisstück Nummer 4: Acht Feuerzeuge > sehr, SEHR verdächtig > sofort ab in die Tonne. Beweisstück Nummer 5: brandneuer Nivea-Deoroller > Flüssigkeit >> NEIN, bitte nicht in die Tonne, ich hab noch niemals einen Deoroller so sehr gebraucht wie jetzt!!! Gnadenlos ab in die Tonne.

21 vor 8. Aber das war's. Ich kann einpacken und abhauen. Letzte Gelegenheit mich bei meiner Mitpassagierin zu entschuldigen. "Es tut mir so leid, wirklich, es ist mir grenzenlos peinlich. Ich entschuldige mich. Verzeihen Sie mir, es ist mir so peinlich!" Die Dame ignoriert mich und informiert mich dann (auf Englisch mit erkennbarem deutschen Akzent): "I don't speak German." Sicher. Ok, du doofe Kuh. Ich greife meine halb verschlossenen Taschen, werfe die Schuhe um den Hals und den Schal an meine Füße während ich zum Flugsteig rase. 

20 vor 8.  Erreiche in Strömen schwitzend das Gate, eine Schleppe von Weihnachtspapier hinter mir her ziehend. "Ich bin verspätet. Sie wurden angerufen. Kann ich noch mitfliegen?" "Ah, Frau Kroll. Ja. Ich habe ihre Bordkarte bereits ausgedruckt." Ich renne in den "Finger" in Richtung Flieger. Und bleibe wie angewurzelt stehen.


19 vor 8. 150 Passagiere, bereit den Flieger zum Flug EI 321 von München nach Dublin zu besteigen, warten vor mir im Korridor.

Mein Deo hat mich im Stich gelassen. Ich habe mir eine Mitpassagierin zum Feind gemacht. Ich habe sinnlos ein 3,50 Euro-Shampoo und acht Wegwerffeuerzeuge geopfert. Aber der Adrenalintrip war unbezahlbar.

Freitag, 13. Mai 2011

Mein tägliches Adrenalin, Teil 2

Was bisher geschah: Sonja hat sich mit egozentrischen Selbstbeweihräucherungsaktionen einem Videodreh selbst ins Knie geschossen und den Weg zum Flughafen mit halbstündiger Verzögerung angetreten. Glücklich durch Schnee und Eis am Bahnhof angekommen, wartet eine weitere Schreckensnachricht auf unsere Heldin: Der nächste Zug zum Flughafen hat eine Verspätung von 15 Minuten. 

Ich bin keine Buddhistin, aber wenn angesichts des menschlichen Ausgesetztseins göttlicher unerklärbarer Interventionen, lasse ich mich einfach von den Umständen nur treiben. "Ommmm". Im Falle meiner Anreise zum Flughafen wartete ich also ergeben auf den Zug und beschloss, mich dem hinzugeben, was Gott oder Dr. Rüdiger Grube (Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn AG) für mich geplant hatten. Und so fuhr schließlich der Zug ein, mit nur fünfminütiger Verspätung. Jauchzet! Frohlocket! Lobpreiset die Tage Bahnen. Es konnte noch klappen.

10 nach 7. Schon mal eine Dame mittleren Lebensalters beim Training für den modernen Zweikampf (Weitsprung-Kugelstoßen) zugesehen? Das war ich, beim Aussteigen aus dem Zug, in olympischer Höchstform. Im Laufschritt die Rolltreppe hoch, zur Anzeigetafel, um die Check-in-Schalter zu finden. Mist. Nur der Flugsteig stand dran. Also gleich zum Gate? Ich also zur Grenzkontrolle. In gewöhnlich unfreundlicher Manier informierte mich der uniformierte Beamte, dass ich mit meinem Gepäck und ohne Bordkarte nicht durch die Kontrolle dürfe. Na danke.

12 nach 7. Ich ziehe ab. Wo ist jetzt der Check-in-Schalter? Gibt's hier denn kein Schild? Und wo kann ich jemanden nach dem Weg fragen. Verdammter Münchner Flughafen. Ich fahre Rolltreppe abwärts. Keine Menschenseele. Ich fahre Rolltreppe aufwärts. Schließlich entschließe ich mich, die Konkurrenz von British Airways zu fragen, wo denn die Aer Lingus-Eincheckschalter seien. "In Bereich C." Ok. Ich raffe mich und mein Gepäck von A nach C auf. Ein heimeliges, grün-frisches Leuchten empfängt mich in Bereich C. Aer Lingus, ich liebe dich. Äh. Aber wo ist jetzt das Eincheckpersonal? Keiner da? Endlich, ein Infoschalter. "Wo ist denn bitte Aer Lingus?" "Na, die haben schon dicht gemacht. Aber der Ticketschalter ist hier gleich um die Ecke."

20 nach 7. Am Ticketschalter. Ich japse und puste. "Ich bin spät dran für meinen Flug. Muss aber noch einchecken. Und hier ist keiner mehr." "Fliegen Sie mit Gepäck?" "Äh, ja, ist auch bezahlt, nur die beiden Taschen hier." "Nee, der Flug ist bereits geschlossen." "(...)" "Aber ich kann ja mal am Flugsteig anrufen... hab hier noch jemanden für euch... ja... zwei Taschen... verspätet... oh? Aha... ok..." Meine Felle schwimmen gerade die Isar runter. Die Dame wendet sich wieder an mich: "Sie können es ja noch versuchen. Gehen Sie so schnell wie möglich zum Gate." "Heißt das, ich muss mich überall vordrängeln?" "Ja!" Oh Scott, wie ich das hasse. Nicht nur zu spät, sondern auch noch rüpelig. Aber da muss ich jetzt wohl durch...

25 nach 7. Ich fliege. Und zwar die 100 m zwischen Bereich C und B. Grenzkontrolle, zweiter Versuch. Ich stoße ein nichtsahnendes, älteres Ehepaar aus dem Weg. "Das macht Ihnen doch nichts aus, oder? Ich hab's eilig." Der Grenzbeamte dagegen gar nicht. *fingertrommelaufdemschalter* Schließlich lässt er mich aber doch durch. Als nächstes die Schlange an der Sicherheitskontrolle. "Entschuldigung, darf ich vor? Ich muss meinen Flug erreichen." Ohne die Antwort der Frau am Anfang der Schlange abzuwarten, knalle ich mein Gepäck vor ihr auf das Laufband zur Durchleuchtung. "Äh, ich fliege auch nach Dublin", informiert sie mich auf Deutsch. Zu spät, schon vorgedrängelt. Ich entledige mich derweil wahllos diverser Kleidungsstücke für den Sicherheitscheck, während ich gleichzeitig die kleinen Flüssigkeitsbehälter aus meinem Waschbeutel nehme und mich bei der Frau hinter mir wortreich entschuldige.

halb 8. Ich schreite durch das Sicherheitstor. "Piiiing!!!" Na klar! "Bitte warten Sie, während meine Kollegin sich noch um einen anderen Passagier kümmert. Und ziehen Sie bitte ihre Stiefel aus." Ich scharre mit den Hufen, kaum in der Lage zu warten, während sich die Sicherheitsmenschen daran machen, meine Habseligkeiten näher zu untersuchen. Auch das noch! Ich entschuldige mich wiederum ausschweifend und demütig bei der Frau hinter mir, die mittlerweile sauer meine Bitten um Vergebung mit deutlicher Nichtachtung verweigert.

Und wie geht's weiter? Tja, da steht wieder ein Cliffhanger davor. Schalten Sie auch am Montag wieder ein, wenn es heißt "Mein tägliches Adrenalin, Teil 3".

Mittwoch, 11. Mai 2011

Mein tägliches Adrenalin

Hallo, liebe Leser. Bei dem heutigen Beitrag handelt es sich quasi um einen so genannten "Re-Post". Auf Anregung einer lieben Forumsfreundin (huhu S___!) kommt jetzt - leider im saisonalen Ambiente nicht ganz passend - die Übersetzung einer kleinen Alltagsgeschichte aus dem Anekdotenfundus einer vielfliegenden Exildeutschen. Das Ganze habe ich - zeitnah - bereits im Dezember auf FB veröffentlicht. Aber für meine nicht-netzwerkende Leserschaft dann jetzt noch mal exklusiv und auf Deutsch.

Vermutlich war es keine so gute Idee gewesen, einen Abstecher nach Deutschland ausgerechnet für die Woche vor meinen Semesterabgabeterminen zu legen. Aber meine deutsche Redaktion hatte ihre Weihnachtsfeier anberaumt, ich hatte ein paar Fotografie-Termine in München und ich wollte etwas deutsche Weihnachtsstimmung atmen. Also von Mittwoch bis Sonnabend nach München, mit Rückflug so spät wie möglich am Samstagabend, 20 Uhr. So konnte ich tagsüber noch einiges erledigen - ausschlafen, Fotoausstellung angucken, Tee trinken im Victorian Teahouse (wie man das ja in Bayern so macht...), um dann auf dem Weg zum Flughafen mein Gepäck aus der auf dem Weg liegenden Wohnung meiner Gastgeberin T___ abzuholen.

Wir erreichten T___s Wohnung um 17 Uhr - und hatten dann die großartige Idee, noch zwei Videointerviews für unsere Blogs zu produzieren. Die gingen auch flott von der Hand - zwei mal acht Minuten, aber dann brach mir die langsame Downloadzeit der Videos von der Kamera auf den Laptop das Genick. So kam ich erst nach 18 Uhr aus dem Haus, zu spät für den 18.11 Uhr abfahrenden Zug Richtung Flughafen. Doch T___ hatte mir glaubhaft versichert, dass auch der nachfolgende Zug noch früh genug am Flughafen eintreffen würde, um einzuchecken und abzufliegen. Also das Gepäck geschultert - das sich erstaunlicherweise innerhalb von drei Tagen in Gewicht und Umfang verdoppelt hatte - und los zum Bahnhof, durch Schneematsch und Kälte.

Ich erreichte trotz Behinderung durch einen Rollkoffer, 15kg Schultertasche und 3kg Fotoausrüstung erreichte ich aufrecht gehend den Bahnhof, stellte mich auf das Gleis und entwertete meinen Fahrschein. Und erstarrte trotz innerer Hitze, als die freundliche Stimme der DB die Wartenden informierte: "Wir bedauern den Reisenden mitteilen zu müssen, dass der Nahverkehrszug nach München-Flughafen auf Grund einer Betriebsstörung heute mit 15 Minuten Verspätung eintreffen wird. Wir bitten die Verzögerung zu entschuldigen."

Ich bin normalerweise keine Besitzerin eines mathematischen Hirns, aber in Extremsituationen und unter Zeitdruck funktionieren die Nervenenden blendend. "Normale Abfahrtszeit 18.31 Uhr. 35 Minuten Fahrtzeit. 15 Minuten Verspätung. Ich werde um 19.20 Uhr am Flughafen sein. Könnte noch gerade klappen." Vorsichtshalber schickte ich aber schon mal ein paar SMS an diverse Betroffene, die mich eventuell früher als erwartet wieder sehen würden. Oder gegebenenfalls gar nicht, wie meine Familie in Dublin. Auch eventuelle Folgenachrichten an meine Professorenschaft in Dublin waren im Geiste bereits vorformuliert. "Leider in München gestrandet. Schaffe den Abgabeschluss nicht. Bitte verlängern."

Ha! Cliffhanger! Kam der Zug pünktlich? Erreichte Sonja noch ihren Flug? Gewann Johnny Logan den Grand Prix zum dritten Mal? Wenn ihr wissen wollt, wie es weitergeht, dann müsst ihr noch bis Freitag warten. Dann kommt Teil 2 aus der Serie "Mein tägliches Adrenalin".

Freitag, 6. Mai 2011

IRItationen

Manche Probleme gibt es nur in Irland. Und für die gibt es ganz spezielle irische Lösungen. Paradebeispiel dafür ist das seit Jahren erfolgreich in Irland praktizierte Rauchverbot in geschlossenen, öffentlichen Räumlichkeiten - das in der Einführungsphase den wunderbaren irischen Erfindergeist stark anregte und so originelle Lösungen zeitigte wie den Einsatz von ausrangierten, stationär vor Pubs aufgestellten Doppeldeckerbussen als Zufluchtsort für ausgegrenzte Raucher. Der von den Iren praktizierte Lösungsansatz - nämlich eine übereilte, nicht bis in alle Konsequenz durchdachte Eilreaktion - ist so typisch, dass es dafür sogar einen eigenen Wikipedia-Artikel gibt. Seit einigen Tagen amüsiere ärgere ich mich bereits über einen solchen typischen Fall.

Der Kontext: Wer sich in Dublin als Fußgänger auf die Straße wagt, ist ein wandelndes Kamikaze-Unternehmen. Der per pedes am Dubliner Straßenverkehr teilnehmende Mensch sieht sich an jeder Ampelkreuzung unüberwindbaren Barrieren ausgesetzt: Einerseits fehlen Fußgängerampeln, die das sichere Überqueren der vielbefahrenen Innenstadtstraßen gewährleisten, andererseits besitzt der Ire am Volant kein besonders stark ausgeprägtes Toleranzempfinden für die Befindlichkeiten eines schwachen, langsamen Fußgehers. Will sagen: Als Fußgänger ist man der Macht - und dem Kühler - des Autofahrers immer und überall schutzlos ausgeliefert.

Die konkrete Sachlage: Um der eingeschränkten Mobilität der Fußgänger (und Radfahrer) unter die Füße Arme zu greifen, haben die Dubliner Stadtplaner die Rad- und Wege entlang des die Innenstadt umfassenden Grand Canals kürzlich ausgebaut. Problem: Den kleinen Stadtkanal überkreuzen die sternförmig aus der Stadt hinausführenden Ausfallstraßen. Hier braust der Verkehr, und wer unter den grünen Wipfeln der Bäume am beschaulichen Grand Canal weitergehen möchte, steht alle paar hundert Meter vor einer mal stehenden, mal sich bewegenden Wand von Blechkarossen. Irische Lösung Nummer 1: Der Fußgänger nimmt sich ein Herz und die Beine in die Hand und überquert die Straße bei erster sich bietender Gelegenheit.

Irische Lösung Nummer 2: Wir bauen uns einen Ampelwald.

Ampelwald auf Leeson Street Bridge
Hier sehen wir den Grand Canal (Bäume links und rechts im Bild) und die darüber führende Leeson Street Bridge mit der Nationalstraße N11. Und wir zählen auf einer Strecke von knapp 20 Metern gleich drei Verkehrsampeln. Die mittlere davon (Pfeil ganz links) ist eine reine Fußgängerampel. Wir sehen desweiteren einen für Fußgänger markierten Ampelüberweg im Vordergrund, sowie das Vorhandensein einer Ampel am hinteren Ende der Brücke.

Das sollte mich jetzt als Innenstadt-Fußgänger mit Freude, Erleichterung und Genugtuung erfüllen - endlich mal eine Ampel *nur* für uns. In your face, drivers! Jedoch - ich bin gelegentlich ja auch mit dem Mama-Taxi unterwegs und fahre täglich mehrfach über die gezeigte Brücke. Oder besser gesagt: stehe mehrmals täglich auf dieser Brücke mit neuer Staugarantie. Mal wieder eine nach irischer Argumentation geplante Maßnahme: Da es den am Kanal entlang wandernden Fußgängern ja absolut nicht zuzumuten ist, zur sicheren Überquerung der Straße zehn Meter weiter an die bereits existierenden Fußgängerampeln zu gehen, bauen wir ihnen eine ganz eigene Ampel mitten auf die Brücke. Macht ja nichts, dass der Verkehrsfluss damit komplett irritiert wird. Oder sollte ich sagen iritiert?

Ja, so sind sie, die irischen Lösungen. Wir lösen ein Problem und bauen uns dafür ein neues. A typical Irish solution for an Irish problem. Tschüß dann, ich fahr jetzt mal in den täglichen Stau.

Dienstag, 3. Mai 2011

Deutsche Effizienz

Heute muss ich mal wieder in mein pralles Leben greifen, um hier einen Beitrag aus der Reihe "Das Deutschlandbild in Irland" zu leisten. Aus aktuellem Anlass, gewissermaßen. Der Hintergrund: Ein Freund von mir, Ire und passionierter Musikliebhaber, suchte über ein bekanntes, blaues soziales Netzwerk nach der deutschen Ausgabe einer international erhältlichen Musikzeitschrift. Kein Problem - da hat man ja als gebürtiger Teutone seine Kontakte, die man spielen lassen kann. Dementsprechend bat ich die zuverlässigste aller Freundinnen (huhu, Mathilda!!!) um Kauf und Zusendung besagter Ausgabe. Dies geschah am vergangenen Donnerstag.



Heute morgen (Dienstag) traf - erwartungsgemäß - die Postsendung mit der Musikzeitschrift hier ein. Ich vermeldete das Eintreffen der Sendung an den Empfänger. Hocherfreut und überrascht beglückte mich der Freund mit begeisterten Dankesworten. Das sei ja wieder mal eine wahrhaft beeindruckende Offenbarung deutscher Effizienz. Selber sei er noch nicht dazu gekommen, ein anderes gesuchtes Heft aus einem Laden ein paar Kilometer weiter abzuholen - aber das deutsche Magazin habe dagegen schon die knapp 1400 km von München nach Dublin zurückgelegt. "Wow!!"

Und so isses - die deutsche Effizienz wird von den Iren hoch geschätzt - wenn sie denn in den Kram passt. Da, wo sie lästig wird, nimmt man den durchschnittlich hohen Wirksamkeitsgrad zentraleuropäischer Organisationskunst gerne auch als humoristischen Verhohnungsanlass. Meine kürzlichen Bemühungen, eine informelle Zusammenkunft mit dem Ziel kollektiven Getränkekonsums schon zwei Wochen im Vorfeld zu organisieren, wurde mit der Antwort quittiert: "Ich glaube, es ist sinnlos, jetzt schon die Einzelheiten für das Treffen zu organisieren. Es sind ja noch zwei Wochen dahin. Außerdem sind weder ich noch G___ Deutsche. Wir brauchen keine Organisation."

Na denn. Vermutlich werde ich am Vortag des besagten Treffens endlich die Einzelheiten zu Treffpunkt, Anfahrt und konkreter Lokalität erfahren. Es könnte gut möglich sein, dass sich die Zusammenkunft kurzfristig verschiebt, oder dass einer der Teilnehmer urplötzlich verhindert ist. Macht ja nichts, wir leben ja im Zeitalter der mobilen Kommunikation. Das kann man auch noch zehn Minuten nach ausgemachtem Treffen absagen. Unverbindlich? Unorganisiert? Nö. Iren sind relaxt und Deutsche sind verspannt. Aber schön, dass man sich auf die Deutschen ansonsten so gut verlassen kann...