Donnerstag, 15. September 2011

Schein oder Sein?

Mal ganz ehrlich: Mit dem Putzen habe ich es ja nicht so. Ich habe eine, wie hier ja schon mehrfach erwähnt, sehr hohe Schmutzschwelle. Im Laufe der Jahre habe ich eine Art optischen Staubfilter entwickelt. Dabei handelt es sich nicht um einen handlichen Staubsaugeraufsatz, sondern um die subjektive und gezielte optische Ausblendung von Staubansammlungen im Wohnraum bei der Übertragung der visuellen Informationen von der Netzhaut ans Hirn. Ähnlich selektive Wahrnehmung hat sich dank langjähriger Übung auch beim Ignorieren unansehnlicher Flecken auf dem Küchen-PVC sehr bewährt. Einzig und allein die Unordnung lässt sich schlecht wegdenken - da besteht noch Bedarf an bewusstseinsändernden oder selbstsuggestiven Bewältigungsstrategien.

Gestern musste ich nun aber leider ran: Ein Kamerateam vom irischen staatlichen Fernsehen hatte sich zum Dreh in meinem heimischen "Museum" angesagt. Im Mittelpunkt des Interesses stand eine schon lange tote Bewohnerin unseres Hauses, die Malerin Mainie Jellett, die erste kubistische Malerin der britischen Inseln. Darüber hinaus wünschte das Team auch noch ein bisschen "Homestory" mit mir zu machen, um zu illustrieren, dass unser Haus als Familienresidenz bewohnt wird. Das bedeutete, Küche und Wohnzimmer aufräumen und präsentabel machen. In meinem Fall hieß das: Grundrenovieren! Am liebsten hätte ich ja gleich richtig klar Schiff gemacht. Wenn ich schon aufräumen und putzen muss, dann bitte doch richtig: PVC rausreißen, die Arbeitsplatten mal alle abschleifen, die Decke könnte auch mal neu verputzt und gestrichen werden. Dazu reichte nun aber leider die Zeit doch nicht - ich hatte nur zwei Tage Vorlauf, die sich dank meines außerordentlichen Ignorier- und Verzögerungstalents letztlich auf einen Abend und einen Viertel-Morgen reduzierten.

Dennoch ist es aber ja immer erstaunlich, wie viel man doch schafft, wenn man muss. Das Geheimnis meines Erfolgs: Umschichten. Küche und Wohnzimmer sehen klasse aus. Könnten beide in einer Wohnzeitschrift erscheinen. Ungelogen. Aber guckt bitte nicht in mein Arbeitszimmer. Dort stapeln sich gerade ungeordnet zwei abgehängte Kronleuchter, zwei Stereorekorder, eine Pappkiste voll "Kram", ein Weidenkorb voll "noch mehr Kram" eine Nähmaschine, vier Lichtschutzplatten (Studioausrüstung) und ein heimatloser Staubsauger.

Ich könnte nun eigentlich wieder zurückordnen. Aber: Es ist unheimlich schön, plötzlich, in der Küche. Die Arbeitsplatten frei und sauber. Der Kaminsims aufgeräumt und symmetrisch dekoriert. Der Geschirrschrank wohl geordnet und mit freier Ablage. Erstaunlich, wie gut das alles aussieht. So wohl habe ich mich schon lange nicht mehr in meiner Küche gefühlt. Das soll so bleiben. Und wenn wir alle draußen bleiben, wird es auch nicht wieder unordentlich. Ab jetzt nur noch Frühstück bei McDonald's, Lunch vom Sandwich-Shop und Dinner im Restaurant. Das wird teuer - aber es sieht gut aus.

3 Kommentare:

  1. Gröööhl... so nen Staub und Schmutzfilter hab ich auch...

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  2. Ich war noch nie so froh über meine Standard-Mietwohnung ... ich mein, ins Fernsehen kommen ist ja echt toll, aber doch nicht mit meiner Wohnung!

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  3. Herrlich Sonja!!! Diesen optischen Staubfilter kenne ich, den hab ich schon lange in Benutzung. Besonders an Tagen, an denen der Brenner winkt, wird der automatisch zugeschaltet. Und auch die Körbe (bei mir sind es Schachteln) mit "Kram" kenne ich gut. Am besten, Du lässt die Sachen im Arbeitszimmer gut "abliegen" und was Du im nächsten Vierteljahr nicht vermisst, schmeiss weg. ;-) Vielleicht bräuchte ich auch mal so ein Fernsehteam... Wann wird das überhaupt gesendet? Kannst Du das dann in Youtube stellen?
    Liebe Grüße
    Biggi

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