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Mittwoch, 4. September 2013

Besuchsmarathon

So, wenn hier lange Funkpausen auf dem Blog sind, dann heißt das meistens nur eines: Ich habe Besuch. Oder ein zu geselliges Sozialleben. Hier sind seit dem letzten Eintrag drei Wochen vergangen. Das heißt, mein eigener Urlaub war bereits vorbei, und ich war wieder zurück im Alltag. Dank meines wunderbaren iPhone-Fototagebuches kann ich lückenlos nachvollziehen, was ich seit dem 11. August alles gemacht habe.

Wie man sieht, habe ich gebastelt, Sushi gegessen, Sonnenuntergänge genossen, mir ein Tattoo auf den Arm stechen lassen (nichts ist mir zu schade für meinen geliebten RA), Blumen angeguckt und ein Fotobuch in Empfang genommen. Und dann bekam ich auch schon wieder am 21. August Besuch. Von da an wird meine Fotodokumentation dann mal wieder weniger egozentrisch. Keine neckischen Trägerhemdfotos, sondern dann ist mehr Action drin. Denn wenn Besuch da ist, dann gibt es auch mal Programm im Hause K___-P___. Dank meiner Freundin K___, die mich zwei Wochen besucht hat, bin ich mal vom Computer weg und raus gekommen. So waren wir zum Beispiel auf Stadtrundgang und haben uns den Garten von Dublin Castle angeguckt (den ich hier schon einmal als Geheimtipp erwähnt habe), waren im Dämmerlicht in Trinity College, haben den wunderschönen Cliff Walk auf Howth gemacht und uns Kultur bei der Ausstellung 40/40/40 gegeben.
Der Besuch gibt sich derzeit bei uns die Klinke in die Hand - heute ist K___ abgefahren, doch nachmittags traf bereits V___ ein, die uns vor drei Jahren in Bologna Unterkunft gewährt hatte. Wenn V___ am Freitag wieder abfliegt, wird das Gästezimmer von meiner ehemaligen Kollegin S___ übernommen, die einen Wochenendtrip von Paris aus nach Dublin macht. Dann kommt erstmal eine Pause zum Verschnaufen Abarbeiten des Bettwäscheberges, und V___ und ich jetten luxuriös für eine Übernachtung nach London. Und kurz danach darf ich dann meine Freundin D___ aus Berlin hier für eine Woche begrüßen.

Ich find's klasse. Der allzu faule innere Schweinehund, der am liebsten immer nur am Computer sitzt und nur aus dem Haus geht, um Zigaretten zu kaufen, wird dann mal vor die Tür gejagt. Das Sozialleben blüht auf. Man kann sich immer sehr schön daran gewöhnen, muss ich sagen, und wenn der Besuch dann plötzlich weg ist, ist es furchtbar leer und langweilig im Haus.

Mittwoch, 31. Juli 2013

Ende

Und zurück. Unter grauem Himmel. Bei Regen. Irland eben. Normalerweise vermisse ich D'land ja gar nicht so, aber dieses Mal... *seufz* Es war einfach zu schön. Die zwei Wochen Urlaub war reich gefüllt mit allem, was das Ex-Pat-Herz begehrt. Besuch bei Freunden, langes Ausschlafen, herrliches Wetter, Biergartenbesuche, interessante Neubegegnungen, Wiederanknüpfen alter Freundschaften, "Mädchensalat" (gebratene Hühnerbrustsstreifen auf gemischtem Salat), Nostalgie am alten Studienort, Quality Time mit den Kindern, neue Eindrücke in neuen Städten, Bahnfahrten mit Überraschungseffekten, Weinschorle, Erdnussflips, Papa und Mama, Einkaufen gehen, Fotoausstellungen, 39° Grad Celsius, lange Nächte, Frühstück im Freien, Sonne, Schwimmen im Fluss, stundenlange Café-Sitzungen, Kultur... So eine Liste lässt sich beliebig lang fortsetzen. 

Nein, ich vermisse Deutschland in meinem täglichen Leben im Ausland nicht wirklich. Ich bin glücklich, wo ich bin, hab mir ja auch schließlich die regnerische kleine Insel am Westrand Europas selber ausgesucht. Aber widersinnigerweise hat Irland mir Deutschland in der Distanz auch näher gebracht. Ich fahre gerne nach Hause. Und ich brauche die regelmäßige Reise nach Deutschland, um mich einerseits meiner eigenen Identität, andererseits aber auch meiner Entscheidung zu vergewissern, dass ich mit dem Wahl meines Lebensmittelpunktes die richtige Entscheidung getroffen habe. Ich vermisse Familie und Freunde heftig. Und wünsche mir oft, dass wir deutschen Sommer, deutsches Bier und deutsche Biergärten auch in Irland hätten. Das wird mir mit jedem Besuch aufs Neue bewusst. Aber gleichzeitig wächst auch die Sicherheit, dass sich eigentlich nichts verändert hat. Auch wenn ich im Ausland lebe - die Vertrautheit bleibt. Im Kleinen mit Familie und Freunden, aber auch im Großen, mit meinem Heimatland an sich. Die Details wechseln, doch die grobe Richtung bleibt. Deutschland bleibt Deutschland, und Sonja bleibt Sonja.

Was hier ein wenig sentimental klingt, hat einen guten Grund. Die Westrandbemerkungen werden sich in nächster Zeit wahrscheinlich ein bisschen ändern. Es haben sich ein paar blog-bezogene Änderungen ergeben, die darauf hinauslaufen werden, dass ich vermutlich weniger regelmäßig und möglicherweise auch thematisch etwas breiter bloggen werde. Das deutsche Ex-Pat-Leben in Irland habe ich die vergangenen drei Jahre intensivst beobachtet. Zeit, die Unterschiede in den Hintergrund zu stellen, und einfach nur den Moment zu genießen. Wie das genau aussehen wird, weiß ich selber noch nicht - etwas persönlicher, mehr Fotografie, mehr Bastelei? Das sind die Themen meiner beiden englischsprachigen Blogs, die ich hier bisher nicht so intensiv verfolgt habe. Neuorientierung. Lassen wir es einfach mal auf uns zukommen. Bis bald.

Montag, 15. Juli 2013

Oh Ireland in the Sun...

wie traurig, dass ich dich verlassen muss, ausgerechnet jetzt. Morgen geht es in den bereits totgeschriebenen Urlaub ins Vaterland. Dabei ist Irland immer noch in der Schönwetterphase, das darf man eigentlich nicht verpassen. Immerhin soll es ja in D'land auch schön werden, wie mir die Wettervorhersage bereits gestern abend verraten hat:



Na, das ist ja dann schon mal etwas. Aber ob es an meine letzten paar Tage herankommt? Vermutlich allein schon deswegen nicht, weil ich im Urlaub nicht meinen eigenen Stiefel fahren kann wie in meiner Strohwitwenzeit seit vergangenen Mittwoch. Oh, du herrliche Ungestörtheit. Ich hatte wunderbare Gelegenheit, mich ganz meinen heimlichen Vergnügen hinzugeben. Zum Beispiel: Nicht ein einziges Mal zu kochen, sondern mich ausschließlich von Bananen und Reese's Peanut Butter Cups zu ernähren. Meine Küche spontan in eine Disco umzufunktionieren, stundenlang dasselbe Album auf voller Lautstärke durchknallen (Daft Punk: Random Access Memories), dazu die Hüften mal zu entstauben und vigoros zu tanzen. Wer bei "Get Lucky" nicht mitmacht, ist entweder taub oder völlig steif...


Late Nights sind mein größtes Laster, wenn ich alleine bin. Der Spaß hörte heute morgen auf, als ich wieder um 6.15 Uhr aufstehen musste, aber gestern abend wurde nochmal bis in die Puppen durchgemacht, denn mein Movie-Boyfriend wartete schon seit London im vergangenen Dezember auf mich - meine 3 Pfund-Robin Hood-DVD wollte auch endlich mal in den Player eingelegt werden. Das geht am Besten, wenn der Gälische Gatte nicht mit eifersüchtigen Argusaugen über meine Schulter guckt. Guy... ich eile, ich komme, ich fliege, darling-knight...

Und so verabschiede ich mich dann mal in den Urlaub. Morgen geht's los. Wenn alles klappt, könnt ihr mich dann aber live lesen, denn ich werde den Laptop einpacken und direkt von der Quelle berichten. Würzburg - zwischen Hängen und Würgen, eh, Bergen. Grrrrrrrrrrüß Gott!


Montag, 8. Juli 2013

Copa Cavana

Wisst ihr, was das Beste an Freunden ist? Ihre Ferienhäuser. Ha! Ok, das ist jetzt ein bisschen oberflächlich gedacht, und ich mochte meinen adoptierten Zwillingsbruder A___ schon bevor er sich ein Ferienhäuschen an der Grenze zu Nordirland gekauft hat. Aber seitdem er mich und unsere gemeinsamen Freunde B___ und J___ am vergangenen Wochenende mit in sein Feriendomizil genommen habe, mag ich ihn noch ein kleeeeeeeines bisschen mehr...

Eigentlich war Sinn und Zweck des Wochenendtrips ein gemütliches Beisammensein von vier Fotografen. Und das Einweihen des neuen Außen-Whirlpools in A___'s Ferienhaus. Materialistisch? Ich? Iwo! Luxusweib? Hm, schon eher. Man könnte auf den Geschmack kommen, muss ich sagen. So ein Jacuzzi ist schon eine feine Sache. Gläschen Wein auf dem Wannenrand, über uns die Sterne. Nur die Stille im ländlichen County Cavan um uns herum. Und das Surren der Jacuzzi-Pumpe. Idyllisch. Mit Assoziationen an Traktorballett angesichts des Pumpenmotors. Ahem.

Hobbiton lässt grüßen - Landschaft bei Marble Arch Caves, Nordirland
Copa Cavana
Spaß beiseite. Co. Cavan stellte sich für uns von seiner schönsten Seite dar. Den County hatte ich bisher eher links liegen gelassen, obwohl ich vor hundert Jahren schon einmal auf einem Tagesausflug dort herumgetobt war. Für Meeresfans ist Cavan eben nicht auf dem Plan: Der County ist vollständig innenländig gelegen und hat keinen Zugang zur Küste. Dafür hat Cavan aber Stille, Ruhe, rollende Hügel, grüne Felder und ist seengesprenkelt. An seiner Nordgrenze stößt der County an Nordirland und das herrliche Seengebiet um Lough Erne.


Wie gut, dass wir sowieso unsere Badehosen eingepackt hatten (siehe Whirlpool) - denn Cavan überraschte uns mit einer Hitzewelle, die einen Ausflug zum Strand unumgänglich machte. Nur ein paar Meilen down the road, bereits in Nordirland gelegen, fanden wir Knockninny Beach. Sonnenschutzfaktor 30 war bitter nötig - kaum zu glauben, dass man so etwas in Irland erleben kann. Ja, selbst zynische, alte Irlandkenner wie ich sind überrascht. Und auch wieder nicht. Irland im Sonnenschein ist paradiesisch schön. Da brauche ich keine Karibik.



Nach ausgiebigem Sonnenbad (kein Sonnenbrand - Sonja war vorsichtig) gab es dann noch eine quintessentiell-englische Erfrischung im gleich benachbarten Knockninny Country House. Pimm's - einen herrlicheren Sommerdrink gibt es gar nicht: Pimm's ist ein gin-basierter Likör, den man mit Zitronenlimonade (oder Ginger Ale) mixt. Dazu kommen Eiswürfel und in mundgerechte Stücke geschnittene Früchte - Erdbeeren, Äpfel, Zitronen und Gurke. Wer's mal in einem deutschen Alkoholitäten-Spezial-Shop entdeckt: Mitnehmen und bei der nächsten Hitzewelle anrühren. Sommerhit verdächtig.

Apropos Sommerhit - ich verlasse euch nun mit dem Sommerhit der Copa Cavana:


At the copa (CO!) Copa Cavana (Copa Cavana)
The hottest spot north of Ath Cliath (here)
At the Copa (CO!) Copa Cavana
Music and passion were always in fashion
At the copa.... they fell in love

Irish summer - love it.


Donnerstag, 4. Juli 2013

Zwangsverpflichtung

Wisst ihr, was das Ätzendste an so einem binationalen Ex-Pat-Dasein ist? Die Zwangsverpflichtung, in den Jahresferien auf jeden Fall in die Heimat zu reisen. Grrrrrr, ich kann gar nicht ausdrücken, wie sehr mich das nervt. Nun bin ich zwar in der dankbaren Situation, keine Festanstellung zu besitzen, sondern als Freiberufler theoretisch ohne Rücksicht auf Kollegen meine Ferien zu nehmen, wann ich will. Doch wer freiberuflich arbeitet, verdient auch nur dann, wenn er arbeitet. Das macht die Ferien dann auch nicht länger als bei Angestellten...


Ich bin schon immer gerne gereist. Fernweh - so ein schönes deutsches Wort, wofür es keine griffige Übersetzung ins Englische gibt. (Was sagt das über die anglophone Welt aus? Und was über die deutschsprachige?) So viel zu sehen in der Welt. Und Sonja muss jedes Jahr wochenlang nach D'land fahren. Hmph! Als ob ich mein Heimatland nicht gut genug kennen würde? Immerhin habe ich da die längste Zeit meines Lebens verbracht, knapp doppelt so lang wie meine Zeit im Ausland.

Ich will was anderes sehen. Ich möchte mit der Transsib durch Asien gondeln. Möchte in Malaysia meine angeheiratete Verwandtschaft besuchen. In meinem ursprünglichen Traumland Neuseeland (bevor Irland den Top-Spot auf meiner Traumlandliste einnahm) Nord- und Südinsel erkunden. Und kopfüber in Australien hängen. Stattdessen dieses Jahr (Alp)Traumurlaub in... wait for it... Würzburg!

Ich weiß, ich weiß, so schön kann D'land sein...
Hör auf zu mosern und plan halt einen anderen Urlaub, Sonja. Ich höre meine Leser förmlich schnaufen. Wenn es so einfach wäre. Mit Fremdbestimmung haben meine Urlaubspläne wenig zu tun. Denn so sehr ich auch nach anderen Reiseerlebnissen dürste, ich bin mir bewusst, dass ich meiner deutsch-irischen Mischlingskinder zuliebe nach  Deutschland reisen muss. Schließlich darf die deutsche Hälfte ihrer Identität nicht vernachlässigt werden. Alles Landeskunde. Und so schließe ich dann jedes Jahr aufs Neue Frieden mit meiner germanozentrischen Urlaubsplanung. Und zähle die Jahre. Noch sechs bis zur Volljährigkeit der Jüngsten. Ab dann ist die Germanifizierung entweder abgeschlossen oder wird in die Eigenverantwortlichkeit der Nachkommen übergeben. Noch sechs Sommerurlaube, mindestens dreimal Weihnachten und geschätzte sechs Zwischendurch-Besuche anlässlich von Familienfestivitäten. Und dann freie Urlaubsbuchung. Yessss. *fistpump*

Vermutlich werde ich ab 2019 religiös jedes Jahr weiterhin nach D'land fahren. Denn wenn man erstmal nicht mehr "muss", wird's erst richtig spaßig. Stellt schon mal die Betten bereit und macht die Gästezimmer fertig. Ich freu mich auf Deutschland.

Donnerstag, 23. Mai 2013

Es grüßt die Krypta

Man wird ja nicht jünger. Mit Über-40 steht man quasi schon mit einem Bein in der Krypta. Da liegt der Gedanke an die Rente nahe. Nein, ich scherze nicht, vor allem als Ex-Pat muss man gelegentlich der eigenen Sterblichkeit direkt ins Auge starren und sich Gedanken über die Zukunft machen. Denn irgendwie ist man ja als Ausländer nicht Fisch nicht Fleisch. Ein paar Jahre hat man noch in der Heimat gearbeitet, und dann zog es einen in die Ferne. Was ist mit den Rentenansprüchen, die man sich beim Interimsjob an der Käsetheke bei Edeka-Bollmann erarbeitet hat?

Gut, mit 30 hat mich das nicht stärker interessiert, als wenn Miami-Kalle seine deutsche Rente in floridische (?) Alligatorenrachen wirft. Aber neulich kamen wir mal im Gespräch mit zwei Leidensgenossinnen - deutsche Freundinnen, die in Irland beziehungsweise Frankreich leben - drauf. Fassungslosigkeit machte sich breit, als uns klar wurde, dass wir im Alter in Deutschland Sozialhilfeempfänger werden würden. Denn wo nix eingezahlt, da nix rauskommt. Und bevor der deutsche Staat übrigens die Kohle locker macht, wird erstmal das Eigentum einkassiert. Eigentlich ja auch alles logisch so - sicher kann es nicht angehen, dass man sich auf Staatskosten einen faulen Lenz macht, während man sich in seiner jahrelang angesparten Villa luxuriös verköstigt. Nur dass wir im Normalfall vermutlich keine Immobilienschätze angehäuft haben werden.

Erstaunlicherweise sieht es in Irland für mich rosiger aus als in meiner Heimat, deren Ruf ich durch Blut und Boden gestern noch so pathetisch gefolgt bin. In Irland gibt es eine Staatsrente. Die gilt für alle, auch für Nicht-Iren, sofern sie ihren Lebensmittelpunkt nachweislich seit einer bestimmten Zahl von Jahren in Irland haben. Reich werde ich mit meiner irischen Staatsrente allerdings auch nicht mehr - bei rund € 200 pro Woche kann man davon keine großen Sprünge machen. Das System beruht in Irland eindeutig darauf, dass der Normalbürger Immobilieneigentum besitzt. Dieser wird in die Rentenberechnung auch nicht eingerechnet - mit dem Verlust des Hauses muss man hier nicht rechnen. Kein Wunder, denn mit rund € 200 pro Monat kann man auch als genügsamer Rentner nur auskommen, wenn man keine Mietausgaben hat.

Kinder - Investition in die Zukunft (meiner Rente)
Ob das alles noch Bestand haben wird, wenn wir einmal ins Rentenalter kommen? Wer weiß, ob es bis dahin überhaupt noch einen Generationenvertrag gibt. Der Staat tut ohnehin das seinige, sich aus der Rentenpflicht herauszulawieren. So wurde in Irland beispielsweise die stufenweise Anhebung des Rentenalters bereits beschlossen. Ab 2028 liegt das Einstiegsalter bei 68 Jahren. Gut, dann habe ich ja noch 25 Jahre, um hier ein bisschen Kohle zur Seite zu schaffen. Oder ich lege doch noch ein paar Kinder nach? Die sollen ja die beste Altersvorsorge sein. Dafür wird dann wohl in meinem Alter eine Hormonbehandlung nötig. Andererseits: Keine schlechte Sache, denn die resultiert ja oft in Mehrlingsgeburten. Wie wäre es mit fünf auf einen Schlag? Nicht gut für das ohnehin schon fadenscheinige Nervenkostüm. Allerdings mit allerlei staatlicher Unterstützung abgesichert (das Kindergeld staffelt sich nach Kinderzahl nach oben, juhu.) Und mit insgesamt sieben Kindern dürfte die Rente dann doch tatsächlich gesichert sein? Ich bin dann mal weg und mache ein paar Einzahler in die Rentenkasse der Zukunft.

Mittwoch, 22. Mai 2013

Deutsch-Sein - Irisch-Sein

Meine virtuelle Freundin Servetus hat mich mit ihrem Kommentar zum Post "Irlandliebe" zum Nachdenken gebracht. Dort schrieb sie, dass es in den USA positiv belegt ist, irische Vorfahren zu haben. Das kann ich gut nachvollziehen. Die Iren muss man eigentlich lieben: Man hält sie für freundlich und aufgeschlossen, sie reden gern und mit jedem. Einem guten Tropfen sind sie nicht abgeneigt. Sie haben die Weltliteratur mit einigen hochkarätigen Schriftstellern beglückt und ihren einzigartigen Stempel auch der Musik aufgedrückt. Ich sage nur Eurovision Song Contest. Haha, Scherz, nein, ich meine damit eher so einflussreiche Bands und Musiker wie U2, Rory Gallagher oder The Pogues und Westlife, haha, nein, ich scherze schon wieder! Dazu kommt, dass die  Iren ein wahrhaft magisch schönes Fleckchen Erde ihr Zuhause nennen können - landschaftlich beeindruckend und an die Seele appellierend. Die Tatsache, dass Irland welt- und geopolitisch dagegen eher am Rande liegt, ist dabei kein Nachteil - ein so kleines Land wirkt niemals bedrohlich, hat noch niemals versucht, die Weltherrschaft an sich zu reißen und ist niedlich-neutral. Mit einem irischen  Pass kann man überall hinfahren - und wird überall gern gesehen (sogar in Großbritannien, wo man mittlerweile die Iren auch nicht mehr ausschließlich als lästige Anhängsel mit terroristischen Neigungen wahr nimmt...).

Burgen, Berge, Schlösser und alles schön ordentlich. 
Manchmal, ja manchmal, betrachte ich diesen rundweg positiven Ruf der Iren in der Welt mit Wehmut. Als Deutsche meiner Generation ist diese beschauliche, vielleicht auch etwas herablassende Sichtweise einer Nationalität geradezu beneidenswert. Die Hypothek meines Landes liegt mir schwer auf den Schultern. Das hat sicher damit zu tun, dass ich dank meines Historikerhintergrundes immer schon die deutsche Vergangenheit sehr persönlich und intensiv gespürt habe und dementsprechend die Wirkungsweise und auch die Reaktionen auf Deutsch-Sein empfindlich wahr nehme. Manchmal hindert mich das im Umgang mit anderen Nationen. Die deutsch-französische Erbfeindschaft scheint mir im Blut zu legen, wenn ich daran denke, wie unreflektiert ich gelegentlich auf Frankreich oder die Franzosen reagiere. Schande auf mich! Oder führt zu vorauseilendem Gehorsam, wenn ich vorschnell annehme, dass jemand Probleme damit haben könnte, dass ich Deutsche bin. Aus Deutschland zu kommen, bedeutet auch heute vorurteilsmäßig immer noch, mit den typischen "Primärtugenden" in Verbindung gebracht zu werden: Fleiß, Ordnung, Pünktlichkeit. An sich erstrebenswert und positiv (oder kommt mir das nur vor, weil ich selber so sozialisiert worden bin, diese Charakteristika als positiv zu empfinden?). Daneben stehen aber auch Humorlosigkeit und Sachlichkeit, Arbeitsethik und gefühllose Effizienz. Eben ein bisschen "ernst", wie Serv es beschrieb. Um das Deutsch-Sein wird man nicht beneidet - ums Irisch-Sein schon.

Idylle wohin das Auge reicht. Wirklich, Irland?
Dabei könnte ich auch zum Irisch-Sein einige erhellende Beiträge abgeben. Vielleicht auf Grund ihrer insularen Isolation sind die Iren oftmals der Kirchturmpolitik zugeneigt. Über den Tellerrand schaut man hier nicht unbedingt heraus - was sich in der beschaulichen Nachrichtenberichterstattung im Lande zeigt. Das Land hat darüber hinaus noch einige Arbeit vor sich, was beispielsweise den Umgang mit Alkohol angeht. So idyllisch das Bild des betrunkenen Iren auch sein mag - in Dublin äußert sich das jedes Wochenende mit wahrhaft unappetitlichen Szenen, vor allem nach Sperrstunde.

Dennoch, manchmal erscheint es mir erstrebenswert, meinen deutschen Pass abgeben zu können und mich der Nation meines Gastlandes anzupassen. Das sind Momente der Schwäche und Frustration - zum Beispiel wenn mir meine 12-jährige Tochter erzählt, dass die Gegnermannschaft in der Schüler-Fußball-Liga ihrem Team mit dem Hitler-Gruß begegnet ist, oder dass man die Schüler der deutschen Schule "Little Nazis" schimpft. Wirklich? 70 Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkriegs? Da ist sie, die Hypothek, von der ich oben schrieb. Herkunft lässt sich nicht abschütteln.

Und eigentlich will ich das auch nicht. Zwar bin ich längst lange genug in diesem Land, dass ich die irische Staatsbürgerschaft annehmen könnte. Und zur Partizipation an der politischen Meinungsbildung in meinem Gastland, dessen Gesetzen ich unterliege und in dem ich meine Steuern zahle, hätte ich diese auch gerne. Tief drin in mir weiß ich aber, dass ich keine Irin bin. Und auch niemals eine sein werde, egal wie sehr ich mich an die Gepflogenheiten in meinem Gastland angepasst habe. Längst bin ich nicht mehr so ordentlich, pünktlich und fleißig, wie man es vielleicht in Deutschland von mir erwarten würde. Ich gehe mit Treffpunktzeiten leger um, habe eine hohe Toleranzschwelle, was eine ordentliche Wohnung angeht und erlaube mir, nicht alles perfekt zu machen. Aber deutsch bleibt deutsch, das Land meiner Eltern, in dem ich aufgewachsen bin, wo ich studiert habe und wo immer noch zahlreiche meiner Freunde leben, ist in mir verankert. Bei aller Kritik und trotz der festen Überzeugung, nicht mehr in Deutschland leben zu wollen, fühle ich mich dennoch Deutschland verbunden. Richtig erklären kann man das wohl nicht. Nur ein bisschen mehr Wohlwollen Deutschland gegenüber, das würde ich mir wünschen.

Montag, 13. Mai 2013

Irlandliebe

Die Tourismussaison hat wieder angefangen. Auf dem Weg zum Einkaufen bin ich gestern mal wieder in zehn verschiedene Urlaubsfotos spaziert. Das ist das Los der Anwohner am Touristenpfad. Interessant, wie man auch aus 50m Entfernung sofort feststellen kann, aus welchem Land die Touristen stammen. Beige Popelinejacken, unter den Arm geklemmte "Detlevs" (Herrenhandtaschen), Socken in Sandalen: Deutsche. Sonnenbrillen, dunkle Haare, schicke Aufmachung: Spanier. Baseballkappen, grüne Blousons und Slacks zu Turnschuhen: Eine Busladung Amerikaner.

Vor allem letztere Gruppe fährt besonders gerne nach Irland. Gehört es zum amerikanischen Initiationsritus, einmal im Leben nach Irland gefahren zu sein? Ich scherze ja immer, dass die Amerikaner in Irland alle auf der Suche nach ihren Wurzeln sind. Angesichts der Tatsache, dass knapp 12 Prozent der US-Amerikaner bei einer aktuellen Volkszählung angaben, irische Vorfahren zu haben, dürfte das nicht wundern. So betrachtet gibt es allein in den USA sechsmal so viele Iren wie im Stammland (36 Millionen : 6 Millionen Iren in Irland)! (Interessant: Nur die Gruppe der US-Amerikaner mit deutschen Vorfahren ist größer als die der Irish-Americans!!)

So sehr man auch manchmal über die Faszination "der Amerikaner" (ich verallgemeinere!) mit Europa schmunzelt, eigentlich ist es erfrischend, dass unsere kleine Insel von den Amerikanern so positiv wahrgenommen wird. Wo innerhalb Europas derzeit Irland eher als ein Schimpfwort zu verstehen ist - schließlich hat Irland mit dem Kollaps der Anglo-Irish Bank im Jahr 2008 maßgeblich den Anstoß zur Rezession gegeben - ist für die meisten Amerikaner Irland positiv belegt. Ich erlebe das oft auf verschiedenen sozialen Plattformen, auf denen ich mich herumtreibe. Erwähnt man nur nebenbei, dass man in Irland lebt, gibt es sofort freundliche und oftmals gar neidische Rückmeldung.


Neulich stellte ich einmal ein Sonnenaufgangsfoto in eine Facebook-Gruppe. Das Echo war überwältigend. "Ich wollte schon immer einmal nach Irland." "Ich liiiiiebe Irland." "Letztes Jahr war ich auch in Dublin. Wunderschön." "Wenn ich genügend Geld gespart habe, fahre ich auch nach Irland!" Der Tenor ist immer derselbe: Was für ein Glück, dass du in Irland leben darfst.

Glaubt mir, liebe Kommentatoren - ich bin mir meines Glücks bewusst. Selbst wenn es hier schon um 9 Uhr morgens hagelt, die Iren in zweiter Reihe parken und es kein Recycling-Klopapier gibt: Irland ist wunderschön, und als hereingeschneiter Ex-Pat freue ich mich jeden Tag über das Privileg, hier leben zu dürfen. Aber ihr dürft mir ruhig immer wieder sagen, wie sehr ihr mich beneidet, dass ich hier wohne, denn Neid kann auch schön sein: Der Neid und die positive Rückmeldung der anderen ist quasi die Bestätigung der eigenen Lebensentscheidung. Und den Amerikanern gebe ich das Kompliment zurück: Man kann über euch sagen, was man will, aber euer Irland-Enthusiasmus ist erfrischend. Bei mir seid ihr herzlich willkommen.

Dienstag, 23. Oktober 2012

Sonja bastelt wieder

Tausende von Auslandsdeutsche begegnen Tag für Tag dem gleichen grausamen Schicksal. Fern von der Heimat darben fingerfertige Frauen an der mangelhaften Versorgungslage von Bastelmaterialien und erdulden das bastelshoplose Exilantinnendasein. In Irland trifft es uns bekennende Basteltanten besonders hart. Nicht nur, dass außer Papier und Wolle handarbeitstechnisch wenig Material erhältlich ist und dass der Ire an sich Handarbeit wenig schätzt, außerdem bringt die geographische Randlage der Insel eine äußerst pekuniär anspruchsvolle Problematik mit sich: Die im Internet mittlerweile global gehandelten und im Normalfall günstig erhältlichen Bastelmaterialien werden dank Versandkosten zu kostbaren Luxusartikeln, die nach Verarbeitung kaum mehr bezahlbar sind.

Diese trost- und bastellose Kreativwüste erhellte nun kürzlich mein lieber Besuch D___ mit einem wunderbaren Mitbringsel, das so genial ist, dass ich es allen in- und ausländischen Mitlesern gerne vorstellen möchte. Ein Bastelabonnement, das desillusionierte Bastlerinnen in Entzücken versetzen wird. Supercraft nennt sich die Idee: Ein Bastelabo im zweimonatigen Turnus, bei dem alles, was zum Basteln benötigt wird, im Paket vorhanden ist.




Das vorliegende Paket war die Herbstedition von Supercraft. Und angesichts des Herbstwetters und gemütlicher Kaminabende enthielt das Paket alles, was man zum Stricken von ein paar gemütlichen Kopf- und Halswärmern braucht.


(Verdammt, hier links rächt sich, dass sich die faule Bloggerin zur Bildbearbeitung nicht aus Flickr herausbewegen wollte. Aviary kennt leider keine deutschen Umlaute. Nun ja, ihr als Muttersprachler versteht vermutlich, was ich schreiben wollte... )


Nach drei Jahren Fotostudium ist es Zeit, meine Kreativität mal wieder in etwas divers Bahnen zu lenken als ausschließlich Fotografie, und so griff ich mir spontan am Sonnabend mal das Kit und legte morgens los. Aus mehreren ausführlich beschriebenen Projekten im Kit suchte ich mir einen Schalkragen aus.











Blitzlichtergraute braune Wolle!

Nach ungefähr einem Nachmittag Stricken war mein Kragen fertig. Nur noch das lästige Zusammennähen lag vor mir. Und das ist normalerweise dann die Hürde, über die ich mit meiner Bequemlichkeit nicht hinüberkomme. Beim Supercraft Kit gab's da aber keine Ausrede - schließlich waren allen Zutaten vorhanden, Sticknadel, Schmuckknöpfe und so weiter. Also nähte ich mein Wollstück zusammen, setzte die Knöpfe auf und presto - mein erstes Supercraft Projekt war fertig.



Kleines Späßken - Basteln ist lustig!
Ich find's super - die Designs in der beiliegenden Anleitung sind superschön und verströmen alles andere als den Muff altmodischer Handarbeitsläden. Neben Mütze und Schal gibt es Anleitungen zu einem funky Handwärmer und lustigen Pompoms.

Ich hab jedenfalls gleich mal weiter gestrickt und neue Wolle rangekarrt, damit ein zweiter Kragen gestrickt werden kann. Meine Mutter hat bald Geburtstag - und ihr wisst ja, wie sehr sich Mütter über selbstgebastelte Geschenke freuen. *hüstel* Auch wenn ihre Kinder bereits das mittlere Lebensalter erreicht haben *unschuldigpfeif*
 

Von einer anderen Freundin hatte ich ein wunderschönes Knopf-Einzelstück geschenkt bekommen. Und hier war der ideale Verwendungszweck für das gläserne Kunsthandwerksstück. Kommt auf dem grauen Kragen wunderschön zur Geltung und wirkt geradezu wie eine glänzende Brosche!

Leider hat es nicht zum professionellen Ausleuchten von Model und Mode gereicht, deswegen werden die luschigen iPhone-Fotos dem schönen Kragen nicht gerecht, aber wenigstens zur allgemeinen Ansicht hier noch einmal ein Eindruck vom Gesamtwerk:


Jetzt kann ich nur noch
  1. hoffen, dass Mama hier nicht mitliest
  2. (wenn doch: Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag; Päckchen kommt übermorgen!)
  3. wünschen, dass Supercraft weiterhin so coole Kits zusammenstellt
  4. und D___ danken, dass ich ihr Kit benutzen durfte.



Donnerstag, 18. Oktober 2012

Besuchszeit

Als Auslandsdeutsche bin ich in der glücklichen Lage, oft und lange Besuch zu bekommen. Für gesellige Menschen wie mich ist das ein Glücksfall. Besuch macht mich nämlich zu einem besseren Menschen. 

Das fängt schon vor der Ankunft meiner Gäste an. Spätestens am Tag vor der Anreise ist der Leidensdruck so groß geworden, dass Sonja zu Lappen und Staubsauger greift. Auch selbsternannte Schlampen haben schließlich ihren Stolz! Der Sauberkeitsgrad des Hauses wächst direkt proportional mit der Frequenz des Besuchs. Und dem Verwandtschaftsgrad zur Hausherrin. Direkte Blutsverwandte mit Doppel-X-Chromosom lösen etwa in der Hausschlampefrau ein stärkeres Bedürfnis zum makellosen Präsentieren des häuslichen Wirkungskreises aus als jugendliche Touristen aus dem weiteren Bekanntenkreis, insbesondere solche, die männlichen Geschlechts sind.

Aber auch während des Aufenthalts wirkt die Anwesenheit von Besuchern sich positiv auf seelische und heimische Hygiene der Dame des Hauses aus. Dank langjähriger Gewöhnung bin ich ein Frühaufsteher. Aber ich gebe zu, ich bin ein Spätanzieher. Während es ein Leichtes für mich ist, mich schon um 6.30 am PC zur morgendlichen Frühschicht einzufinden, gedopt mit einem Halbliter-Pott Tee, fällt es mir ungeheuer schwer, nach dem Familienfrühstück um 8 Uhr wortwörtlich aus den Puschen zu kommen. Ganz anders, wenn Besuch im Hause ist. Dem kann man ja schließlich nicht in geblümten Nachthemdchen und Schlupfsocken unter die Augen treten.

Wer mich kennt, weiß, dass ich ich bekennende Nicht-Köchin bin. Wenn es nach mir ginge, gäbe es bei mir nur Backwaren zum Essen. Diese zwar selbst gebacken. Aber keine gekochten Speisen. Mir fehlt die Liebe zum Kochen (leider allerdings nicht die Liebe zum Essen, aber das ist eine andere Geschichte). Dabei ist es um meine Kochkunst gar nicht so schlecht bestellt - Gordon Ramsay muss zwar nicht einpacken, aber zur Hausmacher-Verpflegung reicht es eigentlich noch. Doch hat sich Besuch angesagt, fühlt sich Sonja bemüßigt, in der Küche mit ein bisschen mehr Flair, Fantasie und Mühe zu kochen.

Kein Wunder, dass meine Familie meine Besucher immer extrem gerne empfängt. Nutznießer des picobello sauberen Hauses, einer gepflegten Gastgeberin/Mutter/Gattin und nahrhaft-abwechslungsreicher Ernährung sind meine Kinder. Die freuen sich schon auf den Besuch von Oma und Opa - denn dann wird hier endlich mal wieder sauber gemacht...

Freitag, 29. Juni 2012

Die Kehrseite des Ex-Pat-Daseins

Sprach ich neulich noch davon, wie cool es ist, Ex-Pat zu sein? Sich unter die ansonsten fürs Fußvolk geschlossene Gesellschaft mischen können, beim Empfang ein paar leckere Häppchen abgreifen und schön Konversation machen. Nun ja. Dabei gibt es eine Kehrseite der Medaille, die wiederum nicht so besonders unterhaltsam ist. Und die zeigt sich im regelmäßigen Turnus immer wieder im Sommer. Gestern war es wieder so weit.
Eigentlich war ich mit dem Auto unterwegs, um im Baumarkt ein paar Bilderhaken zu kaufen. Dazu kurvte ich in einem südlichen Vorort Dublins herum - und fand mich plötzlich in der Straße einer befreundeten deutsch-österreichischen Familie. Für eine Zehntelsekunde empfand ich den Impuls "Ach, da halt ich mal eben an und guck bei V___ rein!" Und dann traf mich die Erkenntnis wie ein Schlag: Nix da anhalten! V___ und Familie sind an just diesem Wochenende aus Dublin weggezogen. Auftrag in Dublin nach sechs Jahren erfüllt, nun bringt der Arbeitsplatz von Mr. V___ einen Wohnungsortwechsel mit sich. Die Familie mitsamt zwei Kindern ziehen nach Südostasien. Sicher ein tolles Abenteuer.
Und für uns wieder einmal ein typisches Ex-Pat-Erlebnis: Wir müssen liebgewonnene Freunde verabschieden. Der Kreis der Freunde ist hier immer in Bewegung. Kommen und Gehen. Das ist interessant, aber auch immer wieder enttäuschend. Und so sehr man verspricht und hofft, dass man angesichts moderner Kommunikationsmethoden auch lange Distanzen überwinden wird, so ist es doch unsicher, ob man die Freundschaft fortsetzen kann.
Mir schnürte es im Auto glatt die Kehle zu. Wieder eine nette Freundin weg. Wieder bleibt man selber hier sitzen. Wieder muss mein Kind eine neue Freundschaft schließen, weil ein Kind die Klasse verlässt. Immer wieder der kleine Tod, wie die Franzosen es ja angeblich nennen. Und es ist tatsächlich so - ein bisschen 'was stirbt jedes Mal. Das Vertrauen auf eine lebenslange Freundschaft. Und die Fähigkeit, neuen Freundschaften offen zu begegnen. Denn wenn Freundschaften vonvornherein immer nur auf Zeit bestehen, dann fehlt irgendwann die Kraft, mehr als nur oberflächliche Zivilität in eine Beziehung zu investieren.
*schluchz* Mein Scott, wie tragisch, wie dramatisch, wie egozentrisch. Ich werde es wohl überleben. Aber schön ist es dennoch nicht für die "Zurückgebliebenen"...
Alles Gute in der neuen Heimat, V___, R___, V___ und S___!!! Wir werden euch vermissen.

Freitag, 22. Juni 2012

Ex-Pat-Klüngel

Eigentlich habe ich mich nie als Ex-Pat gesehen: Ich bin nicht vorübergehend von meinem inländischen Arbeitgeber ins Ausland abgesandt worden, und lebe schon gar nicht in einem osteuropäischen, afrikanischen oder asiatischen Land. Dort treibt sich diese Spezies, laut Wikipedia, vor allem herum. Manchmal gibt es aber auch in Dublin das Ex-Pat-Feeling. Und ich muss eingestehen, dass es manchmal auch sehr interessant sein kann, zu den Ex-Patrioten, äh, Ex-Patriaten zu gehören.


Verbunden durch die gemeinsame Heimat, Sprache und Kultur begegnen sich die Ex-Pats im Ausland auf gleicher Ebene, auch wenn sie nach Bildung, Beruf und Gesellschaftsschicht getrennt sind. Oft ist es die Tatsache, dass man Kinder in derselben (Auslands-)Schule hat, die die gesellschaftlichen Grenzen überspringt und Kontakte herstellt, wo sie sonst eher selten sind. Und so hatte ich gestern abend mal wieder das Vergnügen, mich in erlauchten Kreisen zu bewegen.

Das meine ich jetzt nicht mal ironisch. War ein interessanter Anlass - Buchvorstellung im Goethe-Institut Dublin, verbunden mit der Verabschiedung des bisherigen Institutsdirektors. Und schön ist bei diesen Anlässen einfach, dass man sich relativ leicht kennenlernt. Das ist - wir wissen es ja als Deutsche - nicht ganz selbstverständlich. Small Talk zum Kennenlernen, unverbindliches Geplauder, um mal die Zeit miteinander zu zerstreuen, fällt uns in der Regel ja nicht so leicht. Doch hier gibt es immer einen Gesprächsanlass. Sollten Sie sich einmal selber in der Situation finden, im Kreise distinguierter Ex-Pats Konversation machen zu müssen, greifen Sie zu auf meinen amtlich bestätigten


Fragenkatalog des Ex-Pats:
  1. Wie lange sind Sie schon hier?
  2. Warum sind Sie hier?
  3. Wo kommen Sie her?
  4. Wie lange bleiben Sie hier?
  5. Gehen Ihre Kinder auf die deutsche Schule?
  6. Können wir uns auch duzen?
  7. Das Wetter ist ja ganz scheußlich/wunderbar/langweilig/unerträglich.
  8. Autofahren können die ___ überhaupt nicht.
  9. Deutsche Wurst bekommen Sie am besten bei ___
  10. Am meisten vermisse ich ___
Die Antworten sind nicht wirklich wichtig - das lässt sich im Gespräch dann leicht feststellen, ob man sich durch strategisches Zustimmen mit dem Gesprächspartner alliieren will, oder ob taktisches Widersprechen interessanter ist. In jedem Fall ist davon abzuraten, auf  Konfrontationskurs zu gehen - denn Ex-Pat-Kreise sind klein. Und jeder kennt hier jeden...

Sonntag, 20. Mai 2012

Der ganz normale Wahnsinn des Exils, Teil 2

Nichts liegt mir ferner als nationalistische Gefühle. Wäre ich dem Nationalismus verfallen, würde ich wohl kaum im Ausland leben. Doch mit der räumlichen Distanz zum Vaterland nimmt rätselhafterweise gelegentlich der ganz normale Wahnsinn direkt proportional zu.
Kaum hatte ich mich dem Spargelgenuss hingegeben, erfasste mich eine Geistesverwirrung, die rational nicht mehr erklärbar ist. Erklärend muss ich hinzufügen, dass ich als Hanseatin, born and bred, selbstverständlich Anhängerin meines heimatörtlichen Erstligafußballclubs bin. Dieser hat uns zwar in der letzten Saison wenig Freude gemacht, aber die Scholle ist ja vermutlich dicker als das Wasser. Oder so. Wir stehn für Werder ein usw. Genau deswegen kann ich auch nicht erklären, warum mich am gestrigen Abend plötzlich das irrationale Gefühl überkam, beim anstehenden Champions League-Finale ausnahmsweise einmal sämtliche Ressentiments gegen FC Hollywood Bayern München über Bord zu werfen, und mich als Bayern-Supporter vor den Fernseher zu setzen.
Wieder mal drei Stunden meines Lebens, die ich auch nicht zurück kriegen werde. Da spielt diese Spargeltruppe (...) 120 Minuten lang dominant Fußball auf dem Platz. Und lässt sich dann im Elfmeterschießen von FC Chelsea - noch so'n zusammengekaufter TV Hoffenheim - abledern. Echt ey.
Da springt man eeeeeeeeeeeeeeinmal in seinem Leben über seinen Schatten und schenkt seine Gunst dem durchaus verdienten Finalclub, und dann dermaßen enttäuschende Performanzen. Wieder mal was dazu gelernt: Schuster bleib bei deinem Leder Werder.

Sonntag, 29. April 2012

Vakuum

Manchmal bin ich mir nicht mehr so sicher, ob das, was ich als typisch irisch empfinde, wirklich auch so außergewöhnlich ist: Mittlerweile habe ich, stelle ich soeben mit Schrecken fest, mehr Zeit meines Erwachsenen-Lebens im Ausland verbracht als in der Heimat. Bin ich dann noch kompetent, Vergleiche mit Deutschland anstellen zu können? Meine Version Deutschlands ist mittlerweile nicht mehr auf dem neuesten Stand. Ich verließ das Land vor fast 13 Jahren. Rückblick:

1999 hatte ich ganz frisch das Internet ins Haus geholt. Zugriff war damals noch über das melodisch brummende Modem! *tirrriliiii surrrrrr brrrrrrrrraaaabrrrrriiiiiii plopp* Oscar Lafontaine trat im März 1999 von allen Ämtern zurück und zog sich ins Private zurück. Der Euro wurde als theoretisches Zahlungsmittel eingeführt. Mambo No. 5 ist elf Wochen lang auf Platz 1 der Charts. Die Bundeswehr nahm - kontrovers, kontrovers - am Kosovo-Einsatz teil. Die Klitschko-Brüder boxen sich in die Weltklasse. Das letzte Großereignis vor unserem Umzug Ende August war die totale Sonnenfinsternis am 11. August 1999. (Unbeeindruckt - Würzburg war bedeckt!

Ich befinde mich seit zwölfeinhalb Jahren auf dem Stand von Deutschland 1999! Da stellt sich die Frage, wie sich Deutschland in meiner Abwesenheit weiterentwickelt hat. Sind die Deutschen noch immer so gesprächsfrei reserviert wie ich sie in Erinnerung habe? Sind Pünktlichkeit und Ordnung immer noch wichtige "Sekundärtugenden"? Ist Arbeit Lebensinhalt? Duzen wir uns mittlerweile alle?

Meine Randbemerkungen sind womöglich weit weniger frappant als ich denke, da sie sich auf Deutschland 1999 beziehen und auf meine ganz persönliche Erfahrung als damals noch Unter-30-Jährige (*schluck*, wo ist die Zeit geblieben), junge Mutter und frisch examinierte Sek-II-Lehrerin.
Im Grunde lebt man als Auslandsdeutscher in einem Heimat-Vakuum: Statisch verharren Geschichte und Gesellschaft in der Lage, die man damals verlassen hat. Subjektiv und unbewusst. Und in der Rückschau immer mit dem leicht rosigen Schattierung bittersüßen Heimwehs. Früher war alles besser, Deutschland war reicher und ich war jünger. Gerade noch mal entkommen...


Dienstag, 11. Oktober 2011

Oktoberfest in Dublin

Oans, zwoa, gsuffa - diesen Artikel hätte ich wohl doch schon etwas früher schreiben sollen. Denn das Oktoberfest ist mit dem vorgestrigen Sonntag vorbeigegangen. Die Wiesn hat ihre Pforten dichtgemacht, die Maß'n wieder eingemottet und Ausschnitte züchtig bedeckt - Schluss mit lustig, nach zwei Wochen ist Schluss. So übrigens auch in Dublin, denn hier tobt jedes Jahr, stilgerecht, zur Wiesn-Zeit ebenfalls ein Mini-Oktoberfest.



Ich amüsiere mich bei dieser Gelegenheit immer königlich darüber, wie viele Deutsche es doch in Dublin gibt. Nun gut, in der Kulturszene, in der ich gelegentlich ja auch unterwegs bin, sieht man ja immer die selben Gesichter Honoratioren. Beim Oktoberfest sieht man sie weniger, sondern hört sie eher. Tja, wenn es um Bratwurst und Weißbier geht, dann sind se alle da...

Vorgestern war nicht mal mein erster Besuch auf dem diesjährigen Oktoberfest. Bereits letzte Woche hatte ich mich relativ spontan mit einer Truppe Landsleute auf der Bayern-Party getroffen. Normalerweise greife ich damit immer die Gelegenheit auf, mal wieder eine *echte* deutsche Bratwurst vom Schwenkgrill zu bestellen. Angesichts von insgesamt einem Liter Bier habe ich dann aber die Bratwurst ausgelassen. Diäääääääääät!

Was aber gar nicht auszulassen geht, ist Schmalzkuchen. Wenn es die schon mal gibt, dann muss ich auch zugreifen, egal wie fettig und süß die Dinger sind. Ich liebe sie nun mal. Kennt ihr die? In manchen Gegenden Deutschlands auch eher als Mutzenmandeln (oder so ähnlich) bekannt, sind das die Hefeteigstückchen, die in Fett ausgebraten und dann mit Puderzucker bestäubt verzehrt werden. Immer wieder eine reine Sauerei - ich sehe nach dem Genuss einer Tüte Schmalzkuchen immer wie ein Damaltiner im Negativ aus: weiß gesprenkelt. Und dieser Puderzuckerstaub lässt sich ja auch nicht entfernen - eine reine Sauerei ist das...

Worüber ich hier jetzt nicht länger nachdenken möchte, ist übrigens das Deutschlandbild, was den nicht-deutschen Besuchern hier vermittelt wird. Kellner und Kellnerinnen in Dirndl und Lederhose, rustikales Essen, das weniger durch Geschmack als durch Fetthaltigkeit punktet, und vor allem die grau-en-haf-te Volksmusik, die da durch die Zelte geblasen wird. Entsetzlich. Muss das sein? Gehört das wirklich zu deutscher Gemütlichkeit dazu, dass "Und jetzt die Hände zusammen..." und "Schick mir ein Foto von dir" gespielt werden? Und das im Umpapa-Sound? Na dann Grüß Gott!!!

Dienstag, 19. Juli 2011

Eröffnungstouren

Im Rahmen des Fotografie-Fests PhotoIreland finden im gesamten Monat Juli zahlreiche Veranstaltungen zum Thema Fotografie statt. Von fachkundigen Führungen in Fotosammlungen zu Ausstellungen, Workshops und Podiumsdiskussionen. Wir waren letzte Woche schon ordentlich dabei. Über die Komplikationen auf dem Weg zur Galerie berichtete ich ja schon. Da konnte es dann ja nur noch besser werden. Und das wurde es. Nicht nur dank unterhaltsamer Gesellschaft guter Freunde und angesichts interessanter Fotokunst, sondern auch nicht zuletzt wegen der angebotenen Getränke. Denn das ist bei Eröffnungsfeiern natürlich immer inbegriffen - das obligatorische Glas Wein. Oder zwei.

Um es nicht ganz so auffällig zu gestalten, mit welchen Prioritäten man auf eine Eröffnungsfeier gekommen ist, empfiehlt es sich, nicht nur die Glasabnahme im Turnus auf die anwesenden Gruppenmitglieder aufzuteilen, sondern das Weiterziehen auf gleichzeitig stattfindende Veranstaltungen mit einzuplanen.

So geschah es dann auch. Um so überraschter war ich, als ich mich auf Eröffnungsfeier Nummer zwei plötzlich in heimischen Gefilden wähnte - eine Ausstellung deutscher Fotografen der Agentur Ostkreuz, Berlin. Die unerwartete Konfrontation mit vertrauten deutschen Ansichten war extrem gewöhnungsbedürftig - erst recht, wenn man in Begleitung von nicht-deutschen Freunden ist, die eine lückenlose Interpretation und Hintergrundausleuchtung der gesehenen Bilder erwarten.

Und komisch - nur weil es sich um eine Ausstellung deutscher Fotografien handelte, fühlte ich mich tatsächlich besser befähigt, das Gesehene einzuordnen. Der Autorität und dem umfassenden Wissen des Eingeborenen ist eben nichts entgegenzusetzen. Und das gefällt mir manchmal, denn als Ex-Pat bin ich hier tendenziell eher der außenstehende Beobachter, der höchstens mal in Gegenwart von urlaubenden Ausländern die Identifikation und Vertrautheit mit der gewählten neuen Heimat als lückenlosen Kenntnisstand ausgeben kann. Selbst ein Besuch in Deutschland bringt da keine Linderung - nach über einem Jahrzehnt Auslandsleben ist mir auch das Geburtsland fremd geworden und ich kann nicht wirklich mehr generelle Auskunft über "DIE Deutschen" geben.

Bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als mal wieder eine landeskundliche Exkursion in heimische Gefilde anzuberaumen. 

Montag, 20. Juni 2011

Da kommen die Ex-Pats dann mal wieder raus

Deutsche sind ja wohl so die assimiliations-affinsten Nationalität, die es gibt. Wer als Deutscher ins Ausland geht, lernt a) möglichst schnell die Landessprache, b) passt sich örtlichen Sitten und Gebräuchen perfekt an und versucht ergo c), möglichst nicht mehr als Deutscher aufzufallen. Das jedenfalls ist so mein allgemeiner Eindruck von meinen Landsleuten, denen ich in knapp 20-jähriger Auslandserfahrung so begegnet bin.

a) äußert sich meistens in einem übersteigerten Anspruch, sich sprachlich an die Eingeborenen anzupassen. Dazu gehört für die linguistisch Befähigten das Annehmen eines breiten, regionalen Akzents und die Übernahme örtlicher Angewohnheiten wie das ausschweifende Fluchen. In Hinblick auf b) kann man in Irland sehr schnell den Eindruck erwecken, nicht-deutsch zu sein, indem man die laxe Einstellung zu Pünktlichkeit und Ordentlichkeit übernimmt. Und - tada - schon ist c) vollzogen.

Ist ja auch alles schön und gut, und nachvollziehbar. Wer lange im Ausland lebt, wechselt seine Loyalitäten und ist es irgendwann satt, ständig erklären zu müssen, woher man eigentlich stammt - vor allem, wenn man sich dem Zeitpunkt nähert, an dem man bereits länger im Ausland als im deutschen Inland gelebt hat.

Dennoch könnte ich manchmal die Krise kriegen, wenn deutsche Landsleute ganz offenbar versuchen, sich demonstrativ sprachlich von anderen Deutschen zu distanzieren (siehe auch meine Begegnung mit einer Passagierin auf meinem Horrorflug von München nach Dublin). Nein, wir müssen nicht alle Freunde sein, weil wir den Zufall eines gemeinsamen Geburtslandes teilen. Ich frage mich nur oft, warum es manchen Deutschen so schwer fällt, die gemeinsame Sprache und die vielfach gemeinsame Lebenserfahrung einer Kindheit und Jugend in Deutschland als Bindeglied zur unverbindlichen Kommunikation zu nutzen. Da wird lieber beharrlich weiter auf Englisch geredet, obwohl im ersten Kontakt bereits klar ist, dass man denselben Hintergrund hat.

Nur in einem Kontext enttarnen sich die Deutschen selbst ganz gerne: Wenn es um die Wurst geht. Nämlich die gute, alte, deutsche Bratwurst. Die gibt es hier natürlich nur selten mal. Aber bei den bekannten Gelegenheiten - als da wären Weihnachtsbasar in St. Kilian's oder Adventsmarkt im IFSC - da kommen sie dann doch mal alle aus ihren Löchern, die Deutschen. Zuletzt geschehen am vergangenen Wochenende beim Sommerfest der St. Kilian's Grundschule. Wahnsinn, wie viele es von uns gibt - leider allerdings ohne offizielle Zahlen.

Nun ja, sein Geburtsland kann man sich leider nicht aussuchen. Seine Nationalität allerdings (in manchen Fällen) schon. Aber das ist eine Geschichte, die ich dann an anderer Stelle noch mal ausführen werde.

Dienstag, 31. Mai 2011

Landei in London

Zyniker behaupten ja, das Beste an Irland sei seine Nähe zu England. Oder zu der Metropole London. So ganz kann ich dem ja nicht zustimmen, aber ich gebe zu, dass ich mich gerade irrsinnig auf meinen Kurztrip nach London freue. Während ihr hier diesen Beitrag lest, befinde ich mich bereits in der britischen Hauptstadt - automatisches Posten macht's möglich - und klappere Fotoausstellungen ab.


Jahrelang habe ich London übrigens links liegen gelassen. Oder rechts, je nachdem, wie man sich den Atlas nun anguckt. Schlappe 70 Flugminuten von Dublin entfernt, war mir London einfach zu sehr Moloch, als dass es mich interessiert hätte. Vielleicht war ich selber auch einfach noch zu Landei-ig und habe mich nicht getraut? Wie auch immer, im Februar diesen Jahres war ich auf einer selbst-organisierten Studienexkursion in der britischen Hauptstadt - und ganz und gar begeistert.

Schon bei der Ankunft in Victoria Station war mir klar: London is an all different ballgame to Dublin. Soll heißen: London ist doch wirklich ein Tacken mehr Weltstadt als das beschauliche Dublin. Allein schon die verschiedenen Schattierungen der Leute, die im Bahnhof meinen Weg kreuzten, machten das deutlich. Und dann der öffentliche Nahverkehr - mit der tube schnell und unkompliziert überall hin. An jeder Ecke eine Galerie, ein Museum oder ein interessanter Shop. Ich habe es genossen, in mich aufgesogen, aber fast gar nicht gewusst, wo ich zuerst hinschauen soll.

Und genau deswegen freue ich mich auch jetzt schon auf die Rückkehr aus London. Denn so beeindruckend die Weltstadt London auch ist: Wohnen möchte ich da nicht. Zu groß, zu hektisch, zu anonym, zu unübersichtlich. Fast schon zu viel Auswahl. Da lobe ich mir mein dear, dirty Dublin. Hier kenne ich mich aus, hier treffe ich bei jedem Stadtbummel mindestens einen Bekannten, hier fühle ich mich wohl.

Einmal Landei, immer Landei? Und wenn schon - auch in Dublin gibt es Hauptstadtfeeling. Das Regierungsviertel mit Parlament und Department of the Taoiseach - quasi das irische Bundeskanzleramt - sind gleich um die Ecke. Und wenn ich mich wie Dieter Kronzucker fühlen möchte, brauche ich nur um 18 Uhr während der ersten Fernsehnachrichten mal eben die Straße runterzugehen und mich dezent hinter dem Radio Telefis Eireann-Reporter ins Bild zu schmuggeln. "Aus Dublin berichtet Sonja Kroll." Schalten Sie auch am Donnerstag wieder ein, wenn Kulturreporterin Kroll von ihrem Auslandseinsatz in London zurück ist.

Sonntag, 17. April 2011

I love Dublin!

Nun bin ich selber ja ein leidenschaftlicher Tourist, liebe Geschichte über alles (das hab ich ja auch vor hundert Jahren mal studiert) und kann mich stundenlang in Museen, Galerien und Ausstellungen aufhalten. Der schönste Anblick, den ich kenne, ist der entzückende Rücken einer Stadtführerin mit Knirps am ausgestreckten Arm! If you lead, I will follow - absolut und blind!

Gestern war ich nun die Knirpsträgerin. Ja, ich hatte tatsächlich einen dabei, aber in Anbetracht der Tatsache, dass unsere Gruppe aus überschaubaren drei Teilnehmerinnen bestand, konnte ich den Knirps in der Tasche lassen. Die Gelegenheit zum Angeben Herumführen ergab sich, da meine Internetfreundin S___ zum ersten Mal in Dublin war. Ich hatte dazu eine Tour ausgearbeitet, die uns in knapp zwei Stunden an den wichtigsten Sehenswürdigkeiten (der Südseite) vorbeiführen sollte.

View Dublin-Tour in a larger map

Während Frau Sonja eine handliche Kurzfassung aller baulichen und historischen Ereignisse Dublins seit Stadtgründung im 9. Jahrhundert parat hatte, waren die Besucherinnen mehr am Leben mit und zwischen den Iren interessiert. Aber nichts da, ein wenig historische Unterweisung musste sein, da kommt dann unweigerlich der Pädagoge in mir hervor.

Vielleicht war es auch viel mehr so, dass ich mir mal wieder meine Lieblingsstadt selber zeigen wollte?! Das brauche ich gelegentlich mal, ein kleiner Auffrischer, wie schön es in meiner Wahlheimat eigentlich ist, was ich an Dublin liebe und schätze. Warum ich hier nie wieder weg möchte, aus dieser Hauptstadt mit Dorfcharakter, bei der ich auf jedem Stadtausflug mindestens einen Bekannten im Gewühl der Großstadt treffe - beachtlich, bei knapp 500.000 Einwohnern, und ich "nur" Ausländer. Aber genau das ist es - die Menschen hier, die Aufgeschlossenheit und Freundlichkeit der Iren, sind es, die mich in Irland halten. Die Iren sind ein liebenswertes Völkchen. Welch ein Glück, unter ihnen leben zu dürfen!

So, das musste mal gesagt werden.