Mittwoch, 30. Oktober 2013

Gesprächseröffnung

Dass die Iren ein freundliches, sehr zum Plaudern aufgelegtes, aufgeschlossenes Völkchen sind, habe ich in diesem Blog schon oft betont. Vor allem Iren meiner Generation und älter sind wahre Plaudertaschen, wohl noch geprägt von einer Zeit, in der man - bedingt durch Arbeitslosigkeit und insulare Isolation - einfach die Zeit zum endlosen Reden hatte. Kein Internet und kein Kabelfernsehen, die einen ununterbrochen unterhielten. Wer kommunizieren wollte, brauchte dazu noch Gesprächspartner. Und so sind sie auch heute noch, einem kleinen "chat" nie abgeneigt, denn small talk geht schließlich immer.
Small Talk ist nicht unbedingt universal kulturkompatibel. Wir Deutschen sind dazu ja eher etwas zu ernsthaft und dröge - bei uns muss es leidenschaftlich und in die Tiefe gehen.  Abgedroschene Oberflächlichkeiten sind uns zuwider. Man redet ja schließlich nicht zum Spaß, sondern man übermittelt Informationen! Deshalb sind wir auch direkt und auf den Punkt gerichtet. Die Iren dagegen reden um des Redens willen. Ein Gespräch muss mäandern, dient dem intrinsischem Amüsement und nicht einer extrinsischen Motivation und ist dementsprechend entweder von Humor oder von ausgesprochener Freundlichkeit geprägt.
An der Spannungsfläche irisch-deutscher Gesprächsführung betreibe ich nun schon seit Jahren meine Studien, und bin heute noch nicht wirklich schlauer als vor 20 Jahren. Denn deutsche Wirklichkeit und irische Ausschmückung kommen bei mir meistens nicht in Einklag. Beispielsweise heute, als ich auf der Straße zufällig einen meiner Uni-Dozenten traf. Sellbstverständlich gab es sofort ein spontanes Schwätzchen, egal welche Hierarchien uns eventuell einmal getrennt haben könnten. Die Gesprächseröffnung kam von M___ "Hallo, Sonja, wie geht's? Du siehst aber gut aus." Bam! Da war mal wieder einer der Knaller, die mich regelmäßig außer Fassung bringen. An diesem Spruch "du siehst aber gut aus" (You are looking well!) wird die Unterschiedlichkeit deutscher und irischer Gesprächseröffnung mal wieder deutlich. Während Ire M___ mit der Floskel lediglich den Ball in meine Richtung spielt, setzen sich in Sonjas deutschem Hirn die Schrauben in Bewegung.
"Ich sehe gut aus? Wieso sagt der, dass ich gut aussehe? Ich habe in letzter Zeit gefühlte 20 Kilo zugenommen. Ich müsste eigentlich wesentlich mieser aussehen als zu der Zeit, als ich noch regelmäßig einmal die Woche in M___s Klassenzimmer saß. Oder ist das ein Euphemismus? Hm. Stimmt, damals, als ich so richtig fies übergewichtig war, da wurde mir das dauernd von allen Leuten gesagt, die ich traf. Heißt das etwa, dass ich übermäßig zugenommen habe? So schlimm ist es ja nun auch wieder nicht. Waren doch nur knapp 5 Kilo. Aber stimmt, ich sollte mal wieder meinen Schokoladekonsum etwas zurückschrauben. Und ich könnte auch mal wieder regelmäßig joggen gehen. Ist ja auch wirklich total schlecht, mein Lebenswandel, immer nur den ganzen Tag vor dem Computer sitzen und den Hintern nicht vor die Tür bewegen. Kann aber natürlich auch sein, dass M___ mich wirklich nur freundlich komplimentieren will und gar nichts anderes damit im Hinterköpfchen hat. Oder will er mich etwa anschnacken? Aber ich bin doch viel zu alt und viel zu liiert dazu. Und er auch."
Was hier einen ganzen Absatz inneren Monologs ausmacht, sieht auf irischer Seite dann etwa so aus: "Hab Sonja lange nicht gesehen. Hat sich aber nicht verändert. Sieht gesund aus."
Fazit: Was die Iren auf der Zunge haben, das haben wir Deutschen (Frauen?) offenbar im Kopf. Während der Ire ein kleines Kompliment in die Manege wirft, spielt die deutsche Frau sämtliche Möglichkeiten der Interpretation im inneren Monlog aus. Kein Wunder, dass wir beim Small Talk auf der Strecke bleiben. Wie soll man da schnelle Rückmeldung geben?
Die Wunderwaffe in der Situation ist, solche Gesprächseröffnungen grundsätzlich nicht als wortwörtliche Meinungsäußerung zu verstehen, sondern als eine ausgeschmückte Erweiterung der höflichen Nachfrage nach dem allgemeinen Gesundheitszustand. Quasi ein zusammengezogenes Howareyouyouarelookingwell mit der Bedeutung "Schön, dich wiederzusehen."
Kann jemand meinen inneren Monolog mal bitte ausknipsen? Der macht mich wirklich noch wahnsinnig.

Sonntag, 20. Oktober 2013

Lashes

1920s Sonja
... heißt Wimpern und ist etwas, was zarte (*hüstel*), ätherische, hellhäutige Naturblondinen wie ich nicht im Überfluss haben.  Aber gemäß meinem oft zitierten Wahlspruch "Man muss nur die richtigen Leute kennen", habe ich eine Freundin, die als Visagistin arbeitet und mir aushelfen kann - oder der ich mich als Opfer zur Verfügung stelle, wenn mal ein neuer Vintage-Look geübt werden muss. So geschehen gestern nachmittag, als ich mich zwecks Verschönerung bei Maite unters Messer Wimpernbürstchen begeben habe. Der Plan: Sommer-Look der Zwanziger Jahre. Ein herrlich entspannendes Vergnügen - da wird zart das Gesicht mit Foundation gepflegt und dann gebogen, gemalt und getupft, bis der Look richtig stimmt. Dazu wird entspannt geplaudert (außer ich muss die Klappe halten, weil die Lippen modelliert werden). Am schmerzhaftesten war selbstverständlich hinterher das fotografische Dokumentieren der Arbeit.
Maite ist für den Teil "Lashes" in dem Beauty-Duo "Locks & Lashes" zuständig, einem Hair-and-Make-up Venture, das sich vor allem auf den Vintage-Look spezialisiert hat. In Dublin bieten Maite und Hairstylistin Maureen spezialisierte Beauty-Kurse und Make-overs an, bei denen man mehr über die Looks der Vergangenheit lernen oder sich das entsprechende Styling beibringen lassen kann. Eine tolle Sache für einen Geburtstag, einen Junggesellinnenabschied oder einen etwas anderen Betriebsausflug zum Beispiel.

Als ich nach dem Make-over in den Spiegel guckte, habe ich mich erst einmal gar nicht wiedererkannt. In a good way! (Ich mag mich selten im Spiegel. Oder auf Selbstportraits - siehe oben.) The power of make-up?! Ein bisschen ist es ja wie eine Maske, hinter der man sich verstecken kann. Entsprechend schritt ich mit einem höher als sonst erhobenen Kopf nach der Make-up-Session nach Hause, das fragile Selbstbewusstsein von ausdrucksvollem Lidstrich und herausforderndem hellroten Lippenstift überdeckt. Der GäGa, so war ich sicher, würde mich umwerfend finden und stante pede einen gemütlichen Ausgeh-Abend mit mir anberaumen.

Maud Flanders
Ich trat in die Küche, wo der Gatte lesend auf mich wartete. Sein Kommentar: "Hast du mal in den Spiegel geguckt????" Und nein, das war nicht als Kompliment gemeint. Es fielen noch ein paar Referenzworte - ich meine, der Name "Maud Flanders" wurde erwähnt. Es genügt wohl zu sagen, dass aus meinem erhofften Tête-à-tête in gediegener Restaurant-Atmosphäre nichts mehr wurde.

Auf die Straße musste ich aber doch noch, um den Thronfolger von einem Konzert abzuholen, das um 23 Uhr endete. "Immerhin doch noch Gentleman genug, dass er seine Herzdame nicht alleine durch das dunkle Dublin laufen lässt", dachte ich mir. Weit gefehlt - an entscheidender Stelle schlug der Gatte vor, getrennte Wege zu gehen, falls der uns entgegenlaufende Sohnemann einen anderen Weg nehmen würde. Entscheidend, da mir kurz danach, alleine weitergehend, ein Grüppchen junger Männer entgegen kam. Einer der Kerle nahm mich singend ins Visier, ging an mir vorbei und schlug mir auf den Hintern. Ich war platt. (Der Typ war betrunken.)

Maud Flanders, you sexy beast. Mein Gatte  hat keine Ahnung!

Freitag, 4. Oktober 2013

Spülmaschinenzwangsneurose

Sprach ich an diesem Ort schon einmal über kulturelle Unterschiede? Im Hause K___-P___ wird der Kampf der Nationen an der Spülmaschine ausgetragen. Wenig, so meine Erfahrung, scheidet die Geister so entschieden, wie die beste Methode des Geschirreinräumens in den beliebtesten Helfer der fleißigen Hausfrau. An meinen Herrn Bosch lasse ich nur Wasser und meine eigenen zwei Hände. Eifersüchtig wird der verlässliche Hausfreund ausschließlich von mir betreut und bedient. Denn außer mir kann ja auch niemand die Spülmaschine richtig einräumen.

Geschirrspüler. Unter- und Oberkorb.
Unten links: Bonus! Antibakterielle, fußbettfreundliche Hausschuhe der modebewussten Hausfrau
Hier sehen Sie, verehrte Damen und Iren, wie man eine handelsübliche, für den Einsatz im inländischen Durchschnittshaushalt kompatible Spülmaschine ordnungsgemäß einräumt. Das fängt zunächst mit dem nach Tellergrößen vorsortierten Einstecken der Essteller an. Von diesen werden vor dem Einräumen grob die übrig gebliebene Essensreste entfernt. Auf Grund der Bauweise des Geschirrspülermodells der Marke Bosch, ergibt sich eine logische Anordnung der Teller: Diese werden in die dafür vorgesehenen Tellersteckvorrichtungen eingeschoben. Dabei muss berücksichtigt werden, dass Teller mit einem Durchmesser von über 20 Zentimetern auf Grund des vorgegebenen Standplatzes des herausnehmbaren Besteckhalters (Plastik) nicht direkt neben selbigem eingesetzt werden können. Bei der Beladung der Spülmaschine sollten Kuchen-, Salat- und Dessertteller mit einem Durchmesser von bis zu 20 Zentimetern dementsprechend vorzugsweise neben dem Besteckhalter eingeschoben werden, während größere Essteller vom Rand her eingeräumt werden. Die breiteren Abstandhalter können wahlweise mit Suppentellern bestückt, oder mit größeren Schüsseln, Töpfen oder Krügen beladen werden.

Es hat sich als zweckmäßig erwiesen, bereits bei der Beladung des Besteckhalters das Besteck vorzusortieren um die spätere Entladung zeitökonomischer zu gestalten. Für Teelöffel wurden zwei Abteilungen des Besteckhalters entsprechend mit geringerer Tiefe angelegt, so dass die Löffel über den Rand herausstehen und beim Einräumen ohne Schmutzkontakt in den Halter eingestellt werden können. Diese sind bei der Sortierung des Besteckkorbs entsprechend ausschließlich mit kurzen Besteckteilen zu bestücken. Auf Grund lösungsmitteltechnischer und physikalischer Naturgesetze wird Besteck erfahrungsgemäß sauberer, wenn man die für den Kontakt mit dem Mundinnenraum vorgesehenen Enden der Besteckteile nach oben zeigend in den Besteckkorb einstellt. Diese Regel kann in Ausnahmefällen - scharfe Messer, spitze Bratengabeln - missachtet werden, um eventuelle Verletzungen bei Be- und Entladung zu vermeiden.

Müsli- und Dessertschalen sollten auf Grund ihrer oftmals kostbareren Verarbeitung - wenn beispielsweise aus Kristall, Glas und Porzellan - in dem dafür vorgesehenen oberen Tassen- und Gläserbereich eingestellt werden. Die Bauweise des Oberkorbs ermöglicht das platzsparende Anordnen von Kaffeetassen übereinander dank der herunterklappbaren Seitenablagen und sollte wenn möglich angewandt werden. Becher und Gläser werden in Reihen so nebeneinander angeordnet, dass ohne Platzverlust maximale Spülauslastung gewährleistet wird. Hierbei hat es sich als zweckmäßig erwiesen, die Becher und Gläser nach Durchmesser getrennt anzuordnen, um Gefäße mit größerem Durchmesser optimal neben Bechern geringeren Durchmessers einzupassen. Extralange Messer und/oder Kochlöffel liegen platzsparend auf der oberen Ablage. Eventuell entstehende Lücken zwischen Bechern und Gläsern lassen sich effektiv mit Plastikdeckeln oder schmalen Diversika bestücken.

Vor dem Entladen ist das Geschirrspülgerät mittels Betätigung des Netzschalters (Ein/Aus) von der Stromversorgung zu nehmen. In der Vergangenheit hat es sich als zweckmäßig erwiesen, vor Entladung des Geräts die Klapptür zunächst engspaltig zu öffnen, um für den unkomplizierten Abzug eventuell noch im Gerät befindlichen Wasserdampfes zu sorgen. Achtung: Beim Spülvorgang kann es zu erheblicher Hitzeentwicklung kommen. Sofortiges Entladen nach Ablauf des Spülprogramms ist auf Grund der Wärmespeicherung des Geschirr- und Besteckmaterials nicht zu empfehlen. Viel Freude mit ihrem Gerät.

Sollte es in Zukunft eine amtliche Spülmaschinen-Einräum-Verordnung (SpEVO) geben, bitte ich um Berücksichtigung die in meiner verbindlichen Handreichung diesbezüglich vorgeschlagenen Musterlösungen. Eventuelle Abweichungen von den intensiv in jahrelanger Praxis experimentell und empirisch geprüften bewährten Methoden sind auf herstellerbedingte Abweichungen bei der Bauweise und Innenausstattung herkömmlicher und handelsüblicher Geschirrspülgeräte zu erwägen.

Zwangsneurose? Wer? Ich? Nee!