Freitag, 30. September 2011

Wer kennt wen?

Irland ist ein kleines Land. Bei nur 4,5 Millionen Einwohnern ist die Inselnation... nun, wie sagen wir es denn mal... "übersichtlich". Das gibt ein gemütliches Gefühl - es ist hier eben nicht ganz so anonym wie unter 80 Millionen Deutschen. Es gibt einfach weniger von ihnen, das macht sie weniger bedrohlich, die possierlichen Iren. Und gibt unter den Iren selbst offenbar auch ein anderes Gefühl von Gemeinschaft oder Zusammengehörigkeit und nationaler Identität als bei einer Masse von rund 80 Millionen Deutschen.

Und irgendwie kennt hier auch irgendwie jeder jeden. Oder wenigstens die Mutter vom Bruder der Kusine dritten Grades von jedem. Oder die Schule, auf die der Studienfreund der Schwester gegangen ist. Verbindungspunkte gibt es viele – das habe ich nicht nur erlebt, wenn ich im Ausland beobachtete, wie Iren sich kennenlernten und innerhalb kürzester Zeit gemeinsame Bekannte der Vergangenheit aus dem Hut zauberten, sondern sogar am eigenen Leibe. Zum Beispiel:

Während meines Studiums in der Jungsteinzeit traf ich über ein Austauschprogramm in Würzburg eine junge Irin, die vom Trinity College Dublin entsandt worden war. Tragischerweise verstarb Kate bei einem Autounfall auf der Autobahn. Einige Freunde, die sie im Austauschprogramm kennengelernt hatten, fuhren zur Beerdigung nach Dublin. (Ich übrigens nicht, da ich sie nicht intensiv genug gekannt hatte.)

Mehrere Jahre später stellte sich in einem Gespräch mit meiner Schwiegermutter heraus, dass diese Austauschstudenten damals unter anderem im Hause P___ von meiner SchwieMa beherbergt worden waren. Was für ein Zufall, oder? 

Als ich selber dann ein Auslandsjahr in Dublin verbrachte, schloss ich mich in meinem College dem Archäologie-Club an. (jaja, einmal Freak, immer Freak...) Die Freundin des damaligen Club-Vorsitzenden war eine Freundin der Verstorbenen! Und es geht noch weiter. Nicht nur das – sie war auch eine gute Freundin meiner späteren Schwägerin und meines Schwagers, da sie alle drei auf dieselbe Schule gegangen waren.

Was sagt uns das alles? Das Schicksal wollte mich und meinen Gatten unbedingt zusammenbringen. Jedenfalls hätte man das Kennenlernen gut und gerne schon zwei, drei Jahre früher in den Griff kriegen können. Nein, was uns das sagt: In Irland ist die Gesellschaft so klein, dass man nie unbeobachtet ist. Man kann nie wissen, ob ein neuer Kontakt nicht vielleicht über zwei Ecken doch bereits in entfernter Verwandschaft mit einem verbunden ist. Deswegen: Obacht! Feind hört mit.

Montag, 26. September 2011

Schöne Aussichten

Manches in Irland ist doch noch nach Jahren der intensiven Auseinandersetzung mit irischer Lebensweise so skurril, dass es mir nach wie vor ein breites Grinsen aufs Gesicht zaubert. Wer mich in solchen Minuten Angesicht zu Angesicht erlebt, hält mich vermutlich für grenzdebil. (Wobei - das tut wahrscheinlich jeder, der mein Blog hier verfolgt *lach*). Ich kann mir das Amüsement über manche irische Ideen einfach nicht verkneifen - und das meine ich nicht einmal herablassend, sondern mit einem gewissen kindlichen Staunen, wie man überhaupt auf *solche* Ideen kommen kann...

Im letzten Blogpost hatte ich von meinem Parkplatz-Ärger in Dun Laoghaire berichtet. Unverrichteter Dinge hatte ich mich damals beleidigt wieder hinter den Volant geschwungen, um nach einem kostenlosen Parkplatz an anderer Stelle Ausschau zu halten. Mir schwebte da auch bereits etwas vor - die Wohngegend hinter dem "James Joyce-Tower", am anderen Ende Dun Laoghaires in Sandycove gelegen. Dort hatte ich schon zu früheren Zeiten gelegentlich gebührenfrei geparkt. Das war wohl kein Geheimtipp mehr, denn die Straßen dort waren zugeparkt.

Doch wo ein Wille ist, ist auch eine Sackgasse. Und zwar eine ganz besonders schöne:

Größere Kartenansicht

Als ich ankam, standen, ähnlich wie hier im Bild, bereits vier Wagen in der Sackgasse. Drei PKWs und ein Transporter. Aber ein Plätzchen war für mich noch frei, in das ich mich hineinquälte. Erst beim Aussteigen bemerkte ich dann die skurrile Tatsache, die mich zu diesem Blogpost bringt: Die anderen Wagen waren nicht geparkt, sondern nur angehalten! (Wo ist der Unterschied? Ja, Leute, habt ihr denn eure Fahrstunden in einer amtlich bestätigten, deutschen Fahrschule vergessen? Parken ist, wenn man ein Auto abstellt und das Fahrzeug verlässt. Anhalten ist, wenn man das Auto abstellt, aber im Wagen sitzen bleibt! Ein kleiner, aber wichtiger Unterschied. Denn die hier abgestellten Wagen waren besetzt.)

In den drei PKWs jeweils mit Dubliner Kennzeichen saßen die Fahrer. Neben mir ein kleiner PKW-Lieferwagen mit einem Herren, der bei offenem Fenster eine Zigarette rauchte. Hinter mir eine Fahrerin in ihrem Fahrzeug, die eine aufgeschlage Zeitung auf dem Steuer liegen hatte. Und im BMW vor mir eine weitere Frau, die durch die Frontscheibe auf das Meer blickte. Was mich zu der irischen Skurrilität bringt: Die Iren lieben es offenbar, mit ihrem PKW an schöne Aussichtspunkte zu fahren. So weit, so gut. Dort steigen sie jedoch nicht aus, um die Gegend zu genießen, sich den Wind um die Nase pfeifen zu lassen und ein paar Schritte zu gehen. Nein. Man bleibt im Fonds sitzen und macht ein Picknick/liest die Tageszeitung/hört Radio/isst ein Butterbrot. Wie gemütlich. Im Auto. Direkt an einer schönen Aussicht. Aber mal lieber mit einer schützenden Schicht Autoverglasung und Blech zwischen den Passagieren und der Gegend. Ich finde es immer wieder witzig - da hat jemand offenbar sich genau überlegt, irgendwo hinzufahren, wo es besonders schön ist. Aber bleibt im Auto sitzen. Und macht Picknick.
 
Das schönste derartige Bild bot sich mir vor Jahren einmal an einem Aussichtsparkplatz in Co. Kerry. Dort stand ein Kleinwagen mit örtlichem Kennzeichen auf dem bestmöglichen Aussichtspunkt. Innen drin ein reizendes Rentnerpärchen. Er mit aufgeschlagener Zeitung auf dem Lenkrad, sie mit Stricknadeln auf dem Beifahrersitz. Gemütlich. Ich konnte mir lebhaft vorstellen, wie "Paddy und Mary" nach dem Lunch zueinander sagten "Was machen wir heute nachmittag? Ich habe keine Lust in meinem Fernsehsessel liegend meinen Irish Independent zu lesen." "Ach, Paddy, lass uns doch eine kleine Ausflugsfahrt machen! Ich würde gerne an der Strickweste für Edna weiterstricken." "Hervorragende Idee, Mary. Packst du uns noch eine Thermoskanne Tee ein?"

Vorteilhafter geht es ja auch nicht - mit dem eigenen Gefährt direkt bis an das Ausflugsziel fahren. Gebäck und heißer Tee aus eigenem Anbau mit dabei, und das ohne Warten auf ignorante Kellner oder Selbstbedienungstresen. Das ist kostengünstig. Und bei irischen Wetterverhältnissen praktisch noch dazu, wenn man keinen Schritt unter potentiellen Regenwolken gehen muss.

Ich freue mich schon auf meinen Lebensabend. Gemeinsam mit dem Gatten auf Vico Road den Sonnenuntergang verpassen. Mit einem leckeren Ham Sandwich und einer aktuellen Zeitung sicher aufregend. Und wir müssen noch nicht mal miteinander reden. Autoradio full blast!

Samstag, 24. September 2011

Adrenalinstoß

Ein kleines bisschen Adrenalin ist ja nicht schlecht für den Kreislauf, sage ich mir immer. Wie schön, wenn man sich ein wenig über die ganz normalen Kleinigkeiten des täglichen Lebens aufregen kann – das bringt einen mal wieder in Schwung. So auch gestern:

Ich musste ein bisschen Zeit verplempern, nachdem ich den Kronprinzen Gitarrengott-in-spe bei seiner Musikstunde abgesetzt hatte. Ich befand mich in dem Dubliner Küstenvorort Dun Laoghaire (Exkurs für die des Irischen Nicht-Mächtigen: Das spricht sich dann /dunn lierie/ aus, nicht etwa /dunn la-o-gäh-rie/!!! Das sind die mir nicht ganz logisch ersichtlichen Ausspracheregeln der irischen Sprache...). Die Gitarrenstunde dauert 60 Minuten. Mit Fahrtzeit von und zum Gitarrenlehrer verblieben mir noch knapp 45 Minuten, um einmal kurz auszusteigen und die mitgebrachte Kamera ein wenig zu lüften. Da es ein schöner Tag war und ich nicht lange überlegen wollte, dachte ich, nicht nur Marky Mark (meine geliebte Canon 5D2), sondern auch die etwas morschen Knochen auf der Hafenmole spazieren zu führen. Also ab an den Hafen, wo es mehrere ausgewiesene Parkplätze gibt.

Doch ich hatte meine Rechnung ohne Rücksicht auf die Geldgier der Parkbehörden gemacht. Mal abgesehen davon, dass für eine Parkstunde dort horrende € 2 zu berappen sind, hatte ich dummerweise nur begrenzt Kleingeld bei mir. Nun wollte ich ohnehin nur für 30 Minuten den Wagen abstellen, um an der Mole ein paar Fotos zu machen - doch mein sorgsam abgezählter Euro in nicht-nummerierten, nicht-prägefrischen Centstücken wurde vom Parkautomaten arrogant mit dem Hinweis zurückgewiesen, zum Parken an der exklusiven Hafenmole (mit Blick auf rostige Seelenverkäufer, zerfledderte Hummerkörbe, allesamt fein umweht vom lieblichen Aroma faulenden Fisches) sei eine Mindestgebühr von € 2 fällig.

Ich konnte es nicht fassen und fuhr mit dem Wagen zum nächsten Hafenparkplatz, aber auch dort dieselbe Antwort: Entweder du schmeißt hier jetzt € 2 ein, oder du kannst mich mal nicht parken. Was für eine bodenlose Frechheit und Geldgier!!! Was ist, wenn man eben nicht eine volle Stunde dort parken will, sondern nur 15, 30 oder 45 Minuten? Die nehmen das Geld von den Lebendigen – naja, von den Toten kriegen sie es ja auch nicht mehr. Aber die Tatsache, dass man – in den Worten eines ebenso erzürnten Freundes von mir – “sein Eigenheim wieder belehnen muss”, um sein Auto an einem weder touristisch noch kommerziell ausgelasteten Ort abzustellen, ist doch eine wahre Frechheit.

Da bleibt dann nur Trick 17: Man sucht sich einen kostenlosen Parkplatz anderswo. Aber das ist eine Geschichte für einen anderen Tag. Horrido!

Sonntag, 18. September 2011

TV-Star Update

Oha, da bin ich ja wohl noch ein kleines Update schuldig, wie es denn nun mit dem großen Fernsehspecial gelaufen ist, das hier gedreht worden ist. Jawohl, ich kam mir fast schon vor wie Peter Alexander an seinem 75. Geburtstag - nur dass die geladenen Gäste fehlten und auch kein leicht bekleidetes Fernsehballett um mich herum strich, um mit kokettem Hüftschwung meine brillianten Wortbeiträge zu würzen. Aber wichtig! Ich war ja sooo wichtig.

Aber von vorne: Am Donnerstag tauchte das besagte Fernsehteam drei Mann hoch hier auf, um einen anderthalbminütigen Beitrag für ein Stadtmagazin zu drehen. Dazu waren zwei Stunden Zeit anvisiert worden. Insgesamt brauchte das Ganze dann dreieinhalb Stunden. Und Schrecken aller Schrecken: Ich war in fast jeder Szene mit dabei. Natürlich auch wieder typisch: Da geht es um historische Dubliner Bausubstanz, um eine irische Künstlerin und ein Haus in Innenstadtlage mit Familienanschluss. Und wer muss den Salat da präsentieren? Ich, die Zugereiste, die Ausländerin. Komplett mit deutschem Akzent und unirischem Aussehen. Naja, mir ist sowas ja auch ganz egal, aber irgendwie wäre es doch passender gewesen, wenn sich hier ein *echtes* Familienmitglied ausgetobt hätte, und nicht eine völlig unverwandte, hereingeblasene Person.

Dem Fernsehteam war's letztlich egal. Die wollten von mir nur ein bisschen Interviewgeplauder haben, dazu ein paar schöne Einblicke in unser "Museum" und den Schlüssel für den Park, damit sie da weiterdrehen dürfen. Was für mich interessant war: die Arbeitsweise des Teams. Erstaunlich, wie spontan und improvisiert hier gearbeitet wurde. Natürlich hatte die Fernsehmoderatorin sich inhaltlich auf unser Gespräch vorbereitet. Aber geprobt wurde hier nichts. Zwar wurde mir vorab zu verstehen gegeben, welche Punkte sie interessant fänden, aber wie ich das nun umsetze, blieb mir überlassen.

Für das optisch ansprechende Fernseherlebnis mussten die jeweiligen Interviewgespräche allerdings jeweils mindestens zweimal aus verschiedenen Perspektiven gedreht werden. Besonders albern: Die Türöffnungsszene, die offenbar bei solchen "Hausbesuchen" Standard ist. Da musste ich, mal mit dem Kameramann drinnen neben mir, mal draußen hinter der Moderatorin, ihr die Tür öffnen. Wie originell, dann auch noch unter Vorspiegelung falscher Begeisterung die Besucherin höchst überrascht zu begrüßen... Nicht, dass mir gar nicht aufgefallen wäre, dass ein Kameramann vom irischen Fernsehen neben mir im Flur steht...

Insgesamt eine wirklich interessante Erfahrung, die durchaus Spaß gemacht hat. Aber das sage ich jetzt NOCH. Denn noch habe ich ja das entstandene Filmchen noch nicht gesehen. Sendetermin am kommenden Donnerstag. Ich selber bin dann leider-Gott-sei-dank gar nicht zu Hause, sondern in der Uni. Mal sehen, ob der Beitrag hier durch die Zensur geht.

Donnerstag, 15. September 2011

Schein oder Sein?

Mal ganz ehrlich: Mit dem Putzen habe ich es ja nicht so. Ich habe eine, wie hier ja schon mehrfach erwähnt, sehr hohe Schmutzschwelle. Im Laufe der Jahre habe ich eine Art optischen Staubfilter entwickelt. Dabei handelt es sich nicht um einen handlichen Staubsaugeraufsatz, sondern um die subjektive und gezielte optische Ausblendung von Staubansammlungen im Wohnraum bei der Übertragung der visuellen Informationen von der Netzhaut ans Hirn. Ähnlich selektive Wahrnehmung hat sich dank langjähriger Übung auch beim Ignorieren unansehnlicher Flecken auf dem Küchen-PVC sehr bewährt. Einzig und allein die Unordnung lässt sich schlecht wegdenken - da besteht noch Bedarf an bewusstseinsändernden oder selbstsuggestiven Bewältigungsstrategien.

Gestern musste ich nun aber leider ran: Ein Kamerateam vom irischen staatlichen Fernsehen hatte sich zum Dreh in meinem heimischen "Museum" angesagt. Im Mittelpunkt des Interesses stand eine schon lange tote Bewohnerin unseres Hauses, die Malerin Mainie Jellett, die erste kubistische Malerin der britischen Inseln. Darüber hinaus wünschte das Team auch noch ein bisschen "Homestory" mit mir zu machen, um zu illustrieren, dass unser Haus als Familienresidenz bewohnt wird. Das bedeutete, Küche und Wohnzimmer aufräumen und präsentabel machen. In meinem Fall hieß das: Grundrenovieren! Am liebsten hätte ich ja gleich richtig klar Schiff gemacht. Wenn ich schon aufräumen und putzen muss, dann bitte doch richtig: PVC rausreißen, die Arbeitsplatten mal alle abschleifen, die Decke könnte auch mal neu verputzt und gestrichen werden. Dazu reichte nun aber leider die Zeit doch nicht - ich hatte nur zwei Tage Vorlauf, die sich dank meines außerordentlichen Ignorier- und Verzögerungstalents letztlich auf einen Abend und einen Viertel-Morgen reduzierten.

Dennoch ist es aber ja immer erstaunlich, wie viel man doch schafft, wenn man muss. Das Geheimnis meines Erfolgs: Umschichten. Küche und Wohnzimmer sehen klasse aus. Könnten beide in einer Wohnzeitschrift erscheinen. Ungelogen. Aber guckt bitte nicht in mein Arbeitszimmer. Dort stapeln sich gerade ungeordnet zwei abgehängte Kronleuchter, zwei Stereorekorder, eine Pappkiste voll "Kram", ein Weidenkorb voll "noch mehr Kram" eine Nähmaschine, vier Lichtschutzplatten (Studioausrüstung) und ein heimatloser Staubsauger.

Ich könnte nun eigentlich wieder zurückordnen. Aber: Es ist unheimlich schön, plötzlich, in der Küche. Die Arbeitsplatten frei und sauber. Der Kaminsims aufgeräumt und symmetrisch dekoriert. Der Geschirrschrank wohl geordnet und mit freier Ablage. Erstaunlich, wie gut das alles aussieht. So wohl habe ich mich schon lange nicht mehr in meiner Küche gefühlt. Das soll so bleiben. Und wenn wir alle draußen bleiben, wird es auch nicht wieder unordentlich. Ab jetzt nur noch Frühstück bei McDonald's, Lunch vom Sandwich-Shop und Dinner im Restaurant. Das wird teuer - aber es sieht gut aus.

Montag, 12. September 2011

Vorne hui und hinten pfui

Mal was Aktuelles: Katia hat ihre Finger nach uns ausgestreckt. Auf dem Weg in die Arktis macht sie jetzt nochmal Station am Westrand Europas. Als ob sie nicht schon genug angerichtet hätte! *tststs* Heute wütet sie in Dublin. Für heute hat unser kleines Inselchen mal wieder eine Sturmwarnung bekommen. Windgeschwindigkeiten von bis zu 130 km/h sind zu erwarten. No kidding - die Bäume im Park rauschen, die Fensterscheiben im Hause wackeln.

Klingt fast schon gemütlich, nicht wahr? So ähnlich wie "Ich liebe es, das Getrommel von Regen auf einem Zeltdach zu hören." Ja. Klar. Aber auch nur, wenn man nicht in selbigem Zelt schlafen muss, Persenning und Zeltboden wasserdicht sind und ein Vordach aufklappen kann, unter dem man sich trocken und aufrecht sitzend aufhalten kann, nech... Und wenn man wie ich eben in der Küche vor einem 2m hohen und 1m breiten Fenster saß, das original Früh-19.-Jahrhundert verglaste Butzenscheiben hat und per Schiebemechanismus ausgesprochen undicht ist, dann fürchtet man von jedem Windstoß, dass er nun die Scheibe eindrückt und einem der Fenstersturz auf den Kopp fällt... Ah ja, the joys of living in the 18th century...

Dabei könnte es so schön sein:





Das Foto habe ich eben gerade in meiner Straße gemacht. Die schönsten Herbstfarben, das intensivste Naturrot, das ich kenne. Eine schon jahrzehntealte Efeupflanze, die sich an der Häuserzeile über acht bi zehn Fassaden erstreckt und jedes Jahr im Herbst in den unglaublichsten Schattierungen zwischen pastellgrün und karmesinrot leuchtet. Und das heute bei fast keinem Lüftchen. Der Sturm, der tobt nämlich auf der Rückseite der Häuserzeile. Ungelogen. Vorne hui und hinten pfui. Ich geh dann jetzt mal die Küchenmöbel festzurren.



PS: Mit diesem Beitrag übrigens herzliche Grüße nach W___ an meine Freundin K___, die in diesen Tagen vermutlich leidet und leidet und leidet. Sorry, es ließ sich einfach nicht vermeiden. Hoffen wir, dass es nächstes Jahr mal einen Tropensturm D___ gibt ;-)



Samstag, 3. September 2011

Elektrisches Picknick

Wozu habe ich eine teure Remote Blogging App gekauft, wenn ich sie nicht nutze. Auch wenn es mir als Angeberei ausgelegt werden könnte, ichkomme heute nicht umhin, einen kleinen Live-Post vom Highlight meines Sommers abzusenden. Ich befinde mich nämlich mit meinem Sohn und Erben, seines Zeichens Guitar-God-in-the-Making, auf dem Electric Picnic. Das Picnic ist eines der größten irischen Musikevents. Es findet statt auf einem Landgut, und zwar an einem Ort, den man als the middle of the sticks bezeichnet: am Ar...m der Welt sozusagen. Ziemlich viel Gegend hier. Aber dafür auch besonders schöne Gegend!

Das alles ist natürluch nicht entscheidend, denn wir sind nicht wegen Gegend hier, sondern wegen Arcade Fire. Und den Chemical Brothers. Und Death in Vegas. Mogwai. Trentemøller. Paul Kalkbrenner. Ihr seht schon, ich komme als Electronica-Fan diees Jahr voll auf meine Kosten. Außerdem ist das jährliche Festival auch immer Gelegenheit für ein bisschen Mutter-Sohn-Bonding. Der Gitarrengott und ich sind die beiden Musikfans der Nuklearfamilie. Unser Musikgeschmack deckt sich in vielen Teilen. Nun gut, Electronica ist nicht so sein Ding, aber da musser dieses Jahr durch. Dafür hält er mich in Sachen Indie auf aktuellem Stand.

Ein weiterer Grund, warum wir jetzt schon zum vierten Mal dabei sind, ist, dass das Picnic die einzige Gelegenheit für einen minderjährigen Musikfan ist, livegigs zu erleben. Die irische Trinkkultur ist nicht umsonst eher berüchtigt als berühmt. Trinken tut "der Ire gern und viel. Vor allem in jungen Jahren. Dementsprechend geht es auf Festivals und Konzerten heftig ab. Denn alkoholfrei ist hier so gut wie keine Veranstaltung. Mit dem allgemeinen Ergebnis, dass Kinder von der Teilnahme an Konzerten ausgeschlossen sind. Aber nicht beim Pucnuc! Hierher darf man Kinder mitbringen. Und darf dafür sogar auf einem speziellen Familienplatz zelten, also fernab von dem gewöhnlichen Plebs, das auf den regulären Zeltplätzen bis in die Puppen säuft, Kraut raucht, kotzt und weitere nicht-jugendfreie Aktivitäten betreibt...

Und so sind wir dieses Jahr also wieder dabei. Das letzte Mal, denn ab nächstem Jahr ist Cillian zu alt. Teenager im Alter von 13 bis 17 Jahren dürfen zu keiner dieser Veranstaltungen. Wegen siehe oben. Dann müssen wir eine Alternative finden. Vielleicht das Hurricane Festival in Scheeßel. Denn in Deutschland gelten solche Regeln nicht. Da kann man sein Neugeborenes mit zu einem Death Metal-Gig nehmen, wenn man das will. Oder seinen 14-Jährigen an den Nürburg-Ring.

Nach der ersten Nacht im Zelt - übrigens ausgesprochen bequem, so eine Isomatte - kommt heute der Mega-Tag. Party bis 2 Uhr nachts, die Chemical Bros. Spielen den Headline Gig. Und jetzt muss ich schnell Schluss machen, der akku ist leer.

We are electric, yay



Location:Timahoe Rd,,Ireland