Sonntag, 30. Oktober 2011

Trampled Underfoot

Eigentlich wollte ich euch heute morgen in gewohnt ironisch-distanzierter Art über die Ergebnisse der irischen Präsidentenwahl informieren. "Nur noch eben kurz zum News Agent gehen und eine Sunday Times kaufen", dachte ich mir. Und dann hatte ich ein kleines Erlebnis, das die Verhältnisse in diesem Land auf ganz andere Art und viel eindringlicher beleuchtet, als es ein Kommentar zur Wahl von Michael D. Higgins zum neunten Präsidenten der irischen Republik täte.

Ich war wie gesagt auf dem Weg zum Shop um die Ecke. Schon auf dem Weg zum Laden war mir ein junger Mann aufgefallen, der mir entgegenschlenderte und mich zaghaft angelächelt hatte. Ich dachte mir nichts dabei - außer dass ich vermutlich unwiderstehlich gut aussehen müsse, wenn mich junge Männer anlächeln.

Mit meiner Zeitung unter dem Arm trat ich kurz darauf wieder aus dem Laden heraus. Und kaum drei Schritte gegangen, kam mir der junge Mann von vorher wieder entgegen. Als wir auf gleicher Höhe waren, sprach er mich an. Ich dachte, es handle sich um einen Touristen, der mich nach dem Weg fragen wolle, und stöpselte meine Kopfhörer aus den Ohren. Er konnte mir kaum in die Augen gucken, lächelte schüchtern-traurig und sagte dann sehr leise, fast tonlos: "Hallo, es tut mir wirklich leid, dich ansprechen zu müssen. Aber ich bin in einer schwierigen Lage. Ich habe kein Geld und ich brauche etwas für eine Obdachlosenherberge heute nacht. Kannst du mir helfen?"

Die Zeiten sind schlecht. Auch ich bin bei weitem nicht so finanziell sorglos wie ich das vor drei Jahren gewesen bin, in den Vor-Crash-Zeiten. Und doch griff ich ohne zu überlegen in meine Handtasche und zog aus meinem Portmonnee einen Fünf-Euro-Schein und reichte ihn dem jungen Mann. Er blickte mich überrascht an. "Bist du sicher?" Ich nickte. "Wirklich?" "Ja, klar." Er sah mir in die Augen und meinte "Du hast gerade meinen Tag gerettet. Du bist die erste, die überhaupt stehen bleibt, um mich anzuhören. Ich danke dir." Ich wünschte ihm noch viel Glück und ging dann weiter.

Vielleicht bin ich naiv und lasse mich einfach übers Ohr hauen. Möglicherweise ist der junge Mann ein guter Schauspieler und hat einen Trick gefunden, wie er weichherzigen Frauen im mittleren Lebensalter die Penunzen aus der Tasche ziehen kann. Und fünf Euro sind heute für mich durchaus Geld, das ich nicht unüberlegt rauswerfe. Aber in diesem Moment waren sie für mich nur die Zahl auf einem Stück Papier. Denn ich habe so viel anderes, das unbezahlbar wertvoll ist, und dieser junge Mann hat das nicht. Nirgendwann anders als heute war mir das je so klar. Meine Eltern befinden sich zur Zeit zu Besuch bei mir. Sie haben mir zum Geburtstag, der demnächst ansteht, ein Geschenk mitgebracht, das ein Vielfaches der fünf Euro kostet, die ich dem jungen Mann gegeben habe. Geld? Schall und Rauch! Familie, Freunde und ein Dach über dem Kopf: Das ist Alles! Wie leicht es einem fällt, sich von (ein bisschen) Geld zu trennen, wenn einem das wieder einmal bewusst wird.

Und erst recht, wenn gleichzeitig auf dem iPod gerade ein Lied namens "Trampled Underfoot" läuft, wie passend (mal ansonsten von den Lyrics abgesehen)! Auf mir trampelt niemand herum, deswegen kann ich jemandem, der von den Umständen des Lebens offenbar ganz anders betroffen ist als ich, wenigstens so aushelfen. Und ich habe nicht nur ihm den Tag gerettet, sondern er auch mir - denn die Perspektive ist mal wieder gerade gerückt worden. Danke.

Dienstag, 25. Oktober 2011

Flut

Man sollte irgendwie meinen, dass Irland mit Wasser irgendwie Expertise hat. Nicht nur so als Inselnation. Sondern eher so als Land, das ja durchaus Erfahrung mit Regen hat, nech. Ich mein, es regnet hier ja eigentlich immer. Wenigstens einmal am Tag. Aber heute, da hat es mal den ganzen Tag geregnet. Und die Quittung haben wir auch gleich hier:



Ein kleines Video, das ich eigenhändig vor ein paar Stunden gedreht habe. Symptomatisch für Irland im Herbst. Nicht immer. Aber immer öfter. Und hier die dazugehörige Geschichte:

Es sollte ein schöner Abend werden. Beruflich hatte ich vier Eintrittskarten zu einer Vorführung des Films "Round Ireland with a Fridge" bekommen. Mann und Mäuse durften mich zur Ausübung meines Berufs (ausnahmsweise mal journalistisch, nicht fotografisch) begleiten, da es sich um einen komödiantischen Film handelte. Doch oh weh, der Dauerregen hatte bereits heute morgen eingesetzt, und als wir uns auf den Weg machen wollten, war der Feierabendverkehr so stark, dass wir kurzerhand entschieden, per Straßenbahn zum Kino im schicksten Einkaufszentrum Dublins zu fahren. Das Schicksal meinte es wohl gut mit uns - dazu aber später mehr. Zunächst mal war ich dem Schicksal nämlich nicht dankbar: Schon auf dem Weg zur Straßenbahnhaltestelle waren wir trotz dreifacher Beschirmung in kürzester Zeit durchweicht. Und außer uns wollten natürlich auch zahlreiche weitere Zuckerpuppen nicht nass werden, so dass wir uns mit eingezogenen Bäuchen zu den bereits wie Sardinen in der Büchse stehenden Strabapassagieren quetschen mussten, um überhaupt in die Bahn zu kommen.

Aber wir kamen an, die Freikarten lagen am Kino bereit und im WC gab es einen puststarken Handtrockner, der auch gleich die durchweichte Bluse wieder trockenfönte. Das Kino war mehr als dürftig besetzt - kein Wunder, bei dem Wetter. Und so beglückwünschte uns auch der Hauptdarsteller, Skriptwriter und Autor des Films, Tony Hawks, zu der erlesenen Zahl der Glücklichen zu gehören, die an diesem Abend gegen alle Elemente ankämpfend seinen Film sehen durften.

Mit Popcorn und Maltesers bewaffnet sanken wir in die roten Plüschsessel und genossen den Film - bis urplötzlich nach einer Stunde das Neonlicht aufflackerte. Sauerei, was für eine Unterbrechung? Drei offiziöse Herren stürmten in den Kinosaal und machten eine Ansage, die wir, auf den hinteren Plätzen sitzend, unter dem lauten Filmdialog leider nicht verstanden. Angesichts der Tatsache, dass alle anderen Kinoinsassen jedoch ihre Jacken anzogen und aus dem Saal stürmten, beeilten wir uns aber, hinterher zu kommen. Erst beim Hinausgehen erfuhren wir dann, dass das Shopping Center und das darin befindliche Kino soeben komplett evakuierte werde. Hochwasser.

Oder "flood" auf Englisch. Ein Wort, über das ich mich ja immer gerne amüsiere, ruft es bei mir doch Assoziationen von sturmgepeitschten Wellenbergen, Vollmond-Springflut und absaufenden Seelenverkäufern hervor. Haha, ein bisschen Wassereinbruch in'ner Tiefgarage, dachte ich noch so bei mir, bis ich dann vor das Kino trat und dort die aus den Gullydeckeln emporspritzenden Fontänen sah.

Dublin im Notstand. Mein Video von oben gibt es nur bruchstückhaft wieder, was draußen abging. Während sich das Shopping Center zu einem Hallenbad olympischer Ausmaße verwandelte, rauschten die an einem Hang gelegene Straße wahre Bäche von Wasser hinab. An ein Nachhausekommen trockenen Fußes war nicht mehr zu denken. Bereits nach fünf Metern waren meine Stiefel durchnässt. Glück im Unglück, dachte ich noch, denn wir mussten ja kein Auto mehr retten, waren ja mit der Straßenbahn gekommen. Alles, was in der Tiefgarage stand, war bereits unfreiwillig zum Amphibienfahrzeug umgerüstet worden.

Auf zur Straßenbahn, die bereits wartete. Doch wenn wir nun glaubten, dass wir nun trockenen Fußes nach Hause sausten, hatten wir uns getäuscht. Ansage in der Bahn "Verehrte Fahrgäste, leider verkehrt diese Bahn auf Grund von Hochwasser nur bis zur Haltestelle Beechwood. Wir bitten eventuelle Unannehmlichkeiten zu entschuldigen." Ach bitte doch, gerne. Bäh. Beechwood ist vier Haltestellen von der Innenstadt entfernt. Und als wir dort ausstiegen, wurden wir erst so richtig nass: Die Bahn konnte wahrhaftig nicht weiterfahren, da die Gleise einen halben Meter unter Wasser standen. Also stapften wir zwangsweise durch Regen, knietiefe Pfützen und immer in Erwartung einer Vertikaldusche mit ignoranten Grüßen vom rücksichtslosen Autofahrer neben uns nach Hause.

Tja, es soll wohl, so habe ich sagen hören, in manchen Ländern die enorm progressive und geradezu revolutionäre Idee geben, im Herbst das fallende Laub der Bäume regelmäßig von der städtischen Fahrbahnreinigung aufharken und einsammeln zu lassen. Könnte durchaus dem ständigen Durchfluss der Gullys und Rinnsteine zuträglich sein, habe ich mir sagen lassen. Das ist ein zukunftsträchtiges Konzept, aber eines, das in Irland bisher noch nicht auf Nachhaltigkeit und praktische Durchführbarkeit getestet wurde. Laubfall und Abflussfreiheit sind hier bislang noch in keinen kausalen Zusammenhang gebracht worden. Vielleicht ist noch Zeit, mir das patentieren zu lassen? Es könnte ja mal gebraucht werden...

Samstag, 22. Oktober 2011

Präsidentenwahl

Nun geht es in die heiße Phase! In knapp einer Woche findet die irische Präsidentenwahl statt. Nach 14 Jahren Mary McAleese muss das irische Volk sich einen neuen Repräsentanten wählen. Und das scheint für Überraschungen zu sorgen.

Während der irische Präsident genauso wie in Deutschland weitestgehend nur repräsentierend wirkt (mal abgesehen vom obligatorischen "Kaiser Wilhelm" unter neuen Gesetzen - vereinfacht gesagt), wird der erste Mann/die erste Frau der Poblacht na hEireann im Gegensatz zu unseren deutschen Wahlgesetzen hier per direkter Wahl ermittelt. Keine Bundesversammlung aus bunt zusammengewürfelten öffentlichen Würdenträgern, Sportlegenden, örtlichen Honoratioren und politischen Big-Wigs - direkte Demokratie, per  Wahl.

Das Feld ist weit gestreut, da werden alle politischen Farben abgedeckt. Naja, fast alle, denn die ehemalige Regierungspartei Fianna Fail (mehr oder weniger verantwortlich für den Zusammenbruch des Landes nach 2008 - jaja, gaaaaanz verallgemeinernd gesagt!) hat keinen alten Parteisoldaten bereit gestellt. Da hatte man sich wohl von vornherein keine Chancen ausgemalt, den Präsidenten aus den eigenen Reihen zu bestellen. Lediglich ein vor Jahren mal mit der Partei verbundener Kandidat wurde aufgestellt. Und der scheint nun das Rennen zu machen: Sean Gallagher ist bei weitem der jüngste der sieben Kandidaten - ein Self-made Businessman, dessen Name in Irland weit bekannt ist, da er in einer Fernsehshow mitgewirkt hat, bei der Erfinder und potentielle Unternehmer ihre Geschäftsideen vorstellen und eventuelle Finanzpartner finden. Den letzten Umfragen zu Folge hat Gallagher 40 Prozent der Wählerschaft hinter sich. Erstaunlich! Ich hatte ihn als einen chancenlosen Außenseiter eingeschätzt - aber ich bin eben auch keine Irin *grins*...

Mehr Chancen hatte ich da schon Michael D. Higgins gegeben. Der verkörpert nunmehr den Typus des "Elder Statesman". Irischer Präsident - das wäre so die Krönung eines jahrzehntelangen Aufreibens in der irischen Politik. Higgins ist Sozialdemokrat und vertrat die irische Labour Party in den Achtziger und Neunziger Jahren im Parlament. Unter anderem war er zudem Kultusminister. Und ist ein netter älterer Herr, kultiviert und weltgewandt - genau richtig für einen Präsidentenjob?!

Dabei habe ich es mit etablierten Politikern ja nicht so - und schon gar nicht mit dem Kandidaten der Regierungsparteil Fine Gael. Gay Mitchell steht für diese im Rennen. Wird aber bereits in den Prognosen von der Bevölkerung für die Larifari-Attitüde seiner Partei abgestraft. Der wird's nicht werden.

Ein interessanter Außenseiter ist David Norris. Eine wahre schillernde Figur - ehemaliger Literaturprofessor und Joyce-Experte, Gay Rights-Aktivist, mit seinem anglo-irischen Hintergrund eher ein Minderheitenvertreter - und im Auftreten ein Exzentriker par excellence. Schade, dass sich Norris vor dem Hintergrund irgendeines Skandals in grauer Vorzeit während des Wahlkampfs als Kandidat zurückgezogen hatte, um dann wieder in das Rennen auf Aras an Uachtarain (das Präsidentenhaus) einzusteigen.

Wenn man in Irland einen Präsidenten wählt, braucht man nach den beiden letzten Vorgänderinnen Mary Robinson und Mary McAleese natürlich eine obligatorische Mary, die sich zur Wahl stellt. Die gibt es auch, und zwar Mary Davis, eine unabhängige Kandidatin, die auf Grund ihres Engagements für die Special Olympics in Irland Rang und Namen hat. Aber eine reelle Chance auf das Amt hat sie nicht. Drei Prozent sagen die Vorhersagen für sie voraus.

Genauso soll auch die letzte im Bunde abschneiden: Dana Rosemary Scallon. Ja, hier gibt es "all kinds of everything" - eine ehemalige Schlagersängerin und Grand Prix-Gewinnerin im irischen Weißen Haus? Wohl besser nicht, schon gar nicht bei ihrer ultrakonservativen Einstellung gegenüber Abtreibung und Scheidung.

Interessant wird es allemal werden - am Freitag dann mehr zu den Ergebnissen der Wahl.

Mittwoch, 19. Oktober 2011

Frischer Ausschnitt

Der Ausschnitt ist wieder verpackt. Hallo, richtig lesen, Herrschaften! Ich spreche hier über den AuSschnitt! Die Salami ist im Kühlschrank sowieso vorschriftsmäßig und hygienisch in formschönen Tupperdosen gelagert. Über meine Verpackungsvorlieben hatte ich diesbezüglich ja schon vor langer Zeit berichtet. Nein, jetzt geht es also um den weiblichen Dekolletéebereich. Dieser hat zwar weniger Hygienevorschriften zu beachten, kann bei falscher Behandlung aber ebenfalls zu Faltenbildung und Austrocknung neigen, ganz ähnlich wie der Wellrand einer nicht luftdicht verpackten Aufschnittsorte...

Der Ausschnitt ist also wieder verpackt. Denn es ist kalt geworden. In den letzten Tagen ist das Thermometer in den Keller gesackt, bildlich gesprochen. Richtiggehend erschreckend war der Moment gestern morgen um halb 8, als das Thermometer am Küchenfenster die gefühlten Frösteltemperaturen mit 5 Grad bestätigte. Wieder ein (ohnehin nicht als solcher zu bezeichnender) Sommer vorbei. Ab sofort bleiben die Spaghettiträgernachthemdchen mit tiefem Ausschnitt im Schrank und die langärmeligen Pyjamas kommen wieder zum Einsatz. Zum Aufenthalt im Haus empfiehlt es sich, über einem obligatorischen Unterhemd nun auch wieder mindestens ein lamgärmeliges T-Shirt zu tragen, darüber dann das Top des Tages, abgerundet mit einer universal einsetzbaren Fleece-Jacke.

Und die kleinen Tricks werden auch wieder angewandt. Abgesehen von den Tassen heißen Tees im halbstündigen Zyklus sucht die fröstelnde Dame des Hauses dann nach kulinarischen Gründen, die Küche mittels Abbacken eines Gebäcks/Auflaufs vom Backofen anheizen zu lassen. Nie fahre ich so gerne Auto wie in diesen Tagen. Kinder mittags von der Schule abholen? Aber gerne doch - im Auto ist ja nullkommanichts die Heizung angeworfen, und man sitzt im mollig warmen Fonds. "Möchtest du auch gerne abgeholt werden, Kind Nummer zwei mit Schulschluss um 16 Uhr?" Mamas fahrbarer Fußsack ist bereit!

Vielleicht sollte ich mich einfach nur durchringen, jetzt eben doch morgens den Gasofen im Arbeitszimmer anzuschmeißen. Da steht ja noch irgendwie diese stoisch-protestantische Erziehung dagegen. "Heizung? Ja wohl erst ab Wintereinbruch! Heizen im Oktober ist für Warmduscher!" Warme Gedanken mache ich mir jedenfalls schon mal künstlich - und so ein Video ist nicht nur kosteneffizient, sondern auch CO2-freundlich. Emissionsfreie Herbstgrüße!

Donnerstag, 13. Oktober 2011

Gute-Laune-Morgen

Eigentlich wollte ich euch diese Woche noch mit einem politischen Beitrag beglücken. Die irische Präsidentenwahl steht in wenigen Wochen an und der Wahlkampf läuft auf Hochtouren. Doch nun drängt ein anderer aktueller Anlass das Thema in den Hintergrund: Heute ist ein gute-Laune-Morgen. Und zwar einer, wie es ihn nur in Irland geben kann.

Anlass meiner Eloge? Auf dem Rückweg vom Kurzeinkauf fiel mir plötzlich auf, dass sich ein ununterdrückbares Lächeln auf meinem Gesicht breit machte. Woher bloß? Und dann wurden mir so viele Gründe bewusst, von denen viele mit meiner Lieblingsstadt zusammenhängen:

Es bringt mich zum Lächeln, wenn...
... unerwartet die Herbstsonne auch noch nach 10.30 Uhr scheint.
... die Efeublätter zwischen blutrot und zartpink leuchten.
... im Straßencafé ein schicker Mann ein Zigarillo rauchend sitzt.
... im iPod "Kashmir" von Led Zep auf Endlosschleife läuft.
... in meiner Einkaufstasche eine Packung Chocolate Chip Cookies darauf wartet, von mir verzehrt zu werden.
... der Himmel azurblau ist.
... meine Ohrringe beim Gehen klimpern.
... ein LKW-Fahrer mit seinen zwei Hunden auf der Ladefläche sitzend Frühstückspause macht.
... mir mein Lächeln von einem Passanten erwidert wird.
... der Duft frischgebackener Croissants aus dem Coffeeshop noch meterweit weiterzieht.
... meine Haare mir beim Gehen in die Augen fallen.



Ich hoffe, ihr habt auch einen schönen Herbst, wo auch immer ihr seid! Nach meinem kleinen Erlebnis heute morgen bin ich für den Rest des Tages jedenfalls in unwiderruflich guter Laune.

Dienstag, 11. Oktober 2011

Oktoberfest in Dublin

Oans, zwoa, gsuffa - diesen Artikel hätte ich wohl doch schon etwas früher schreiben sollen. Denn das Oktoberfest ist mit dem vorgestrigen Sonntag vorbeigegangen. Die Wiesn hat ihre Pforten dichtgemacht, die Maß'n wieder eingemottet und Ausschnitte züchtig bedeckt - Schluss mit lustig, nach zwei Wochen ist Schluss. So übrigens auch in Dublin, denn hier tobt jedes Jahr, stilgerecht, zur Wiesn-Zeit ebenfalls ein Mini-Oktoberfest.



Ich amüsiere mich bei dieser Gelegenheit immer königlich darüber, wie viele Deutsche es doch in Dublin gibt. Nun gut, in der Kulturszene, in der ich gelegentlich ja auch unterwegs bin, sieht man ja immer die selben Gesichter Honoratioren. Beim Oktoberfest sieht man sie weniger, sondern hört sie eher. Tja, wenn es um Bratwurst und Weißbier geht, dann sind se alle da...

Vorgestern war nicht mal mein erster Besuch auf dem diesjährigen Oktoberfest. Bereits letzte Woche hatte ich mich relativ spontan mit einer Truppe Landsleute auf der Bayern-Party getroffen. Normalerweise greife ich damit immer die Gelegenheit auf, mal wieder eine *echte* deutsche Bratwurst vom Schwenkgrill zu bestellen. Angesichts von insgesamt einem Liter Bier habe ich dann aber die Bratwurst ausgelassen. Diäääääääääät!

Was aber gar nicht auszulassen geht, ist Schmalzkuchen. Wenn es die schon mal gibt, dann muss ich auch zugreifen, egal wie fettig und süß die Dinger sind. Ich liebe sie nun mal. Kennt ihr die? In manchen Gegenden Deutschlands auch eher als Mutzenmandeln (oder so ähnlich) bekannt, sind das die Hefeteigstückchen, die in Fett ausgebraten und dann mit Puderzucker bestäubt verzehrt werden. Immer wieder eine reine Sauerei - ich sehe nach dem Genuss einer Tüte Schmalzkuchen immer wie ein Damaltiner im Negativ aus: weiß gesprenkelt. Und dieser Puderzuckerstaub lässt sich ja auch nicht entfernen - eine reine Sauerei ist das...

Worüber ich hier jetzt nicht länger nachdenken möchte, ist übrigens das Deutschlandbild, was den nicht-deutschen Besuchern hier vermittelt wird. Kellner und Kellnerinnen in Dirndl und Lederhose, rustikales Essen, das weniger durch Geschmack als durch Fetthaltigkeit punktet, und vor allem die grau-en-haf-te Volksmusik, die da durch die Zelte geblasen wird. Entsetzlich. Muss das sein? Gehört das wirklich zu deutscher Gemütlichkeit dazu, dass "Und jetzt die Hände zusammen..." und "Schick mir ein Foto von dir" gespielt werden? Und das im Umpapa-Sound? Na dann Grüß Gott!!!

Freitag, 7. Oktober 2011

Backwahn

Mit dem Backen ham se es ja nich so, die Iren. Oder vielleicht kommt es einem ja auch nur so vor, wenn man aus der Wiege der Schwarzwälder Kirschtorte kommt, der Heimat des Butterkuchens und dem Hort des Frankfurter Kranzes. Nun hat Irland zugegebenermaßen auch einige der der Meisterschaft im Backwettbewerb entgegenstehenden Ausgangsprobleme. Mit exakter Wissenschaft ist man es in Irland auf Kriegsfuß - und Backen ist genaus das, eine Meisterleistung pedantischer Rezeptgenauigkeit, bei der die Fusion der Elementarteile direkt proportional von der folgsamen Umsetzung grammgenauer Rezeptangaben abhängt. "Ach, das wird schon gehen" passt da nicht! Und angesichts der doch recht kargen einheimischen Obstvielfalt, fehlt eventuell auch der Antrieb zur kulinarischen Verwertung von Naturalien.

Wie immer hat aber die Tatsache der irischen Unterperformanz im Bereich Backwaren Vor- wie auch Nachteile. Als Deutsche in Irland gelingt es mit sehr geringem Aufwand maximal zu beeindrucken. Ein simpler Sandkuchen erzielt hier bereits große Erfolge; eine Sahnetorte erhebt die Kreateurin des Gebäcks in den Olymp kulinarischer Halbgottheiten.

Der einzige Nachteil der irischen Backresistenz: ein Volk, das nicht backt, hat auch nicht die Backzutaten im Supermarktangebot. Gehackte Walnüsse? Selberhacken! Vanillezucker? Fehlanzeige. Springform? Immer aus Deutschland importieren. Heck, wenn man hier einen Backofen kauft, wird der ohne Backblech geliefert!! Und die gekauften Backbleche sind immer zu klein für deutsche Blechkuchenmengen.

Wie dem auch sei, heute habe ich mich mal wieder der Backlust gewidmet. Der Anlass ist auch ein guter - deutscher Besuch, der nicht nur Selbstgebackenes zu schätzen weiß, sondern selber ein fantastisches Food-Blog schreibt, bei dem allein schon die köstlichen Fotos Hunger machen. Guckt mal rein bei dearbelly.

Und wir essen jetzt einen frisch gebackenen versunkenen Birnenkuchen. Es lebe der Backwahn!

- Posted on Tour, using BlogPress from my iPhone

Montag, 3. Oktober 2011

Ich will Meer!

Es ist allzu leicht, im Großstadtleben der Metropole Dublin zu vergessen, dass ich direkt am Meer lebe. Nun, allerdings nicht mit Balkonblick auf die See. Ich kann noch nicht mal die Mischung aus Fischmief und Teer riechen, wenn ich meine Nase aus dem Fenster stecke. Aber manchmal werde ich doch daran erinnert, dass das Meer nie weit weg ist.

Nach einer Kaffeeeinladung am gestrigen Nachmittag fuhr ich auf dem Rückweg einen Abstecher auf die Küstenstraße von Arklow nach Wicklow - und konnte nicht widerstehen, einen Strandparkplatz anzusteuern. Das Wetter war ganz für einen Herbstspaziergang gemacht - Nieselregen und Wind, tiefliegende Wolken. Das bedeutet: wenig los am Strand.

Brittas Bay
Manch einer findet das langweilig und depressiv. Für mich ist es tröstend. Ich liebe es, wenn die Wellen brachial an den Strand krachen, wenn der Wind an den Haaren zerrt und du die Regentropfen auf dem Gesicht wie feine Nadelstiche spürst. Eine Erinnerung, dass wir nicht nur in unserem Inneren leben, sondern die wahre Macht von außen kommt.

Auweia, Anflüge einer Herbstdepression??? Nein, keine Angst, ich war zwar versucht, in die Wellen zu springen, aber nicht um mich malerisch und dramatisch zu ertränken, sondern weil das Meer am Ende des Sommers erfahrungsgemäß dank der Sommersonne wärmer ist als im Juni. So hatte das Meer hier Anfang des Sommers rund 12°C. Im September 2011 dagegen sind es über 14 Grad.

Und nichts ist besser, als eine heiße Tasse Tee, wenn man durchweicht und verfroren von draußen reinkommt. Auf die kommenden Herbststürme!