Mittwoch, 30. Oktober 2013

Gesprächseröffnung

Dass die Iren ein freundliches, sehr zum Plaudern aufgelegtes, aufgeschlossenes Völkchen sind, habe ich in diesem Blog schon oft betont. Vor allem Iren meiner Generation und älter sind wahre Plaudertaschen, wohl noch geprägt von einer Zeit, in der man - bedingt durch Arbeitslosigkeit und insulare Isolation - einfach die Zeit zum endlosen Reden hatte. Kein Internet und kein Kabelfernsehen, die einen ununterbrochen unterhielten. Wer kommunizieren wollte, brauchte dazu noch Gesprächspartner. Und so sind sie auch heute noch, einem kleinen "chat" nie abgeneigt, denn small talk geht schließlich immer.
Small Talk ist nicht unbedingt universal kulturkompatibel. Wir Deutschen sind dazu ja eher etwas zu ernsthaft und dröge - bei uns muss es leidenschaftlich und in die Tiefe gehen.  Abgedroschene Oberflächlichkeiten sind uns zuwider. Man redet ja schließlich nicht zum Spaß, sondern man übermittelt Informationen! Deshalb sind wir auch direkt und auf den Punkt gerichtet. Die Iren dagegen reden um des Redens willen. Ein Gespräch muss mäandern, dient dem intrinsischem Amüsement und nicht einer extrinsischen Motivation und ist dementsprechend entweder von Humor oder von ausgesprochener Freundlichkeit geprägt.
An der Spannungsfläche irisch-deutscher Gesprächsführung betreibe ich nun schon seit Jahren meine Studien, und bin heute noch nicht wirklich schlauer als vor 20 Jahren. Denn deutsche Wirklichkeit und irische Ausschmückung kommen bei mir meistens nicht in Einklag. Beispielsweise heute, als ich auf der Straße zufällig einen meiner Uni-Dozenten traf. Sellbstverständlich gab es sofort ein spontanes Schwätzchen, egal welche Hierarchien uns eventuell einmal getrennt haben könnten. Die Gesprächseröffnung kam von M___ "Hallo, Sonja, wie geht's? Du siehst aber gut aus." Bam! Da war mal wieder einer der Knaller, die mich regelmäßig außer Fassung bringen. An diesem Spruch "du siehst aber gut aus" (You are looking well!) wird die Unterschiedlichkeit deutscher und irischer Gesprächseröffnung mal wieder deutlich. Während Ire M___ mit der Floskel lediglich den Ball in meine Richtung spielt, setzen sich in Sonjas deutschem Hirn die Schrauben in Bewegung.
"Ich sehe gut aus? Wieso sagt der, dass ich gut aussehe? Ich habe in letzter Zeit gefühlte 20 Kilo zugenommen. Ich müsste eigentlich wesentlich mieser aussehen als zu der Zeit, als ich noch regelmäßig einmal die Woche in M___s Klassenzimmer saß. Oder ist das ein Euphemismus? Hm. Stimmt, damals, als ich so richtig fies übergewichtig war, da wurde mir das dauernd von allen Leuten gesagt, die ich traf. Heißt das etwa, dass ich übermäßig zugenommen habe? So schlimm ist es ja nun auch wieder nicht. Waren doch nur knapp 5 Kilo. Aber stimmt, ich sollte mal wieder meinen Schokoladekonsum etwas zurückschrauben. Und ich könnte auch mal wieder regelmäßig joggen gehen. Ist ja auch wirklich total schlecht, mein Lebenswandel, immer nur den ganzen Tag vor dem Computer sitzen und den Hintern nicht vor die Tür bewegen. Kann aber natürlich auch sein, dass M___ mich wirklich nur freundlich komplimentieren will und gar nichts anderes damit im Hinterköpfchen hat. Oder will er mich etwa anschnacken? Aber ich bin doch viel zu alt und viel zu liiert dazu. Und er auch."
Was hier einen ganzen Absatz inneren Monologs ausmacht, sieht auf irischer Seite dann etwa so aus: "Hab Sonja lange nicht gesehen. Hat sich aber nicht verändert. Sieht gesund aus."
Fazit: Was die Iren auf der Zunge haben, das haben wir Deutschen (Frauen?) offenbar im Kopf. Während der Ire ein kleines Kompliment in die Manege wirft, spielt die deutsche Frau sämtliche Möglichkeiten der Interpretation im inneren Monlog aus. Kein Wunder, dass wir beim Small Talk auf der Strecke bleiben. Wie soll man da schnelle Rückmeldung geben?
Die Wunderwaffe in der Situation ist, solche Gesprächseröffnungen grundsätzlich nicht als wortwörtliche Meinungsäußerung zu verstehen, sondern als eine ausgeschmückte Erweiterung der höflichen Nachfrage nach dem allgemeinen Gesundheitszustand. Quasi ein zusammengezogenes Howareyouyouarelookingwell mit der Bedeutung "Schön, dich wiederzusehen."
Kann jemand meinen inneren Monolog mal bitte ausknipsen? Der macht mich wirklich noch wahnsinnig.

Sonntag, 20. Oktober 2013

Lashes

1920s Sonja
... heißt Wimpern und ist etwas, was zarte (*hüstel*), ätherische, hellhäutige Naturblondinen wie ich nicht im Überfluss haben.  Aber gemäß meinem oft zitierten Wahlspruch "Man muss nur die richtigen Leute kennen", habe ich eine Freundin, die als Visagistin arbeitet und mir aushelfen kann - oder der ich mich als Opfer zur Verfügung stelle, wenn mal ein neuer Vintage-Look geübt werden muss. So geschehen gestern nachmittag, als ich mich zwecks Verschönerung bei Maite unters Messer Wimpernbürstchen begeben habe. Der Plan: Sommer-Look der Zwanziger Jahre. Ein herrlich entspannendes Vergnügen - da wird zart das Gesicht mit Foundation gepflegt und dann gebogen, gemalt und getupft, bis der Look richtig stimmt. Dazu wird entspannt geplaudert (außer ich muss die Klappe halten, weil die Lippen modelliert werden). Am schmerzhaftesten war selbstverständlich hinterher das fotografische Dokumentieren der Arbeit.
Maite ist für den Teil "Lashes" in dem Beauty-Duo "Locks & Lashes" zuständig, einem Hair-and-Make-up Venture, das sich vor allem auf den Vintage-Look spezialisiert hat. In Dublin bieten Maite und Hairstylistin Maureen spezialisierte Beauty-Kurse und Make-overs an, bei denen man mehr über die Looks der Vergangenheit lernen oder sich das entsprechende Styling beibringen lassen kann. Eine tolle Sache für einen Geburtstag, einen Junggesellinnenabschied oder einen etwas anderen Betriebsausflug zum Beispiel.

Als ich nach dem Make-over in den Spiegel guckte, habe ich mich erst einmal gar nicht wiedererkannt. In a good way! (Ich mag mich selten im Spiegel. Oder auf Selbstportraits - siehe oben.) The power of make-up?! Ein bisschen ist es ja wie eine Maske, hinter der man sich verstecken kann. Entsprechend schritt ich mit einem höher als sonst erhobenen Kopf nach der Make-up-Session nach Hause, das fragile Selbstbewusstsein von ausdrucksvollem Lidstrich und herausforderndem hellroten Lippenstift überdeckt. Der GäGa, so war ich sicher, würde mich umwerfend finden und stante pede einen gemütlichen Ausgeh-Abend mit mir anberaumen.

Maud Flanders
Ich trat in die Küche, wo der Gatte lesend auf mich wartete. Sein Kommentar: "Hast du mal in den Spiegel geguckt????" Und nein, das war nicht als Kompliment gemeint. Es fielen noch ein paar Referenzworte - ich meine, der Name "Maud Flanders" wurde erwähnt. Es genügt wohl zu sagen, dass aus meinem erhofften Tête-à-tête in gediegener Restaurant-Atmosphäre nichts mehr wurde.

Auf die Straße musste ich aber doch noch, um den Thronfolger von einem Konzert abzuholen, das um 23 Uhr endete. "Immerhin doch noch Gentleman genug, dass er seine Herzdame nicht alleine durch das dunkle Dublin laufen lässt", dachte ich mir. Weit gefehlt - an entscheidender Stelle schlug der Gatte vor, getrennte Wege zu gehen, falls der uns entgegenlaufende Sohnemann einen anderen Weg nehmen würde. Entscheidend, da mir kurz danach, alleine weitergehend, ein Grüppchen junger Männer entgegen kam. Einer der Kerle nahm mich singend ins Visier, ging an mir vorbei und schlug mir auf den Hintern. Ich war platt. (Der Typ war betrunken.)

Maud Flanders, you sexy beast. Mein Gatte  hat keine Ahnung!

Freitag, 4. Oktober 2013

Spülmaschinenzwangsneurose

Sprach ich an diesem Ort schon einmal über kulturelle Unterschiede? Im Hause K___-P___ wird der Kampf der Nationen an der Spülmaschine ausgetragen. Wenig, so meine Erfahrung, scheidet die Geister so entschieden, wie die beste Methode des Geschirreinräumens in den beliebtesten Helfer der fleißigen Hausfrau. An meinen Herrn Bosch lasse ich nur Wasser und meine eigenen zwei Hände. Eifersüchtig wird der verlässliche Hausfreund ausschließlich von mir betreut und bedient. Denn außer mir kann ja auch niemand die Spülmaschine richtig einräumen.

Geschirrspüler. Unter- und Oberkorb.
Unten links: Bonus! Antibakterielle, fußbettfreundliche Hausschuhe der modebewussten Hausfrau
Hier sehen Sie, verehrte Damen und Iren, wie man eine handelsübliche, für den Einsatz im inländischen Durchschnittshaushalt kompatible Spülmaschine ordnungsgemäß einräumt. Das fängt zunächst mit dem nach Tellergrößen vorsortierten Einstecken der Essteller an. Von diesen werden vor dem Einräumen grob die übrig gebliebene Essensreste entfernt. Auf Grund der Bauweise des Geschirrspülermodells der Marke Bosch, ergibt sich eine logische Anordnung der Teller: Diese werden in die dafür vorgesehenen Tellersteckvorrichtungen eingeschoben. Dabei muss berücksichtigt werden, dass Teller mit einem Durchmesser von über 20 Zentimetern auf Grund des vorgegebenen Standplatzes des herausnehmbaren Besteckhalters (Plastik) nicht direkt neben selbigem eingesetzt werden können. Bei der Beladung der Spülmaschine sollten Kuchen-, Salat- und Dessertteller mit einem Durchmesser von bis zu 20 Zentimetern dementsprechend vorzugsweise neben dem Besteckhalter eingeschoben werden, während größere Essteller vom Rand her eingeräumt werden. Die breiteren Abstandhalter können wahlweise mit Suppentellern bestückt, oder mit größeren Schüsseln, Töpfen oder Krügen beladen werden.

Es hat sich als zweckmäßig erwiesen, bereits bei der Beladung des Besteckhalters das Besteck vorzusortieren um die spätere Entladung zeitökonomischer zu gestalten. Für Teelöffel wurden zwei Abteilungen des Besteckhalters entsprechend mit geringerer Tiefe angelegt, so dass die Löffel über den Rand herausstehen und beim Einräumen ohne Schmutzkontakt in den Halter eingestellt werden können. Diese sind bei der Sortierung des Besteckkorbs entsprechend ausschließlich mit kurzen Besteckteilen zu bestücken. Auf Grund lösungsmitteltechnischer und physikalischer Naturgesetze wird Besteck erfahrungsgemäß sauberer, wenn man die für den Kontakt mit dem Mundinnenraum vorgesehenen Enden der Besteckteile nach oben zeigend in den Besteckkorb einstellt. Diese Regel kann in Ausnahmefällen - scharfe Messer, spitze Bratengabeln - missachtet werden, um eventuelle Verletzungen bei Be- und Entladung zu vermeiden.

Müsli- und Dessertschalen sollten auf Grund ihrer oftmals kostbareren Verarbeitung - wenn beispielsweise aus Kristall, Glas und Porzellan - in dem dafür vorgesehenen oberen Tassen- und Gläserbereich eingestellt werden. Die Bauweise des Oberkorbs ermöglicht das platzsparende Anordnen von Kaffeetassen übereinander dank der herunterklappbaren Seitenablagen und sollte wenn möglich angewandt werden. Becher und Gläser werden in Reihen so nebeneinander angeordnet, dass ohne Platzverlust maximale Spülauslastung gewährleistet wird. Hierbei hat es sich als zweckmäßig erwiesen, die Becher und Gläser nach Durchmesser getrennt anzuordnen, um Gefäße mit größerem Durchmesser optimal neben Bechern geringeren Durchmessers einzupassen. Extralange Messer und/oder Kochlöffel liegen platzsparend auf der oberen Ablage. Eventuell entstehende Lücken zwischen Bechern und Gläsern lassen sich effektiv mit Plastikdeckeln oder schmalen Diversika bestücken.

Vor dem Entladen ist das Geschirrspülgerät mittels Betätigung des Netzschalters (Ein/Aus) von der Stromversorgung zu nehmen. In der Vergangenheit hat es sich als zweckmäßig erwiesen, vor Entladung des Geräts die Klapptür zunächst engspaltig zu öffnen, um für den unkomplizierten Abzug eventuell noch im Gerät befindlichen Wasserdampfes zu sorgen. Achtung: Beim Spülvorgang kann es zu erheblicher Hitzeentwicklung kommen. Sofortiges Entladen nach Ablauf des Spülprogramms ist auf Grund der Wärmespeicherung des Geschirr- und Besteckmaterials nicht zu empfehlen. Viel Freude mit ihrem Gerät.

Sollte es in Zukunft eine amtliche Spülmaschinen-Einräum-Verordnung (SpEVO) geben, bitte ich um Berücksichtigung die in meiner verbindlichen Handreichung diesbezüglich vorgeschlagenen Musterlösungen. Eventuelle Abweichungen von den intensiv in jahrelanger Praxis experimentell und empirisch geprüften bewährten Methoden sind auf herstellerbedingte Abweichungen bei der Bauweise und Innenausstattung herkömmlicher und handelsüblicher Geschirrspülgeräte zu erwägen.

Zwangsneurose? Wer? Ich? Nee!

Mittwoch, 4. September 2013

Besuchsmarathon

So, wenn hier lange Funkpausen auf dem Blog sind, dann heißt das meistens nur eines: Ich habe Besuch. Oder ein zu geselliges Sozialleben. Hier sind seit dem letzten Eintrag drei Wochen vergangen. Das heißt, mein eigener Urlaub war bereits vorbei, und ich war wieder zurück im Alltag. Dank meines wunderbaren iPhone-Fototagebuches kann ich lückenlos nachvollziehen, was ich seit dem 11. August alles gemacht habe.

Wie man sieht, habe ich gebastelt, Sushi gegessen, Sonnenuntergänge genossen, mir ein Tattoo auf den Arm stechen lassen (nichts ist mir zu schade für meinen geliebten RA), Blumen angeguckt und ein Fotobuch in Empfang genommen. Und dann bekam ich auch schon wieder am 21. August Besuch. Von da an wird meine Fotodokumentation dann mal wieder weniger egozentrisch. Keine neckischen Trägerhemdfotos, sondern dann ist mehr Action drin. Denn wenn Besuch da ist, dann gibt es auch mal Programm im Hause K___-P___. Dank meiner Freundin K___, die mich zwei Wochen besucht hat, bin ich mal vom Computer weg und raus gekommen. So waren wir zum Beispiel auf Stadtrundgang und haben uns den Garten von Dublin Castle angeguckt (den ich hier schon einmal als Geheimtipp erwähnt habe), waren im Dämmerlicht in Trinity College, haben den wunderschönen Cliff Walk auf Howth gemacht und uns Kultur bei der Ausstellung 40/40/40 gegeben.
Der Besuch gibt sich derzeit bei uns die Klinke in die Hand - heute ist K___ abgefahren, doch nachmittags traf bereits V___ ein, die uns vor drei Jahren in Bologna Unterkunft gewährt hatte. Wenn V___ am Freitag wieder abfliegt, wird das Gästezimmer von meiner ehemaligen Kollegin S___ übernommen, die einen Wochenendtrip von Paris aus nach Dublin macht. Dann kommt erstmal eine Pause zum Verschnaufen Abarbeiten des Bettwäscheberges, und V___ und ich jetten luxuriös für eine Übernachtung nach London. Und kurz danach darf ich dann meine Freundin D___ aus Berlin hier für eine Woche begrüßen.

Ich find's klasse. Der allzu faule innere Schweinehund, der am liebsten immer nur am Computer sitzt und nur aus dem Haus geht, um Zigaretten zu kaufen, wird dann mal vor die Tür gejagt. Das Sozialleben blüht auf. Man kann sich immer sehr schön daran gewöhnen, muss ich sagen, und wenn der Besuch dann plötzlich weg ist, ist es furchtbar leer und langweilig im Haus.

Sonntag, 11. August 2013

Country Living

Was in Deutschland erst in den letzten Jahren so richtig zur Blüte gekommen ist, gibt es im anglophonen Sprachraum schon lange - eine Vielzahl an Magazinen, die das ländliche Leben preisen und vor allem mit schönen Fotos von noch schöneren rustikalen Interieurs die Städter-Sehnsucht nach abgescheuerten Holztischen und ausgetretenen Granitböden bedienen. Ich bin eigentlich eher für das modern-minimalistische Interieur zu haben, gerne auch im eklektischen Zusammenspiel mit ein paar ausgesuchten Designerstücken, aber da wo es hinpasst, ist so ein traditioneller Look schon wirklich schön. Meistens jedoch, hat man das Gefühl, dass die Inneneinrichtung ausschließlich zum Angucken gemacht ist. Hinsetzen verboten. Und schon gar nicht auf den malerisch abgenutzten Küchentisch kleckern. Das passt farblich nicht zum kunsthandwerklichen Töpfer-Teeservice.

Selten hat man jedoch mal das Glück, so ein Interieur "in echt" zu erleben. Man muss nur die richtigen Freunde haben. Da lob ich mir mal wieder die Iren. Die sind in dieser Hinsicht doch meistens sehr unkompliziert, und so durften wir vergangene Woche das wundervoll renovierte Farmhouse von unserem Freund S___ in Co. Armagh zum Urlauben beziehen.

Straight out of 'Country Living'
Angesichts so eines historischen Innenlebens macht es dann auch gar nichts aus, wenn es mit dem Internetzugang hier nicht klappt. Statt dessen gab es Sommerwetter mit milden 22 Grad und Sonnenschein satt. Da es auf der Farm nicht prätentiös zugeht, bauten wir uns schnell eine kleine Terrasse auf den Rücken des "drumlin" (so nennt man die charakteristischen, schmalen Hügel, die in Nordirland die Landschaft prägen), an dem die Farm liegt. In der Scheune der Farm gab es zahlreiche Industriepaletten, die einen perfekten Holzboden ergaben. Hier im Bild, sieht man sie gerade mal noch:

Country Living - macht Spaß. Freiheit für die Kinder, die im Schlafsack unter den Sternen übernachteten, und die Eltern, die ihren abendlichen G&T gepflegt auf der Terrasse einnahmen. So muss Sommer sein. Und wer glaubt, dass das eine Ausnahme ist und es in Irland immer nur regnet: Nein. Irland ist einfach unbeschreiblich schön und hat zahlreiche Sonnenstunden. Nur gelegentlich mal unterbrochen von einem schnellen Schauer. Eben nichts für Weicheier und Schönwetter-Cabriofahrer. Aber ein bisschen Zivilisations-resistent muss man schon sein. Ansonsten sollte man doch nur bei den bunten Bildchen in "Landlust" bleiben.

Samstag, 10. August 2013

Wandern mit den P___s

Sagte ich in meinem letzten Beitrag etwas von "ich weiß nicht, wann ich wieder posten werde"? So ein Unsinn. Wie konnte ich vergessen, dass ich eine irische Schwiegerfamilie habe. Und diese gibt immer wieder Gesprächsanlass. Erst recht, wenn man mehrere Tage mit (Teilen) dieser Familie unterwegs ist. Scheinbar habe ich in langjähriger Arbeit bei meinem gälischen Gatten die Auswüchse familiärer Exzentrizität bereits abgeschliffen. Im Zusammenspiel mit einem oder mehreren Familienangehörigen jedoch bricht dann das P___-Blut wieder voll aus ihm heraus. Es lebe der Kulturunterschied.
Aus der Serie "Wandern mit den P___s" hier Teil XY. Wir befanden uns auf einem Ausflug an einen der schönsten Fleckchen Irlands. Nach dem Lunch an einem wunderschönen Strand, bei dem wir Besuch von ein paar neugierigen Kühen erhielten, die sich in den Atlantikwellen offenbar abkühlen wollten, hatte der Urlaubsrat beschlossen, mit der gesamten Truppe nun den Giant's Causeway zu besichtigen. Wir waren sechs Erwachsene und acht Kinder im Alter vo 14 bis acht. Angesichts von Eintrittspreisen von acht Pfund für Erwachsene und fünf Pfund für Kinder, wollten wir die 80 Pfund lieber sparen. (In der Truppe wird Geld vorzugsweise in gutes Essen umgesetzt.) Schwager kannte die Gegend von einem kürzlichen Wochenendtrip und steuerte uns an einen Parkplatz, von dem ein Klippenweg von hinten an den Giant's Causeway heranführte. 
White Park Bay, Co. Antrim
 Das Eindringen ohne Bezahlen in irische Kulturstätten hat in der P___ -Familie Tradition. Das Argument dabei ist, dass die Kulturstätten schließlich allen gehören - und es eine Frechheit ist, dafür auch noch exorbitante Eintrittspreise abzugreifen. Das spricht den Geizhals in mir durchaus an. Insofern war ich auch gerne bereit, auf den Klippenweg zu gehen, um dezent in den Naturpark einzubrechen und mich daran zu freuen, die Eintrittspreise umgangen zu haben. Leider wurde uns der britische Hang, das Empire auch heute noch in Form von empirischen Maßeinheiten auszuleben, dabei zum Verhängnis. Wer weiß schon, wie lang 4,5 Meilen sind? Das wissen nicht mal die metrisierten Iren. Bei herrlichem Wetter liefen wir im Gänsemarsch am Klippenrand über dem Atlantik entlang. Über uns die Sonne, grüne Gräser zu Füßen, das azurblaue Wasser bis zum Horizont, wo uns Schottland herüberwinkte. Wunderschön.
Doch selbst der schönste Weg wird irgendwann zur Tortur, wenn das anvisierte Ziel partout nicht in die Nähe rücken will. Oder wenn man als Deutscher mit einem Pünktlichkeitsgen ausgestattet ist, das mit jeder fortrückenden Minute immer lauter darauf hinweist, dass der letzte Einlass in die Kulturstätte immer näher rückt. Und dass man den Weg, den man hingeht, auch zwangsweise wieder zum Auto zurückgehen muss.
Für Menschen aus dem P___-Genpool ist so etwas nur eine Nebensächlichkeit. Für mich dagegen sind solche den Gesetzen der Logik unterliegenden Tatsachen essentielle Planungseckpunkte. Ich gehe um 16 Uhr nicht auf einen Klippenweg ungenauer Weglänge, wenn ich weiß, dass um 17 Uhr am Zielpunkt dicht gemacht wird. Und wenn ich besagten Klippenweg auch wieder bis zum Parkplatz am Ausgangspunkt zurücklatschen muss. Dummerweise befinde ich mich bei meiner Schwiegerfamilie einfach in Unterzahl. Da bleibt meistens nur die gute Miene zum bösen Spiel - was für verwöhnte Einzelkinder, die mit einem gesunden Selbstbewusstsein ausgestattet sind die glauben, dass sie es besser wissen), nicht ganz einfach ist. Ich sollte mir für solche Fälle eine Beißschiene vom Zahnarzt machen lassen.
Eine Stunde nach Abmarsch lag wieder eine weitere Klippennase vor uns, von der wir alle geglaubt hatten, dass sie die letzte sei. Der Atlantik war mittlerweile nicht mehr Riviera-azurblau sondern langweilig bleigrau, die Sonne erwärmte nicht das Gemüt, sondern die Achselhöhlen, und die Möwen kreisten nicht, sondern sie kreischten... nervtötend. Wir beschlossen, uns von den nächsten uns entgegen kommenden Wanderern bestätigen zu lassen, dass der Causeway nur fünf Minuten entfernt sei. Pustekuchen. Eine weitere Stunde, informierte uns der freundliche Wanderer. Der gälische Gatte - die unguten Vibrationen aus dem teutonischen Seelengefäß spürend - beschloss, sich zu opfern. Er gehe jetzt zurück zum Auto, damit er die Gruppe später am Eingang zum Causeway treffen und nach und nach zum Parkplatz zurück kutschieren könne. Fröhlich-freundlich nahm der Rest der Familie das Angebot - noch nicht mal gebührend demütig - entgegen. Schließlich hatte mein Schwager den Mist verbockt. Eigentlich hätte er der Fairness halber zurück latschen müssen, zudem er den Causeway bereits gesehen hatte, der GäGa jedoch nicht. Ich war auch schon mal dagewesen. Vor 22 Jahren. Mit der archäologischen Gesellschaft des University College Dublin, im Jahr 1991. Gelegenheit, die negativen Vibes in voll ausgewachsenes Märtyrertum zu überführen. Schließlich konnte ich den GäGa ja nicht alleine über den Klippenrand stolpern lassen.
Rückwege sind ja immer kürzer als Hinwege, und nach knapp 45 Minuten waren wir dann auch wieder am Parkplatz angekommen. Ich mittlerweile mit der brastigsten Laune, die ich angesichts des strahlenden Tages und der gloriosen Landschaft heraufbeschwören konnte. Der Gatte schwang sich hinter den Volant, um die Mannschaft zurück zum Kraftfahrzeug Nummer 2 zu kutschieren. Ich blieb in der Picknickecke des Parkplatzes, um mich in meinem selbst gemachten Märtyrertum zu suhlen. Ganz ehrlich gesagt, war das ziemlich angenehm. Um die Picknicktische herum war ein gepflegter Grasteppich, auf dem ich mich in der Sonne ausstreckte. Und dann vertrieb ich mir die Zeit, in dem ich dem schokoladensamtigen Bariton meines Lieblingsschauspielers lauschte, wie er einen kitschigen Liebesroman aus dem 19. Jahrhundert mit köstlichem Akzentwechsel und reizenden Intonationsspielchen zum Leben erweckte. Meine Laune erholte sich schnell.
Ich habe an dem Tag den Giant's Causeway allerdings nicht mehr gesehen. Vielleicht hätte der GäGa mich nicht wieder abholen sollen, denn die Laune sank schlagartig wieder in den Keller, als mir klar wurde, dass er eine Stunde später alleine zurückgekommen war, um mich aufzusammeln, während die Gruppe im plüschigen Causeway Hotel saß und sich an Scones und Tee labte. Ich fand es, gelinde gesagt, ein wenig rücksichtslos, Zeit zu vertrödeln, während andere Leute den fahrbaren Untersatz heranführen. Aber so ist das mit der Unkompliziertheit meiner irischen Familie - wer freiwillig zurück geht, muss nicht damit rechnen, dafür auch noch gelobt zu werden. Undankbarkeit ist der P___s Lohn. Ob ich mich daran noch gewöhnen werde, weiß ich nicht, schließlich habe ich schon 15 Jahre davon hinter mir und ärgere mich nach wie vor über die Regelübertretungen, die bei den P___s als Sport betrieben werden. Man kommt halt nicht aus seiner deutschen Haut heraus.
Der Klippenweg war übrigens 4,8 Meilen lang. Das sind 7,7 Kilometer.

Mittwoch, 31. Juli 2013

Ende

Und zurück. Unter grauem Himmel. Bei Regen. Irland eben. Normalerweise vermisse ich D'land ja gar nicht so, aber dieses Mal... *seufz* Es war einfach zu schön. Die zwei Wochen Urlaub war reich gefüllt mit allem, was das Ex-Pat-Herz begehrt. Besuch bei Freunden, langes Ausschlafen, herrliches Wetter, Biergartenbesuche, interessante Neubegegnungen, Wiederanknüpfen alter Freundschaften, "Mädchensalat" (gebratene Hühnerbrustsstreifen auf gemischtem Salat), Nostalgie am alten Studienort, Quality Time mit den Kindern, neue Eindrücke in neuen Städten, Bahnfahrten mit Überraschungseffekten, Weinschorle, Erdnussflips, Papa und Mama, Einkaufen gehen, Fotoausstellungen, 39° Grad Celsius, lange Nächte, Frühstück im Freien, Sonne, Schwimmen im Fluss, stundenlange Café-Sitzungen, Kultur... So eine Liste lässt sich beliebig lang fortsetzen. 

Nein, ich vermisse Deutschland in meinem täglichen Leben im Ausland nicht wirklich. Ich bin glücklich, wo ich bin, hab mir ja auch schließlich die regnerische kleine Insel am Westrand Europas selber ausgesucht. Aber widersinnigerweise hat Irland mir Deutschland in der Distanz auch näher gebracht. Ich fahre gerne nach Hause. Und ich brauche die regelmäßige Reise nach Deutschland, um mich einerseits meiner eigenen Identität, andererseits aber auch meiner Entscheidung zu vergewissern, dass ich mit dem Wahl meines Lebensmittelpunktes die richtige Entscheidung getroffen habe. Ich vermisse Familie und Freunde heftig. Und wünsche mir oft, dass wir deutschen Sommer, deutsches Bier und deutsche Biergärten auch in Irland hätten. Das wird mir mit jedem Besuch aufs Neue bewusst. Aber gleichzeitig wächst auch die Sicherheit, dass sich eigentlich nichts verändert hat. Auch wenn ich im Ausland lebe - die Vertrautheit bleibt. Im Kleinen mit Familie und Freunden, aber auch im Großen, mit meinem Heimatland an sich. Die Details wechseln, doch die grobe Richtung bleibt. Deutschland bleibt Deutschland, und Sonja bleibt Sonja.

Was hier ein wenig sentimental klingt, hat einen guten Grund. Die Westrandbemerkungen werden sich in nächster Zeit wahrscheinlich ein bisschen ändern. Es haben sich ein paar blog-bezogene Änderungen ergeben, die darauf hinauslaufen werden, dass ich vermutlich weniger regelmäßig und möglicherweise auch thematisch etwas breiter bloggen werde. Das deutsche Ex-Pat-Leben in Irland habe ich die vergangenen drei Jahre intensivst beobachtet. Zeit, die Unterschiede in den Hintergrund zu stellen, und einfach nur den Moment zu genießen. Wie das genau aussehen wird, weiß ich selber noch nicht - etwas persönlicher, mehr Fotografie, mehr Bastelei? Das sind die Themen meiner beiden englischsprachigen Blogs, die ich hier bisher nicht so intensiv verfolgt habe. Neuorientierung. Lassen wir es einfach mal auf uns zukommen. Bis bald.

Montag, 29. Juli 2013

Eloge auf den Biergarten

Oh Schattenplatz der Götter, geboren in Schaumkronen zu Füßen der Göttermutter Hera. Am Hain des Olymp möcht ich sein, wo die sanften Wogen der Geselligkeit auf den Schwingen göttlichen Hopfensafts den Durst stillen. Der Hauch der Götter spricht unter deinem Kastaniendach, die grausamen Finger von Helios klammernd und Nyx, die Hüterin der Nacht, herbeischwörend.




Lab mich, du Hort des Glückes, mit Zärtlichkeit und Hingebung, auf dem wolkensüßen Triclinium. Besänftige meinen Gluteus maximus mit haingeborener Festigkeit. Für immer in Dankbarkeit ergeben, wenn Tarsus und Metatarsus erschöpft der Ruhe begehren. Oh süße, süße Schwere, ankere mich zwischen Himmel und Erde.




Liebe meine Kehle mit orgiastischem Prickeln deiner Kühle und Frische. Wie das filigrane Perlengeflecht der Gestade, aufgewühlt von Neptuns Zorn, benetze meine Lippen mit Gerstenschaum, die Ahnung des Genusses schon im Odem erfühlend, bevor die bittere Süße deine Zunge liebkost.

Zwei, drei, vier Kelche deines Saftes, oh, göttlicher Garten, ein Bissen deines meergewürzten Zungenschmeichlers, gewunden wie verschlungene Herzen, und das Himmelsgewölbe senkt sich auf mich. Oh Biergarten, der Himmel auf Erden...

Mittwoch, 24. Juli 2013

Deutsche Bahn Odyssee

Und wo wir schon beim Meckern sind: Die Deutsche Bahn AG ist auch nicht mehr, was sie mal war. Ich fühle mich hier schon fast bemüßigt, Warnungen an ausländische Touristen auszugeben, was die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel angeht - von wegen Deutschland ist pünktlich. Beispielhaft mal hier eine kleine Odyssee, mitten aus dem Leben gegriffen.
Nun ist die Strecke Würzburg-Ulm ohnehin nicht gerade eine ideale Fahrtstrecke: Obwohl die beiden Städte gar nicht mal so extrem weit voneinander entfernt sind (etwa 155 Kilometer), ist die Fahrt von WÜ nach Ulm eine mittlere Weltreise. Drei Stunden Fahrt sind dafür zu veranschlagen. Unsere Freunde, die Ulm als Treffpunkt in der Mitte zwischen Würzburg und dem Bodensee (wo sie sich aufhielten) vorgeschlagen hatten, hatten keine Ahnung, dass wir ein Mittelgebirge umfahren und drei Stunden Bahnfahrt auf uns nehmen mussten, um zum Treffpunkt zu kommen. Aber für gute Freunde, die selber auch nur kurzzeitig im Lande sind, macht man ja alles, und so bestiegen T___ und ich gestern morgen um halb 10 den Regionalexpress von Würzburg nach Stuttgart, um dort dann in einen EC nach Ulm umzusteigen. Landschaftlich schön ist sie ja, die Strecke nach Südwesten von WÜ aus. Aber man hält auch an jeder Gießkanne - Möckmühl, Osterburken, Bietigheim-Bissingen... und sammelt so schon mal zehn Minuten Verspätung an.
Umsteigezeit in Stuttgart: 12 Minuten. Na toll. Ich sag die Felle ja eigentlich schon den Neckar runterschwimmen, aber Glück im Unglück - der Abschlusszug hatte ebenfalls fünf Minuten Verspätung, und so fanden wir dann auch einen Platz im EC. Dieser allerdings war von der Deutschen Bahn AG als Sonderangebot an seine Kunden als Sauna umgerüstet worden. Jedenfalls funktionierte die Klimaanlage ausgerechnet in unserem Waggon schon mal nicht, und wie schwitzten leise vor uns hin. Bei 33 Grad Außentemperatur kein Spaß! Immerhin informierte uns aber ein Mitreisender, dass er die Telefonnummer von Dr. Grubes Vorzimmerdame in seinem Handy habe und sich dort umgehend beschweren werde. Danke vielmals.
In Ulm verbrachten wir einen tollen Tag mit unseren Freunden, und jeder einzelne Schweißtropfen der Hinfahrt lohnte sich. Um 18.30 Uhr hieß es Abschiednehmen. T___ und ich bestiegen eine weitere Regionalbahn und wandten uns spaßeshaber diesesmal in die entgegengesetzte Richtung, um über Donauwörth nach Würzburg zu fahren. In Donauwörth wollten wir umsteigen in den ICE nach WÜ. Doch als wir um halb 8 dort ankamen, war der ICE bereits ausgefallen. Toll. Stattdessen setzten wir uns in den nächsten Zug, der vorbei kam - ein Regionalexpress nach Nürnberg. Spitze: Einer von diesen Pendelzügen, die sich dezent in die Kurve legen. Schiffsschaukel-ähnliche Effekte für nicht-seefeste Passagiere *schluck*.
Nürnberg um halb 9 Uhr abends hat im Einkaufsparadies des Bahnhofs noch zahlreiche Angebote offen. Darunter allerdings kein WC. Die halbstündige Wartezeit auf den Anschlusszug verbrachten wir mit zusammengekniffenen Beinen. Für die letzte Etappe wollten wir uns nun noch den ICE gönnen, um innerhalb von 45 Minuten nach WÜ zu sausen. Doch dann kam die schon fast erwartete Ansage, dass der ICE 15 Minuten Verspätung habe. Auf Grund technischer Probleme am Zug. Auch wenn der gleichzeitig planmäßig abfahrende Regionalexpress zwanzig Minuten länger brauchen würde: T___ und ich hatten die Faxen dicke. Nicht, dass der ICE auf halber Strecke liegen blieb und wir in Markt Bibart in einen Bus umsteigen müssen. Da schien der RE dann doch eine sicherere Sache zu sein.
Er hat uns dann tatsächlich verlässlich nach WÜ gebracht. Nicht, allerdings, ohne noch auf halber Strecke vom ICE überholt zu werden. Hmph. Um 22.30 Uhr erreichten wir endlich Würzburg. Unsere Abholer waren bereits in heller Aufregung, wo wir bloß verblieben waren... Fazit: sieben Stunden auf Schienen, fünfeinhalb Stunden in Ulm. Weltreise.
PS: Ich hätte mir mal doch die Nummer von Dr. Grube geben lassen sollen...

Samstag, 20. Juli 2013

Schietwetter

6 Uhr. Der Wecker klingelt, damit ich mich an meine Frühschicht setze. Auch im Urlaub ist frau dienstlich eingebunden. Bei früher Stunde allerdings kein Problem - Kinder schlafen noch. Erste Tasse Tee zum Aufwachen. Auf dem Balkon sind lauschige 25° Celsius. Nur dort funktioniert das Wlan, aber während im Walnussbaum gegenüber die Spatzen lärmen, flutschen die Morgenartikel nur so aus der Tastatur. So könnt's bleiben.
8 Uhr. Frühstück im Halbdunkel. Die Jalousien stehen auf Tiefstand, um die Morgensonne auszuschließen. Ledersofas und Plüschkissen sind im Hochsommer Klima-inkompatibel. Der Heißtee wird innerhalb von Minuten in Schweiß umformatiert. Aber noch sind wir erfrischt von der Kühle des Morgens. Es passt.
10.30 Uhr. Spazierfahrt zum Ausflugsziel. Keine weiteren Vorkommnisse.
11 Uhr Ankunft. Wir steigen aus dem klimatisierten Personenkraftfahrzeug direkt in eine feucht-warme Wand. Momentane Atemnot bei 28,5° Celsius. Spontaner Schweißangriff über Flanke und Schulter. Ortsbesichtigung kann nur im extremen Schlenderschritt vorgenommen werden, unter erschwerten Bedingungen auf Grund kiloschwerer Fototasche, deren Schulterpolster zu verstärkter Schweißbildung am linken unteren Hals führt.
13 Uhr. Nach 20-minütiger Gastronomie-Begutachtung - was gibt die Karte her, gibt es auch einheimische Spezialitäten, ist die Bestuhlung durch Kissenauflage atmungsfreundlich für das Gesäß, gibt es natürlichen Schatten - Entscheidung für ein Restaurant mit "Plattenschatz". Die anwesenden Damen bestellen das Mädchengericht (Salat mit gegrillten Hühnerbruststreifen). Verdauungszigarette entfällt angesichts stehender Hitze am Tisch. Ich hasse die Zeitumstellung!
15 Uhr. Zuflucht im Warenhaus beziehungsweise Supermarkt des Vertrauens. Einkaufs-resistente Kinder und Männer werden im gemütlichen Kassenbereich im allgegenwärtigen Bäckerei-Café abgestellt. Der beste Platz für Frauen ist an der Theke... Kühltheke. Das Tiefkühlsortiment war noch nie so interessant wie heute. Um nicht den Argwohn des Marktleiters zu erregen, verlegen wir nach 20 Minuten unseren Aufenthaltsort ans Joghurtregal. Schade, dass es keine Probierstände gibt. Bedauerlicherweise muss aber auch hier spätestens nach 10 Minuten der Aktionsradius verlegt werden, bevor die Restfamilie uns über die Supermarktnachrichten ausrufen lassen ("Der 14-jährige C___, seine kleine Schwester und der 71-jährige Opa möchten gerne aus dem Kassenbereich abgeholt werden.")
17 Uhr. Wir danken dem Herrgott für die Erfindung der Autoklimaanlage und fahren die Ferienwohnung über kilometerlange Umwege an. Im Fonds gart das Fleisch auf besonders schonende Art und Weise. Der kurze Weg von Auto zur Haustür macht die Abkühlung innerhalb von 20 Sekunden zunichte. Die Verdunkelungsstrategie in der Ferienwohnung ist jedoch aufgegangen und der Aufenthalt erträglich.
19 Uhr. Nach leicht verdaulichem Abendessen Autofahrt zur Badestelle am Main. Die badenden Familien haben eingepackt, nur noch vereinzelte Schäufelchen und besitzerlose Frotteetücher bevölkern den nicht-vorhandenen Strand. Weder schlammiger Untergrund noch argwohnerregende Abflussrohre können uns davon abhalten, den Strom zu betreten. Das fließende Gewässer ist auch am Rand erfrischend kühl.
20 Uhr. Die Badezeit ist viel zu kurz. Rückfahrt.
21 Uhr. Zum ersten Mal sehen wir in der Ferienwohnung Tageslicht. Angesichts Salzkristalllampe und Blümchentapete machen wir die Schotten aber schnell wieder dicht. Ausklang des Abends bei Weinschorle auf dem Balkon.
23 Uhr. Zeit zum abschließenden Internetrundgang, dank Laptop im Bett. Bei offener Balkontür aber heruntergelassenen Jalousien zur Mückenabwehr. Endlich gemütliches Surfen, um sich über den neuesten Stand der einschlägigen Fanfiction zu informieren.
23.05 Uhr. Tochter klagt über stehende Hitze im Kinderzimmer und zieht in Mutters Doppelbett ein. Laptop aus. Wahrscheinlich besser so, angesichts heißer Fanfiction. Gute Nacht.

Donnerstag, 18. Juli 2013

Wlan-Wüste Deutschland

Ganz ehrlich: Ich bin entsetzt. Deutschland, High-Tech-Land? Das war wohl mal. Jedenfalls sind wir beim mobilen Internet offenbar nicht gerade an vorderster Front zu finden!
Hier befinde ich mich in meinem Sommerurlaub in D'land. Nun ist meine Heimat aus Studentenzeiten, das Frankenland um die Mainmetropole Würzburg herum, ohnehin nicht gerade das Technologiezentrum Deutschlands. Hier geht es noch gemütlich zu - die kleinen Weindörfer um Würzburg herum haben sich in meiner Abwesenheit nicht wesentlich verändert. Da brummen die Trecker und der Main fließt gemächlich vor sich hin. Und dass eine Ferienwohnung in den Weinbergen kein Wlan hat - nun gut, damit kann ich leben. Wer ist schon so verrückt, während der Ferien zu arbeiten *hüstel*. Ein Internetstick tat da ja auch Abhilfe, auch wenn der offenbar große Mühe hatte und die Dachbalken nicht mit seiner Funkstrahlung durchdringen konnte. Welch ein Glück, dass ein großer Balkon an der Wohnung dranhing. Und das Wetter schon morgens mmit angenehmen 25 Grad das Arbeiten in meiner gewöhhnlichen Arbeitsuniform (Nachthemd) möglich machte.
Was mich aber wirklich erstaunt hat, ist das Fehlen von öffentlichen Wlan-Einwahlpunkten. Ich hatte mich schon so gefreut, nach Ankunft am Frankfurter Flughafen direkt in den ICE einsteigen und mal gleich via Facebook die gesammelte Freundschaftsblase minutiös dank Hotspot über die Fahrtereignisse informieren zu können. Nichts da. Klar, im ICE gibt es Hotspots. Aber nur für Telekom-Kunden. Hallo, Herr Dr. Grube: Selbst so ein kleines Land in Randlage wie Irland hat in den national verkehrenden Zügen öffentliches, kostenloses Wlan! Das ist ja wohl heutzutage selbstverständlich!
Nun ja, wenn nicht im Zug, dann vielleicht im nächsten Café, dachte sich Sonja. Nix da! Auch hier zwar Hotspots, aber entweder kein Anschluss für Nicht-Telekommer, oder mal gleich kostenpflichtig. Hat die Deutsche Telekom hier ein Monopol, oder was? Ich war ja schon so weit, mir zähneknirschend den Zugang zu kaufen - doch schlauerweise kann man den nicht per einmaligem Umsonstzugang vor Ort erstehen. Ganz schlau, liebe Telekom, ganz schlau!
Wirklich, Deutschland ist eine Wlan-Wüste. Das muss hier mal in aller Deutlichkeit gesagt werden. Ich bin zutiefst enttäuscht. Im heimischen Irland, das erst wesentlich später als Deutschland überhaupt Breitband-Internet bekommen hat, sind kostenlose Hotspots gang und gäbe. Jedes Café, das etwas auf sich hält, bietet den Zugang zum Internet. Die Dubliner Fußgängerzone Grafton Street ist sogar bereits lückenlos und flächendeckend mit öffentlichem Wlan bestrahlt. Mal ehrlich - wenn die das können, dann kann D'land sowas doch auch!
Oder will D'land nicht? Vermutlich liegt genau da der Hase im Pfeffer oder das Internet in der Wüste: In Deutschland mit seinem extremen Datenschutzbewusstsein schrillen sofort die Alarmglocken, wenn es darum geht, sein Internet mit anderen Leuten zu teilen. Was da alles für Geheimnisse weiterverbreitet werden können... Nein, nein, ich will das nicht veräppeln. Ein gesundes Misstrauen technischen Neuerungen gegenüber ist durchaus gut. Ich denke hier aber vor allem gerade an Touristen, derer Deutschland durchaus eine ganze Menge hat. Und erfahrungsgemäß möchte man auf Reisen mal schnell ein Foto vom Ulmer Münster machen und das dann frisch gepresst auf Facebook der Welt mitteilen. Ohne kostenloses Wlan unmöglich - es sei denn, man legt sich eine deutsche Sim-Karte zu. Vermutlich sollte ich letzteres wirklich mal machen. Dumm, dass ich nur gar nicht weiß, wo in meinem iPhone diese Karte reingesteckt wird...

Montag, 15. Juli 2013

Oh Ireland in the Sun...

wie traurig, dass ich dich verlassen muss, ausgerechnet jetzt. Morgen geht es in den bereits totgeschriebenen Urlaub ins Vaterland. Dabei ist Irland immer noch in der Schönwetterphase, das darf man eigentlich nicht verpassen. Immerhin soll es ja in D'land auch schön werden, wie mir die Wettervorhersage bereits gestern abend verraten hat:



Na, das ist ja dann schon mal etwas. Aber ob es an meine letzten paar Tage herankommt? Vermutlich allein schon deswegen nicht, weil ich im Urlaub nicht meinen eigenen Stiefel fahren kann wie in meiner Strohwitwenzeit seit vergangenen Mittwoch. Oh, du herrliche Ungestörtheit. Ich hatte wunderbare Gelegenheit, mich ganz meinen heimlichen Vergnügen hinzugeben. Zum Beispiel: Nicht ein einziges Mal zu kochen, sondern mich ausschließlich von Bananen und Reese's Peanut Butter Cups zu ernähren. Meine Küche spontan in eine Disco umzufunktionieren, stundenlang dasselbe Album auf voller Lautstärke durchknallen (Daft Punk: Random Access Memories), dazu die Hüften mal zu entstauben und vigoros zu tanzen. Wer bei "Get Lucky" nicht mitmacht, ist entweder taub oder völlig steif...


Late Nights sind mein größtes Laster, wenn ich alleine bin. Der Spaß hörte heute morgen auf, als ich wieder um 6.15 Uhr aufstehen musste, aber gestern abend wurde nochmal bis in die Puppen durchgemacht, denn mein Movie-Boyfriend wartete schon seit London im vergangenen Dezember auf mich - meine 3 Pfund-Robin Hood-DVD wollte auch endlich mal in den Player eingelegt werden. Das geht am Besten, wenn der Gälische Gatte nicht mit eifersüchtigen Argusaugen über meine Schulter guckt. Guy... ich eile, ich komme, ich fliege, darling-knight...

Und so verabschiede ich mich dann mal in den Urlaub. Morgen geht's los. Wenn alles klappt, könnt ihr mich dann aber live lesen, denn ich werde den Laptop einpacken und direkt von der Quelle berichten. Würzburg - zwischen Hängen und Würgen, eh, Bergen. Grrrrrrrrrrüß Gott!


Montag, 8. Juli 2013

Copa Cavana

Wisst ihr, was das Beste an Freunden ist? Ihre Ferienhäuser. Ha! Ok, das ist jetzt ein bisschen oberflächlich gedacht, und ich mochte meinen adoptierten Zwillingsbruder A___ schon bevor er sich ein Ferienhäuschen an der Grenze zu Nordirland gekauft hat. Aber seitdem er mich und unsere gemeinsamen Freunde B___ und J___ am vergangenen Wochenende mit in sein Feriendomizil genommen habe, mag ich ihn noch ein kleeeeeeeines bisschen mehr...

Eigentlich war Sinn und Zweck des Wochenendtrips ein gemütliches Beisammensein von vier Fotografen. Und das Einweihen des neuen Außen-Whirlpools in A___'s Ferienhaus. Materialistisch? Ich? Iwo! Luxusweib? Hm, schon eher. Man könnte auf den Geschmack kommen, muss ich sagen. So ein Jacuzzi ist schon eine feine Sache. Gläschen Wein auf dem Wannenrand, über uns die Sterne. Nur die Stille im ländlichen County Cavan um uns herum. Und das Surren der Jacuzzi-Pumpe. Idyllisch. Mit Assoziationen an Traktorballett angesichts des Pumpenmotors. Ahem.

Hobbiton lässt grüßen - Landschaft bei Marble Arch Caves, Nordirland
Copa Cavana
Spaß beiseite. Co. Cavan stellte sich für uns von seiner schönsten Seite dar. Den County hatte ich bisher eher links liegen gelassen, obwohl ich vor hundert Jahren schon einmal auf einem Tagesausflug dort herumgetobt war. Für Meeresfans ist Cavan eben nicht auf dem Plan: Der County ist vollständig innenländig gelegen und hat keinen Zugang zur Küste. Dafür hat Cavan aber Stille, Ruhe, rollende Hügel, grüne Felder und ist seengesprenkelt. An seiner Nordgrenze stößt der County an Nordirland und das herrliche Seengebiet um Lough Erne.


Wie gut, dass wir sowieso unsere Badehosen eingepackt hatten (siehe Whirlpool) - denn Cavan überraschte uns mit einer Hitzewelle, die einen Ausflug zum Strand unumgänglich machte. Nur ein paar Meilen down the road, bereits in Nordirland gelegen, fanden wir Knockninny Beach. Sonnenschutzfaktor 30 war bitter nötig - kaum zu glauben, dass man so etwas in Irland erleben kann. Ja, selbst zynische, alte Irlandkenner wie ich sind überrascht. Und auch wieder nicht. Irland im Sonnenschein ist paradiesisch schön. Da brauche ich keine Karibik.



Nach ausgiebigem Sonnenbad (kein Sonnenbrand - Sonja war vorsichtig) gab es dann noch eine quintessentiell-englische Erfrischung im gleich benachbarten Knockninny Country House. Pimm's - einen herrlicheren Sommerdrink gibt es gar nicht: Pimm's ist ein gin-basierter Likör, den man mit Zitronenlimonade (oder Ginger Ale) mixt. Dazu kommen Eiswürfel und in mundgerechte Stücke geschnittene Früchte - Erdbeeren, Äpfel, Zitronen und Gurke. Wer's mal in einem deutschen Alkoholitäten-Spezial-Shop entdeckt: Mitnehmen und bei der nächsten Hitzewelle anrühren. Sommerhit verdächtig.

Apropos Sommerhit - ich verlasse euch nun mit dem Sommerhit der Copa Cavana:


At the copa (CO!) Copa Cavana (Copa Cavana)
The hottest spot north of Ath Cliath (here)
At the Copa (CO!) Copa Cavana
Music and passion were always in fashion
At the copa.... they fell in love

Irish summer - love it.


Donnerstag, 4. Juli 2013

Zwangsverpflichtung

Wisst ihr, was das Ätzendste an so einem binationalen Ex-Pat-Dasein ist? Die Zwangsverpflichtung, in den Jahresferien auf jeden Fall in die Heimat zu reisen. Grrrrrr, ich kann gar nicht ausdrücken, wie sehr mich das nervt. Nun bin ich zwar in der dankbaren Situation, keine Festanstellung zu besitzen, sondern als Freiberufler theoretisch ohne Rücksicht auf Kollegen meine Ferien zu nehmen, wann ich will. Doch wer freiberuflich arbeitet, verdient auch nur dann, wenn er arbeitet. Das macht die Ferien dann auch nicht länger als bei Angestellten...


Ich bin schon immer gerne gereist. Fernweh - so ein schönes deutsches Wort, wofür es keine griffige Übersetzung ins Englische gibt. (Was sagt das über die anglophone Welt aus? Und was über die deutschsprachige?) So viel zu sehen in der Welt. Und Sonja muss jedes Jahr wochenlang nach D'land fahren. Hmph! Als ob ich mein Heimatland nicht gut genug kennen würde? Immerhin habe ich da die längste Zeit meines Lebens verbracht, knapp doppelt so lang wie meine Zeit im Ausland.

Ich will was anderes sehen. Ich möchte mit der Transsib durch Asien gondeln. Möchte in Malaysia meine angeheiratete Verwandtschaft besuchen. In meinem ursprünglichen Traumland Neuseeland (bevor Irland den Top-Spot auf meiner Traumlandliste einnahm) Nord- und Südinsel erkunden. Und kopfüber in Australien hängen. Stattdessen dieses Jahr (Alp)Traumurlaub in... wait for it... Würzburg!

Ich weiß, ich weiß, so schön kann D'land sein...
Hör auf zu mosern und plan halt einen anderen Urlaub, Sonja. Ich höre meine Leser förmlich schnaufen. Wenn es so einfach wäre. Mit Fremdbestimmung haben meine Urlaubspläne wenig zu tun. Denn so sehr ich auch nach anderen Reiseerlebnissen dürste, ich bin mir bewusst, dass ich meiner deutsch-irischen Mischlingskinder zuliebe nach  Deutschland reisen muss. Schließlich darf die deutsche Hälfte ihrer Identität nicht vernachlässigt werden. Alles Landeskunde. Und so schließe ich dann jedes Jahr aufs Neue Frieden mit meiner germanozentrischen Urlaubsplanung. Und zähle die Jahre. Noch sechs bis zur Volljährigkeit der Jüngsten. Ab dann ist die Germanifizierung entweder abgeschlossen oder wird in die Eigenverantwortlichkeit der Nachkommen übergeben. Noch sechs Sommerurlaube, mindestens dreimal Weihnachten und geschätzte sechs Zwischendurch-Besuche anlässlich von Familienfestivitäten. Und dann freie Urlaubsbuchung. Yessss. *fistpump*

Vermutlich werde ich ab 2019 religiös jedes Jahr weiterhin nach D'land fahren. Denn wenn man erstmal nicht mehr "muss", wird's erst richtig spaßig. Stellt schon mal die Betten bereit und macht die Gästezimmer fertig. Ich freu mich auf Deutschland.

Sonntag, 30. Juni 2013

No Hate

Gelegentlich merkt man in seiner eigenen Durchschnittlichkeit - mittleres Alter, Mittelklasse, zwei Kinder - gar nicht mehr, dass es durchaus noch Kampagnen gibt, hinter die man sich klemmen muss. Und das, auch wenn man selbst gar nicht "betroffen" ist. Aber in was für einer Welt leben wir, dass essentielle Rechte einem Teil der Bevölkerung nicht gewährt werden? Wie zum Beispiel das Recht, in einer gleichgeschlechtlichen Ehe zu leben. Irland ist, wie viele andere Länder der Welt, immer noch nicht an dem Punkt angekommen, an dem Homosexuelle und Heterosexuelle komplett gleichgestellt sind.

Ich bin lange genug in Irland, um mich gar noch an das Jahr zu erinnern, in dem Homosexualität dekriminalisiert wurde - das war erst 1993 der Fall. Seit dem ist man einen langen Weg gekommen, und seit 2010 ist auch die eingetragene Lebensgemeinschaft für Homosexuelle in Irland möglich. Doch leider ist das nicht wirklich dasselbe wie eine Ehe - Kindern einer homosexuellen Partnerschaft wird beispielsweise nur eine rechtliche Verwandtschaft mit ihrem biologischen Elternteil zugestanden. Die staatlichen Unterstützungen, die Ehepartnern gewährt werden, werden den Partnern einer homosexuellen Lebensgemeinschaft nicht gegeben. Und allein die Wortwahl, mit der man bei einer heterosexuellen Ehe von einem "Familienheim" (family home) spricht, während es bei einer eingetragenen Lebensgemeinschaft "gemeinsam genutztes Haus" (shared home) heißt, spricht Bände.
Dabei ist die irische Bevölkerung mit großer Mehrheit für die komplette Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften: 73 Prozent der Iren sind dafür, die gleichgeschlechtliche Ehe innerhalb der irischen Konstitution genauso zu verankern, wie die herkömmliche Ehe (aktuelle Statistik von 2013).

Anlässlich des Gay Pride-Umzugs wurde gestern ausgiebig auf den Dubliner Straßen demonstriert und gefeiert. Ich war dieses Jahr nicht dabei. Dafür habe ich heute meine Pflicht und Schuldigkeit getan und mich mit meinem Gesicht meiner Visage einer öffentlichen, weltweiten Kampagne angeschlossen. Unter dem Motto NOH8 - No Hate - Kein Hass fotografiert der US-amerikanische Fotograf Adam Bouska Prominente und Normalsterbliche für sein kontinuierliches Fotoprojekt. Die Porträts sind in ihrer Gleichförmigkeit aussagekräftig genug: Die "Modelle" tragen alle ein weißes Oberteil. Auf einer Wage haben sie das einprägsame NOH8 Logo als Tattoo, während ihr Mund mit einem breiten, silbernen Klebeband geknebelt ist.

Der Shoot war kurz und schmerzlos. Vor einem weißen Hintergrund gestellt, knipste Bouska in schneller Folge zackzackzack zehn bis zwanzig Porträts von mir in verschiedenen Posen. Mal mit Hand kokett an der Sekretärinnenbrille, mal mit japanischer "Smile" Handgeste, mal gekreuzten Fingern vorm verklebten Mund. Ein nachbearbeitetes Bild wird jedem Teilnehmer später zur Verfügung gestellt. Ich bin gespannt, was dabei herausgekommen ist. Ein Spaß war es auf jeden Fall, allein um schon einmal hinter die Kulissen eines solchen offenen Shoots zu schauen. Ich kann mich jedenfalls jetzt in guter Gesellschaft wähnen - zu den prominenten Modellen der NOH8-Kampagne gehören unter anderem auch Original-Raumschiff Enterprise-Schauspieler George Takei, US-Talk-Legende Larry King und Weltstar Liza Minelli. Und David Hasselhoff. Ahem.


Freitag, 28. Juni 2013

Selbstversuch

Ich könnte hier jetzt rumeiern und irgendeinen vagen Zusammenhang zwischen meinem heutigen Thema und der Tatsache, dass ich in Irland lebe, aus der Luft greifen. Tatsächlich ist es aber so, dass ich mir unbedingt schriftlich Luft machen muss - und dokumentieren, was ich die letzten sechs Tage getrieben habe. My blog - my castle, eigentlich sind die thematischen Auflagen ohnehin nur meinem eigenen Wunsch zum Austesten meiner Disziplin entsprungen. Aber gut, wenn es denn einen deutsch-irischen Unterton zu meinem Beitrag geben sollte, dann vielleicht den, dass ich mich als Deutsche gelegentlich mehr oder weniger gern der Eigendisziplin unterwerfe - denn disziplinarisch können uns die Iren nicht das Wasser reichen.

Anlass meiner Disziplinprobe war die Undiszipliniertheit des Winters und Frühlings. Ich hatte mir einige Pfunde angefressen. Die sollen runter. Doch trotz bester Vorsätze funktionierte meine übliche Geheimwaffe - WW in Kombination mit Bewegung - in diesem Jahr gar nicht. Das lag nicht an WW, sondern ausschließlich an mir. Irgendwie klappte es nicht, ich war zu faul, Diättagebuch zu führen, und aß regelmäßig mehr als das Programm vorsah. Mehrere Wochenendausflüge machten zudem alle Diätpläne zunichte - ich bestelle in einem Restaurant äußerst ungerne Salat.

Drastische Mittel waren gefragt. Und so entschloss ich mich spontan Anfang vergangener Woche, einmal eine dieser umstrittenen Radikalkuren auszuprobieren. Rational weiß ich selber, dass es ausgesprochen ungesund ist, sich mit Pillen und Pulver Speck abzuhungern. Für eine langfristige Gewichtsabnahme muss man sein Essverhalten grundsätzlich umstellen und die Ernährung ausgeglichen anpassen. Da letzteres aber bisher nicht geklappt hatte, dachte ich, dass es vielleicht einfacher sei, Essen mit Diätpulver zu ersetzen. Immerhin sind dabei die Portionen klar vorgegeben, und man weiß, was man essen darf: nämlich nichts anderes. Ich brauchte einfach ein klares Konzept, dass mir keine Wahl ließ und mich stattdessen ganz klar in die Pflicht und an die Hand nahm.

Der tägliche Shake. Sechsmal täglich. Würg.
Mein Diätprodukt kam in der Post, nachdem ich horrendes Geld dafür bezahlt hatte. Der Plan sah vor, alle Mahlzeiten des Tages mit Diät-Shakes bzw. -Suppen zu ersetzen. Also sechs Diät-Getränke mit insgesamt 700 Kalorien pro Tag. Dazu Wasser, Tee (ohne Milch!) oder Diätgetränke. Meine Güte! Was habe ich für einen Hunger gehabt! Jeden Tag. Fast die ganze Zeit. Der Tag erschien mir länger als je zuvor - wie sollte ich nur die Stunden zwischen den Mahlzeiten füllen? Es war mir so, als würde ich an nichts anderes mehr denken als an Essen. Leider war das Diätprodukt geschmacklich auch nicht unbedingt so, wie ich gehofft hatte. Als größtes Problem erwies sich, dass ich fast ausschließlich "Süßes" zu mir nahm - 5 Erdbeershakes pro Tag, in Ermangelung von meinem geliebten Tee mit Milch dann ergänzt durch Apfeltee und Cola Light. Schon nach einem Vormittag hing mir der Süßgeschmack gründlich zum Halse raus. Grauenhaft, zudem ich an sich sowieso eher ein herzhafter Nascher bin. Chips und Co. sind mein Niedergang...

Doch wo der Magen aufhört, fängt der Wille an. Ich war wild entschlossen, meinen Willen durchzusetzen. Dass mein Körper sich gegen meinen Kopf durchsetzt, kann bei einer zerebral-bestimmten Person wie mir schon mal gar nicht angehen. Mit Todesverachtung hielt ich mich an die Anweisungen. Als kleines masochistisches I-Tüpfelchen übernahm ich auch weiterhin den Kochdienst für die Familie, denen ich das Abendessen allerdings unabgeschmeckt servieren musste. Sogar Kuchen habe ich gebacken, ohne ein Stück davon zu probieren. Und bei einem Empfang schaute ich grimmig - aber auch irgendwie selbstgefällig - zu, wie meine Freunde die unglaublich lecker aussehenden Häppchen wegfutterten und den kostenlos ausgeschenkten Wein schluckten, während ich selber lediglich ein Glas Mineralwasser trank. Autsch.

Mein erstes Toast. Wie sentimental!
Es hat letztendlich geklappt. Nach sechs Tagen Diät habe ich heute morgen erstmals wieder feste Nahrung zu mir genommen. Nicht allerdings, ohne mich vorher auf die Waage zu stellen. Das Ergebnis der Tortur waren 3 kg Abnahme in sechs Tagen. Das ist allerdings ein beachtliches Ergebnis, wenn ich es mit meinen besten WW-Zeiten vergleiche. Dort waren in einer Woche am Anfang der Diät mal knapp über 2 kg das höchste der Gefühle. Dank dieses Ergebnisses erscheint die Pulverdiät in der Rückschau auch lohnenswert. Aber einfach ist so eine Diät nicht. Wenn ich ehrlich bin, sagt dieses Experiment eigentlich weniger über mein Gewicht aus als über meine Willenskraft. Denn ohne eine extreme Sturheit, in meinem Fall gepaart mit einem verbissenen Geiz ("Ich hab für den Scheiß bezahlt, ich zieh das jetzt durch"), kommt man hier schnell an seine Grenzen. Die Aussicht, eine solche Diät theoretisch noch wochenlang weiter durchzuziehen, erfüllt mich mit Grauen. Zwar bin ich mir sicher, dass meine Terriernatur auch *das* gnadenlos durchpushen würde, aber ob das schnellere Abnehmen *das* wert ist??? Ich glaube nicht.

Schon am zweiten Tag meiner Pulverdiät war mir klar, dass ich schluchzend in die Arme von WW zurückkehren würde. Es gibt nichts Besseres als einen ausgewogenen Diätplan, der keine Verbote ausspricht, sondern alles erlaubt, dabei aber lediglich die Mengen vorgibt. Ob nun WW oder ähnliche Programme - flexibles, vernünftiges, gesundes Essen ist das Wichtigste beim Abnehmen. Vernünftig kann ich mein Extrem-Shaking nicht nennen, zudem nach sechs Tagen Labberkram der Hunger auf normales Essen bei mir so groß ist, dass ich aufpassen muss, in meiner Freude, wieder kauen zu dürfen, nicht alles das wieder anzufressen, was ich mir gerade mühsam abgehungert habe.

Immerhin - es war nicht alles vertan. Das Ziel, Gewicht zu verlieren, habe ich erreicht. Und der angenehme Nebeneffekt ist, dass ich immerhin gelernt habe, dass ich unter besonderen Umständen mit ausgesprochener Disziplin vorgehen kann. Ich habe einen Willen. Und wenn ich mir etwas vorgenommen habe, dann setze ich das auch um. Gut zu wissen. Guten Appetit.

Samstag, 22. Juni 2013

Irische Hochzeiten - kurz und schmerzhaft

So langsam komme ich aus dem Alter heraus, in dem man ständig zu Hochzeiten eingeladen wird. Um ehrlich zu sein - so viele Hochzeiten habe ich in meinem Leben aber sowieso nicht mitgemacht. Mein Freundeskreis scheint die Institution der Ehe nicht besonders hoch zu schätzen. Das kommt davon, wenn man sich mit linken Socken umgibt... Dabei bin ich einer ausschweifenden Feier nicht abgeneigt, und staatlich-kirchlich sanktionierte Steuernachlässe hin oder her - an einem öffentlichen Treueschwur ist ja eigentlich nichts auszusetzen. Grund genug, das kleine Schwarze aus dem Griff der Mottenkugeln zu befreien und den Lidschatten auf die Schlupflider zu tupfen.

Da, wo ich herkomme, werden Hochzeiten groß und ausschweifend gefeiert. Hundert Gäste sind das Minimum, egal ob ein standesamtlicher Akt oder der kirchliche Summs noch oben drauf. Gefeiert wird bis in die frühen Morgenstunden. Jedenfalls wer zu der Feier eingeladen wird. Nach der Kirche geht es zum Empfang. Dann gibt es das große Festmahl, und kaum ist das Dessert serviert, geht es schon los mit Reden, Vorträgen, der ein oder anderen Diashow, zahlreichen Spielen zur Belustigung der Gäste und auf Kosten des Brautpaares, bis zum nächsten Sonnenuntergang geschwooft und getrunken wird. Natürlich bei offener Bar, auf dem Saal, all expenses paid. So ist das bei uns, im hohen Norden.

Am Donnerstag hatte ich Gelegenheit mal wieder direkt zu vergleichen. Anlass war die Eheschließung guter (Sozi-)Freunde. Der standesamtliche Akt fand in äußerst repräsentativem Rahmen statt. In Dublin kann man im beeindruckenden Ambiente der City Hall heiraten. Was heute die Büros der Stadtabgeordneten beherbergt, wurde im 18. Jahrhundert als Börse der Dubliner Händler gebaut. Was wahrscheinlich sowieso ein unvergesslicher Tag im Leben der Hauptpersonen ist, wird unter der Goldblatt-belegten Kuppel der Rotunda noch. Insofern war der äußere Rahmen der Hochzeit von B___ und Ch___ mit Sicherheit einer der beeindruckendsten, den ich je erlebt habe (mal abgesehen von der Eheschließung meiner Freunde C___ und S___ im alten Rathaus zu Prag!!! Unübertroffen!).

Nachdem alle Formulare unterzeichnet und der Brautstrauß geworfen war, marschierte die Hochzeitsgesellschaft bei schönstem Wetter die Parliament Street hinunter und über die Liffey zum Restaurant am Ormond Quay, wo die Feier stattfand. Und dort wurde es dann irisch. Das bedeutet zum Einen reichliche Mengen an konsumiertem Alkohol - und wenig zu essen. Denn das große Sit-down-Mahl ist nicht unbedingt Teil von irischen Feiern.  Am Donnerstag beispielsweise gab es zwar Tapas-Finger-Food, aber das war es dann auch. Stattdessen ist es bei irischen Hochzeiten üblich, sich alkoholisch selbst zu versorgen. Will heißen - die Gäste bezahlen für ihre Getränke selbst.

Schock, für Deutsche sehr gewöhnungsbedürftig. Was allerdings nicht bedeutet, dass der Alkohol weniger fließt als in Deutschland. Wir sind ja schließlich in Irland. Was allerdings dann wiederum bedeutet, dass um 1 Uhr Schluss ist mit lustig. Jawoll, kaum waren wir alle ordentlich in Fahrt und durchgetanzt dank fantastischer DJ-Beschallung, war auch schon wieder Closing Time. Nix da mit Tanz bis in das Morgengrauen. Dank diverser Gläser Wein war meine Enttäuschung um 1 Uhr nachts vokal-verbal wenig ladyhaft. What the...

Angesichts angeschlagener Verdauung und brummender Hirnhälften war wiederum meine Erleichterung am folgenden Morgen größer als meine Enttäuschung. Mein Gott, wie gut, dass wir nicht doch noch mit den Unersättlichen in die nächste geöffnete Bar weitergezogen sind. Der Tag danach wäre noch grauenhafter gewesen als so schon. Another day that I won't get back, wie man so sagt. Und insofern sind irische Hochzeiten gegebenenfalls dann für die Leber doch besser, als deutsche. Manchmal braucht man eine wohl getime-te Sperrstunde, um zu wissen, was das Beste für einen ist. Oder einen wohlmeinenden Gatten, der einen erbarmungslos nach Hause treibt.

Sonntag, 16. Juni 2013

Happy Bloomsday!

Seine Zeitgenossen hielten ihn für einen Nestbeschmutzer, einen Pornografen und eine Schande für seine Nation. Der aufstrebenden katholischen Mittelklasse entstammend, waren Kindheit und Jugend für James Joyce eine wahre Odyssee - die Familie zog von Haus zu Haus, von anfänglich respektablen Mittelklassenvororten in immer ärmlichere Stadtteile. Kein Wunder, dass der Literat sein Hauptwerk schließlich auch nach dem griechischen Mythenheld Odysseus betitelte und den Irrgang der Romanfigur Leopold Bloom durch seine Heimatstadt Dublin nachzeichnete. Joyce war mit der Stadt, die in seinem Roman Ulysses die geheime Hauptrolle spielt, aufs intimste vertraut. "Dear, dirty Dublin", die geliebte, dreckige Stadt seiner Jugend hat Joyce zeit seines Lebens in der Emigration vermisst und in seinen Werken verewigt.

Die Hassliebe beruhte auf Gegenseitigkeit - denn auch Dublin brauchte Jahrzehnte, um sich zu seinem einst kontroversen, berühmten Sohn zu bekennen. Davon ist heutezutage und heute nicht mehr viel zu spüren. Mit Joyce kann man Kasse machen. Und so feiert Dublin am heutigen 16. Juni wie jedes Jahr Bloomsday. Denn der Roman Ulysses spielt genau am 16. Juni 1904. Joyce-Fans aus aller Welt kommen zum Bloomsday nach Dublin. Die ganz harten Fans steigen am Bloomsday in edwardianische Kostüme und pilgern auf den Spuren von Leopold Bloom durch Dublin - vom Martello Tower in Sandycove, in dem das Anfangskapitel von Ulysses spielt, über Stationen wie Sweny's Chemist, Sandymount Strand, Davy Byrne's Pub und Eccles Street bis hin zum National Maternity Hospital und "Nighttown", dem ehemaligen Rotlichtbezirk um die Marlborough Street.

Richtig cool ist, was Freunde von mir auf die Beine gestellt haben. Nach ersten Gehversuchen mit dem "Bloomsday Survival Kit" im vergangenen Jahr  - einem Bloomsday Guide mit den entsprechenen Requisiten für die Teilnahme am Bloomsday wie liebevoll illustriertem Führer in Buchformat, Strumpfband und Trauerbinde - hat die gleichnamig benannte Gruppe dieses Jahr ein ganzes Programm auf die Beine gestellt. Nach Lesungen an den verschiedenen Handlungsorten tobt Bloomsday Survival Kit auch in diesem Jahr durch Dublin. Im Bett mit Molly Bloom, zum Beispiel. Oder mit einer interaktiven Vorführung der literarischen Verfilmung. Zugänglicher kann man das schwierige Werk eigentlich nicht darstellen. Und wer alleine Probleme hat, den Wälzer anzugehen, sollte sich spätestens im kommenden Jahr die wöchentliche, öffentliche Lesung von Ulysses nicht entgehen lassen. Denn auch wenn Joyce es seinem Leser nicht leicht macht - Generationen von Joyce-Experten und -Studenten haben sich bereits an dem Werk die Zähne ausgebissen - gemeinsam macht die Lektüre von Ulysses Spaß.

In Ermangelung passender Kostümierung werde ich selber heute Ulysses lediglich mit der rituellen Nutzung der eigens an einem vergangenen Bloomsday in Sweny's Chemist gekauften Zitronenseife gedenken. Und den abgegriffenen Wälzer aus dem Bücherregal ziehen und mein Lieblingskapitel lesen. Der Monolog von Molly Bloom. Ohne Punkt und Komma, aber da geht es zur Sache. Denn Joyce hat kein Blatt vor den Mund genommen.

Ja, denn er hat niemals so etwas gemacht wie nach dem Frühstück im Bett zu fragen mit ein paar Eiern seit dem City Arms Hotel als er immer so tat als ob seine Stimme krank sei und seine Hochwohlgeborenheit vorspielte um sich interessanter zu machen für die alte Schachtel Mrs Riordan von der er dachte dass die was von ihm wollte aber sie hat uns keinen einzigen Pfennig hinterlassen und sie war die geizigste Seele die es jemals gab...
Happy Bloomsday, everyone!

Freitag, 14. Juni 2013

Nur in Irland (4): Schleudertrauma


Wer verstößt hier gegen die Verkehrsregeln? Tipp: Der einzige, der hier richtig parkt, bin ich. Was allerdings nicht weiter verwunderlich ich. Selbstverständlich bin ich die einzige, die hier in diesem Lande *richtig* Auto fahren kann. Ok, das ist vielleicht etwas übertrieben. Ich kenne noch ein paar weitere deutsche Autofahrerinnen, die ebenfalls mit der Straßenverkehrsordnung vertraut sind. Im Gegensatz zu unseren irischen Mitbürgern, mit denen wir uns hier die Straße teilen müssen.

Eigentlich sollte ich mich ohne Halskrause gar nicht mehr hinter das Steuer setzen. Ich habe nach den meisten Autofahrten ein Schleudertrauma. Vom vielen Kopfschütteln! Denn mit den Verkehrsregeln nimmt man es hier in Irland nicht so genau. Vor allem, wenn es sich dabei um Regeln handelt, die nicht unbedingt das fahrende Kraftfahrzeug als solches betreffen. Siehe oben. Auf dem Schulgelände der deutschen Schule Dublin. Das Schulgebäude erreicht man, indem man einen Zufahrtsweg bergab fährt und gegebenenfalls sein Gefährt auf dem Schulparkplatz abstellt. Zum Halten gibt es wiederum einen Haltestreifen an der Zufahrt, bei dem die Eltern ihre Autos kurz anhalten, damit die Kinder einsteigen können. Halten. Nicht Parken. Trotz großer Markierung "Set-down Only" (Nur zum Ein- und Aussteigen), ist dieser Streifen der begehrteste Parkplatz an der Schule. Weil es von hier etwa zehn Schritte näher zum Schulportal ist, als wenn man auf dem Parkplatz parkt. Hmph. Was mich regelmäßig aber viel mehr auf die Palme bringt, weil es meinem deutschen Ordnungssinn auch nach 14 Jahren immer noch to-tal gegen den Strich geht: Genau diese Plätze werden am liebsten von den Eltern zum Parken gegen den Verkehr genutzt. Arrrrrrrrrrgh. *kopfschüttel* Da komm ich einfach nicht aus meiner Haut heraus, am liebsten würde ich aussteigen und erstmal in die Runde ranzen "Das ist VERBOTEN!!!" (Aber ich hab mich ja im Griff. Ich ärger mich nur im Fond. Denn my car is my castle. Oder so.) Unsere irischen Freunde haben eben ein lockereres Verhältnis zur Auslegung der Verkehrsregeln. Parken kann man überall, auch gegen den Verkehr und in dritter Reihe in einer Kurve. *kopfschüttel* *kopfschüttel*

Schön finde ich auch immer wieder das graduelle Beleuchten der PKWs bei einbrechender Dunkelheit. Dass nicht jeder zur exakt selben Zeit seine Scheinwerfer einschaltet, ist natürlich klar. Warum man aber bei Dämmerung nur das Standlicht einschaltet, verstehe ich nicht. Glauben die Fahrer, dass es billiger ist, wenn man nur mit Funzelbeleuchtung fährt? *kopfschüttel* Leute, legt den Schalter ganz nach rechts und macht die verdammten Scheinwerfer an, das kostet euch nicht mehr als die Standbeleuchtung. Und besser gesehen wird man dann auf jeden Fall. - Gespart wird gerne auch an der Nutzung der Blinkerbirnen. *kopfschüttel* Bloß nicht zu früh blinken - vielleicht verschleißt die teure Blinkerbirne dann zu schnell? Zweimal klein blinken muss reichen, am besten erst dann, wenn man die Einmündung schon erreicht hat, denn wir wollen mit unseren gelben, blinkenden Leuchten ja niemanden vom Verkehr ablenken.

Wo auf Verschleiß dann wiederum keine Rücksicht genommen wird, ist bei der Nutzung der Handbremse. Diese, so brachte man mir - allerdings zugegebenermaßen beim Fahrunterricht in der norddeutschen Tiefebene - bei, wird angezogen a) wenn man das Fahrzeug verlässt (= parkt) oder b) am Berg anhält. So weit, so logisch. Nun ist Irland tendenziell etwas hügeliger als Norddeutschland, dennoch ist es hier gang und gäbe, bei jedwedem Halten die Handbremse anzuziehen. Das gilt auch für das Anhalten an einer roten Ampel oder beim Erreichen einer Einmündung. *kopfschüttel* Und führt zu unnötigen Verzögerungen, wenn Verkehrsteilnehmer auch bei tiefgrün immer noch nicht ihre verdammte Handbremse wieder losgekriegt haben. Grah.

Angeblich soll es sich ja auf Irlands Straßen wesentlich entspannter fahren als auf deutschen Trassen, auf denen unbeirrt auf das verbriefte Recht des Verkehrsteilnehmers gepocht wird. Kann ich so nicht bestätigen. Ich finde das Fahren in Irland immer stressig. Mir tut der Nacken weh, ich habe Halsschmerzen. Kopfschütteln und lauthals schimpfen sind einfach nicht gut für die seelische Ausgeglichenheit. Wie gut, dass ich in der Stadtmitte wohne und die meisten Erledigungen sowieso zu Fuß erledige. Alles weitere wird mich noch einmal vorzeitig ins Grab bringen. Ich wünsche mir für meinen letzten Weg eine von zwei Rappen gezogene Leichenkutsche.

Donnerstag, 6. Juni 2013

No dann!

Also, dass das schon mal von vornherein klar ist: Es gibt hier kein dann! Unter keinen Umständen, und schon gar nicht im Falle einer Panik. Denn ein dann ist äußerst fahrlässig, behindert die Löscharbeiten und wird mit einem vorher nicht unter zwei Monaten bestraft.


Man findet sie heute ja äußerst selten, solche Klopfer. Umso amüsierter war ich, als ich diesen jenen am vergangenen Wochenende in unserem 4-Sterne-Hotel an der Zimmertür fand. Die Anweisungen für den Brandfall, hier noch einmal deutlicher - aber mit allen Fehlern - transkribiert als sie auf dem unsäglichen iPhone-Foto herauskommen:

Wenn Sie Brandalarm horën:
  1. Bei einem Brand,
  2. Nicht rennen, sondern wie augewiesen den nächst gelegenen Notausgang benutzen.
  3. No "dann"
  4. Sammeln sie sich nicht, um die Feuerwehr nicht bei der Arbeit zu behindern.
So ein Trema hat mich auch schon immer fasziniert. Wer auch immer den Text für die Notfallanweisungen setzen musste, wusste immerhin, dass die deutsche Sprache über äußerst seltsame kleine Pünktchen verfügt, die wahllos wie kleine Fliegenschisse auf verschiedene Vokale gesetzt werden können. Ein Trema gibt es im Deutschen allerdings überhaupt nicht.

Bei Punkt 2 bin ich mir nicht sicher, ob es sich bei "augewiesen" nun um das elliptische Wort "ausgewiesen" handelt, oder ob die Textvorlage handschriftlich vorlag und dementsprechend die Sauklaue des Übersetzers das N in "angewiesen" wie ein U aussehen ließ.

Mein Lieblingspunkt ist natürlich Nummer 3. Wunderbar, wie man mit zwei Wörtern so viel vermitteln kann: Das prägnante "no" ist eigentlich für jeden verständlich. Wir wissen also schon mal, dass wir irgendetwas nicht machen sollen. Nämlich "dann". Ganz klar: Im Brandfall gibt es kein "dann". Im Brandfall gibt es nur ein "jetzt". Nix da warten! Sofort aus dem Zimmer gehen und sich in Sicherheit bringen. "Dann" ist verboten! Die eindringliche Fürsorge des Textautoren ist geradezu rührend. Nicht, dass wir irgendwie zu Schaden kommen, nein, mit Nachdruck wird uns hier vermittelt, dass es keine Zeit zu verlieren gibt und dass wir uns in höchster Lebensgefahr befinden werden, wenn wir hier "dannen" sollten. Ein lebensrettender Hinweis.

Aber mit Psychologie hat der Textautor angesichts Punkt 4 offenbar nicht viel am Hut. Denn kaum haben wir uns in Sicherheit gebracht, sollen wir uns aber mal schnellstens zusammenreißen und hier nicht so tun, als seien wir traumatisiert. Trauma verarbeiten, so ein Quatsch - so schlimm war das ja wohl alles nicht. Hier braucht sich keiner zu sammeln und seine Nerven wieder bündeln. Nun mal zur Seite und nicht der Feuerwehr im Weg stehen, aber schnell schnell Schweinehund!

Ich darf meinen Leserinnen und Lesern hiermit versichern, dass wir in unserem Hotel tatsächlich auf das "dann" verzichtet haben. Es erschien uns einfach zu riskant. Und das, obwohl es noch nicht einmal gebrannt hat. Ich habe das "dann" vorsichtshalber schon einmal komplett aus meinem Wortschatz gestrichen. Es erscheint mir doch irgendwie gefährlich. Wer weiß, was alles passieren kann, wenn man ein "dann" dabei hat? Auch ihr solltet einmal darüber nachdenken, ob ihr ein "dann" wirklich braucht? Im Zweifelsfall lässt sich das "dann" auch problemlos mit einem "auch", "ferner", "außerdem" oder "weiter" ersetzen. Aber psssst - erzählt das bloß nicht dem Textautor!

Dienstag, 4. Juni 2013

Zurückrudern nach Killarney

Direkt wieder zurück aus Killarney. Das muss sofort mit einem Blogbeitrag begangen werden. Das letzte Mal war ich in Killarney vor knapp 25 Jahren. Damit dürfte dann hiermit auch herausgekommen sein, dass ich entgegen eigener Aussage nicht 17 Jahre alt bin. Damals war ich mit meinem Englisch-Leistungskurs auf Studienfahrt in Irland. Als damals bereits versierte Irlandkennerin (immerhin war ich schon in den Jahren 1984 und '85 auf Sprachferien in Südirland gewesen), hatte ich damals meine Nase bis ungefähr Höhe Haaransatz gerümpft: Killarney ist schließlich das Tourismuszentrum Irlands. Ausgerechnet da mussten wir hinfahren? Untragbar. Viel zu berechenbar. Doch mit 25 Jahren Abstand muss ich heute sagen: Es hat schon seinen Grund, warum Killarney die Tourismuszentrale Irlands ist und auf keiner Rundreise fehlen darf.

Lower Lake mit Blick auf Torc Mountain
Das hat nun weniger mit dem Ort selbst zu tun. Zwar kommt der derzeit sehr bekannte (deutsch-)irische Schauspieler Michael Fassbender aus Killarney, aber das dürfte wohl kaum der Grund dafür sein, dass Touristen busladungsweise durch den Ort gekarrt werden. Auch der Ort selbst hat eigentlich nichts Besonderes zu bieten. Aber seine Lage ist wahrhaft paradiesisch - an den Lakes of Killarney gelegen, umgeben von Bergen und gesegnet mit mildem atlantischem Golfstromklima, sucht die Gegend um Killarney ihresgleichen. Liebliche Parklandschaften wechseln mit schroffen Bergpanoramen und Seenblick. Als ich der Aussicht rechts nach der Ankunft in unserem Hotel am Freitagabend direkt von der Terrasse unseres Zimmers gewahr wurde, war meine hochmütige, ehrlich gesagt teenagerhaft-dummwisserische Abneigung von 1988 mit einem Blick weggewischt.

Daran konnte übrigens auch die Tatsache nichts ändern, dass während des jetzt gerade zu Ende gegangenen June Bank Holiday-Weekends in Killarney das Ireland Bike Fest stattfand - und rund 4000 Motorrad-Enthusiasten in den Ort eingefallen waren. Das Harley Davidson Portofino Chapter war in unserem Hotel einquartiert - ganz reizende ältere Herren, übrigens, die sich nach dem irischen Frühstück mit Hilfe eines Fußbänkchens auf die Sättel ihrer Öfen schwangen und gemütlich vom Hof pötterten. Zwar war der Soundtrack des Wochenendes weniger das sanfte Lecken der Seewellen an den Hotelstrand, und auch nicht das Röhren der im Hotelgelände pirschenden Hirschen, sondern das beständig im Hintergrund summende Motorenbrummen tausender Harleys, aber selbst das konnte die Idylle nicht trüben.

Blick auf den Lower Lake von Torc
Als ehemalige Kleinkindmutter und lärmerprobte Tante von neun (9!) Neffen und Nichten im Alter von 9 Monaten bis 12 Jahren kann ich Geräuschpegel sowieso problemlos ausblenden, um mich auf die verbleibenden sensorischen Eindrücke zu konzentrieren. Die Sonne auf der Epidermis, die exzellente Fisch-Cuisine auf der Zunge und die gloriose Landschaft auf der Netzhaut. Marky Mark kam wieder einmal voll auf seine Kosten - vom überbordenden Rhododendron-Farbenspiel im Park von Muckross House über den Torc-Wasserfall, Castle- und Abbey-Ruinen bis zum überwältigenden Blick über den Lower Lake nach einem zweistündigen Aufstieg auf den Torc Mountain. Was schon die Viktorianer als paradiesisch empfanden - Königin Victoria besuchte Killarney im Jahr 1861 - ist auch heute noch weitgehend unberührt (wenn auch auf Grund des Bike Fest bei unserem Besuch stark berÖhrt...) Die Tatsache, dass die Wiederansiedlung von einem Seeadler-Pärchen im Killarney National Park gelungen ist, zeigt, wie sehr man darum bemüht ist, die Zivilisation von der Natur hier fernzuhalten. 

Killarney ist wundervoll. Ich empfehle allen Irland-Reisenden uneingeschränkt den Besuch. Den Ort selber am besten am Rande liegen lassen und sich ganz auf die Natur konzentrieren. Das geht am besten zu Fuß. Und dazu sollte man gutes Schuhwerk mitbringen. Aber darüber erzähle ich dann ein anderes Mal!

Donnerstag, 30. Mai 2013

Nicht auf dem Laufenden



Kennt ihr noch den Hall & Oates Klassiker Out of Touch? Meine Güte, fast 30 Jahre alt. You're out of touch, I'm out of time. Das Lied wurde offenbar für mich geschrieben. Ich bin nicht mehr auf dem Laufenden, was Deutschland angeht. Das habe ich ja hier auch schon oft genug betrauert. Aber mittlerweile betrifft das auch Alltäglichkeiten - was dann zu lästigen Überraschungen führen kann.

Wie heute. Donnerstagmorgen. Der Wecker klingelt um 6.15 Uhr. Nach einer Tasse Tee und einem Kurzüberblick über sämtliche Social-Media-Aktivitäten der vergangenen zwölf Stunden setzt sich Sonja an den Computer, um ihre morgendliche Frühmeldung abzusetzen. Alles paletti - die Nachrichtenlage erstaunlicherweise einmal prall und die Artikelverteilung im Redaktionskalender noch schön offen. Ich knalle mir schnell mal vier Meldungen auf die Liste, und verschwinde dann zum Joggen.

Als ich vier Kilometer und einer Dusche später wieder an den Schreibtisch komme, ist der Redaktionskalender immer noch so menschenleer wie die Fußgängerzone am Feiertagsmorgen. *fluhupp* Mich erreicht eine Mail der Redaktionskollegen. "Heute ist in M___ Fronleichnam. Wir dachten, du weißt das. Aber du kannst gerne weiterschreiben."

*duh*!!!!!!!!! You're out of touch, Sonja. Kein Plan mehr, wann in Deutschland Feiertage anliegen. Wie auch, normalerweise ist meine Lebenswirklichkeit im Ausland davon nicht tangiert. Ob in Deutschland ein Feiertag ist oder nicht - meine Kinder müssen zur Schule und der Gatte geht zur Arbeit. Meine eigene Arbeit ist so international verstreut, dass die diversen Festtage in Deutschland, Großbritannien und Spanien in mein Bewusstsein selten vordringen. Und leider kann man sich bei einem so katholischen Land wie Irland auch nicht darauf verlassen, dass kirchliche Feiertage hier einen genauso hohen Stellenwert haben, wie in der (süd)deutschen Heimat.

So ist das, als Auslandsdeutscher im Liebesexil. Nicht so richtig da, aber auch nicht weg. Vage Erinnerungen an bestimmte im Jahreslauf hervorstechende Feiertage, aber kein genauer Plan mehr, was wann ansteht. Da muss das sonnige Gemüt aktiviert werden, um an den Widrigkeiten des Ex-Pat-Alltags mal wieder das Positive zu sehen: Ich freue mich heute über den überraschend freien Tag. Und wende mich meinen anderen Verpflichtungen zu. Denn arbeiten kann man ja trotzdem immer

Happy cadaver day, everyone.