Dienstag, 29. März 2011

Bahnfahren in Deutschland

Von meinem Heimaturlaub zurückgekehrt, fragte mich letzte Woche ein irischer Freund: "Und, wie hat dich das deutsche Vaterland behandelt?" "Gut", sagte ich, "aber leben kann ich da nicht mehr!" Bevor meine in Deutschland lebenden LeserInnen jetzt aufschreien - nein, das ist nicht persönlich gemeint. Wahrscheinlich sagt es mehr aus über mich als über Deutschland. Ich bin das Leben in Deutschland einfach nicht mehr gewöhnt. Und der letzte Tag im Vaterland machte mir das wieder einmal deutlich.

Bahnfahren in Deutschland - das ist etwas für Adrenalin-Junkies. Darüber war ich mir bereits im Klaren, als ich in Eisenach den ICE in Richtung Frankfurt/Main Flughafen bestieg. Je nach Strecke fahren die deutschen Hochgeschwindigkeitszüge bis 330 km/h schnell. Dolle Sache - da ist der Speed-Freak schnell auf Adrenalin 150. Mich lässt das kalt (Adrenalin 30). Aber was mich beim Bahnfahren in Deutschland immer und garantiert aufregt, ist das Theater um die Sitzreservierung.

Sonja betritt Wagen 21 des ICEs, auf der Suche nach dem reservierten Sitzplatz 87. Der Laden ist brechend voll - und das mittwochmittags. Ah, da ist ja mein Platz - Gangseite, mit Tisch. Und besetzt von einem älteren Herren. Daneben eine mittelalterliche Dame im mittleren Lebensalter, gegenüber zwei junge Männer. Ich wende mich freundlich lächelnd und höflich fragend an den auf Platz 87 sitzenden Herren: "Guten Tag, ich suche Platz 87, könnte das wohl hier sein? Bin ich in Wagen 21?" (Böse Erfahrungen in der in grauer Vorzeit zurückliegenden Vergangenheit haben mich gelehrt, dass man mit Dümmlichkeit in dieser Situation am besten davon kommt.) Der Herr blickt mich hocherstaunt und böse an. Ich lese ihm förmlich aus seiner Stirnfalte ab, dass ich ihm gerade noch gefehlt habe. "Ja!", bellt der freundliche Landsmann. "Das ist hier. Aber mein reservierter Platz ist da gegenüber, deswegen sitze ich hier." Ich sage erstmal gar nichts und lasse der sich anbahnenden Szenerie den freien Lauf. Die beiden jungen Männer auf Platz 86 und 84 gucken mich ebenfalls böse an. "Blöde Kuh", denken die wahrscheinlich. Wortlos, aber mit deutlich sprechender Miene raffen die beiden Jungspunte ihre Klamotten zusammen, zwängen sich an Tischkante und "blöder Kuh" vorbei und ziehen muffig ab. "Tja, wer nicht reserviert, verliert", denke ich lakonisch und werde indessen gewahr, wie auch der "versetzte" Herr geschäftig an seinem Platz herumrödelt. Es muss ja alles seine Ordnung haben - er will nun seinen ihm dank Reserviergebühr von € 2,50 gesetzlich zustehenden Sitzplatz Nummer 86 einnehmen, den die Jungmänner geräumt haben. Ich denke mir, ich tue ihm was Gutes und winke ab: "Ach, bleiben Sie ruhig sitzen! Ich setze mich hier her, dann haben nur wir beide die Plätze getauscht." Pustekuchen - meine Freundlichkeit wird mit einem Grunzen quittiert - kein freundliches "Immer nur die Ruhe behalten, wir machen das unter uns aus", sondern eine entnervte Miene wird mir geschenkt. Leicht entmutigt zwinkere ich der Dame am Tisch zu und zucke mit den Achseln, in Erwartung weiblicher Solidarität, vielleicht. Nix da. Die Dame - wohl doch eher ältlich als mittelalt *bätsch* stöhnt hörbar auf - so ein Terror an ihrem Tisch. Neue Leute bringen immer Ärger, spricht ihr Blick. Bäng. Und schon ist mein Adrenalin dann doch bei 150.
Muss das so sein? Kann man sich nicht auch unter Fremden mit Freundlichkeit und Lockerheit begegnen? Dieser "Stress der Ordnung", ich komme damit nicht mehr klar. Mir ist schleierhaft, wie ich jemals damit zurecht gekommen bin. War ich genauso? Schließlich war ich in meiner Studentenzeit regelmäßige Bahnfahrerin der ICE-Strecke Würzburg-Hannover-Bremen.

Nur ein kleines Schlaglicht - ich finde es aber symptomatisch. Sowohl für meine eigene Veränderung als auch für mein Deutschlanderlebnis. Und daher gilt: Für Besuch immer gerne nach Deutschland. Aber in Zukunft nur bei Direktabholung am Flughafen ;-)

Donnerstag, 24. März 2011

Zurück

Die [West]Randbemerkungen sind heute mal [Ost]Randbemerkungen, denn mit leichter Verspätung melde ich mich am ungewohnten Donnerstag zurück vom Heimaturlaub. Schön war es mal wieder. Die Stippvisiten nach Deutschland geben immer wieder erstaunliche Einblicke in mein "Vaterland" - die Kleinigkeiten des deutschen Alltags, die im Liebesexil doch schon wieder vergessen waren. Aber die mit der Distanz einer im Ausland lebenden Deutschen irgendwie erwähnenswert werden.
Unterwegs war ich dieses Mal nicht in meiner eigenen Heimat, Bremen und "umzu", sondern in einem mir bisher noch nicht so intensiv bekannten Teil Deutschlands, Thüringen. Vor gefühlten 150 Jahren hatte ich - noch zu Zeiten der deutsch-deutschen Koexistenz - zwei Studienfahrten in die DDR unternommen. Nun habe ich die alten Stätten noch einmal wiederbesucht und mich erneut davon überzeugt: Deutschland ist schön. Und die Deutschen sind ein freundliches Völkchen.
So freundlich, zum Beispiel, dass wir uns bei jedem Wiedersehen, morgens, abends, zwischendurch - auch wenn man sich gerade erst am Vorabend verabschiedet hatte - die Hand zum Gruße reichen. Ich war ganz verwirrt. Vage geisterte das Gefühl des Déjavus durch mein Hirn - kennen wir uns nicht? Ach ja, stimmt, Begrüßung in Deutschland läuft per Handschlag, genau wie das in Irland übliche schnelle "hello, how are you" ohne jegliches Ringelpiez geschweige denn Anfassen. Der Deutsche ist eben ein zupackender, haptischer Typus - wir mögen die Begegnung mit Handschlag besiegeln! Das hat etwas Reelles, Kerniges, aber auch Persönliches, muss ich zugeben.
Zum Abschied sind wir uns dann aber alle nähergekommen. Natürlich zuerst mit Handgeben - aber bevor ich mich gestern auf die Bahn setzen durfte, wurde ich von meinen Gastgebern kräftig gedrückt. So sind wir Deutschen eben - keine Berührungsängste, ein herzliches Volk, wenn man uns lässt!
Das war selbstverständlich nicht alles, was mir auf meinem Kurzurlaub auffiel. Aber heute belassen wir es mal hiermit. Demnächst dann weitere Folgen aus der Serie "Der Ex-Pat in der alten Heimat"!

Samstag, 19. März 2011

Heimaturlaub

Liebe Leser,

wenn ihr diesen Blogeintrag lest, befinde ich mich gerade auf Heimaturlaub. Nun ja, im weitesten Sinne - ich halte mich in der Mitte Deutschlands auf, in Thüringen. Meine eigentlich Heimat liegt ein paar hundert Kilometer weiter nordwestlich. Dabei: Als Auslandsdeutscher gewinnt Lokalpatriotismus doch immer mehr Gewicht, je weiter man von seinem ursprünglichen Zuhause entfernt ist. Dennoch - ich freue mich, wieder mal "im Lande" zu sein. Denn auch wenn Irland mein Lebensmittelpunkt ist und ich niemals aus Irland wegziehen möchte: Eine Prise Deutschland von Zeit zu Zeit muss sein.

Ach, wie herrlich es doch ist, leckeres Körnerbrot auf dem Abendbrottisch zu finden. Und generell Abendbrot zu essen und mittags warm, nicht umgekehrt, wie in Irland. Da freut sich die Verdauung (und der Ire wundert sich). Oder sich auf den an der Haltestelle ausgehängten Busfahrplan weitestgehend verlassen zu können und nicht "Dublin Bus Lotto" zu spielen (Kommt der Bus oder kommt er nicht? Oder kommen gleich zwei auf einmal?). Erfrischend vertraut, das Heimaturlaubserlebnis.

Ein Effekt jedoch, der spätestens nach drei Tagen ins Gegenteil umschlägt. Nicht, dass mir das Körnerbrot dann nicht mehr schmeckt oder ich mir wünsche, die Busse seien nicht so verdammt pünktlich. Von beidem kann man nie genug haben, gerne auch gleichzeitig. Aber bei aller Pünktlichkeit und Ordnung fehlt mir in Deutschland irgendwann das kleine Quentchen Nachlässigkeit, das den Alltag in Irland erheblich unkomplizierter macht. Wie schön - so freut man sich immerhin dann schon auf die Rückkehr in die Wahlheimat. Das macht den Abschied vom Vaterland einfacher.

Bis dann die Sehnsucht nach einem erneuten Heimatbesuch wieder aufkeimt...

Donnerstag, 17. März 2011

Happy St. Patrick's Day!

Bitte um Vergebung für den zwei Tage verspäteten Beitrag, aber ein Blog, das sich dem Leben in Irland widmet, muss sich schließlich hochaktuell dem saisonalen Thema anpassen. Und das ist am 17. März schließlich der irische Nationalfeiertag. 

Grün, grün, grün sind alle meine Kleider,
Grün, grün, grün ist alles, was ich hab.
Darum lieb ich alles was so grün ist,
Weil mein Schatz ein Ire, Ire ist.



Jawoll, heute mal wieder ganz den heimischen Sitten angepasst, war es Zeit das vor Jahren während meines früheren Lebens als Marketing-Pro in einer internationalen Internetfirma als typisches Gimmick-Geschenk erhaltene grüne Baseball-Shirt mit dem schwungvollen Schriftzug "Ireland" herauszukramen. Grün dominiert am heutigen Tag. Obwohl landläufig, aus den USA gestreute Gerüchte, dass am 17. März auch der Dublin durchfließende Liffey-Fluss grün sei, reine Fantastareien sind. In unserem Hause dagegen ist am Paddy's Day das Essen auch grün - heute gab es grünen Porridge, sehr zum Entsetzen Vergnügen der Kinder...


Traditionell geht der mit Nachwuchs geschlagene gesegnete Ire am Paddy's Day selbstverständlich auch auf die Parade. Oh Freuden des Kinder-Entertainments - nach halbstündigem Fußmarsch erreicht man die abgesperrten Straßenzüge und sucht sich im wachsenden Getümmel einen halbwegs guten Platz am Straßenrand, von dem aus der Zug dann gut einsehbar ist. Einsehbar allerdings nur von der eigens auf der Schulter mitgeschleppten Aluminiumleiter, die selbstverständlich nur für die anwesenden Kinder unter 1,68m zur Verfügung steht. Der Erwachsene schweigt und genießt erfreut sich am wechselnden Panorama bunt behüteter oder schlicht gescheitelter Zuschauerhinterköpfe. Oder er dreht sich um und beobachtet die Anteilnahme der Paradebesucher.




Etwa wie dieses in das Nationalkostüm irisch-stämmiger Amerikander gewandete Paar - als da wären grüne Jacken, lustige Fliegen und die obligatorische Kleeblattbrille. "Proud to be Irish" - no kidding...

Die Parade ist - selbst für Faschings-resistente Nordlichter wie mich - dann doch eher ein leicht enttäuschendes Erlebnis. Wer je die deutschen Dauerübertragungen vom Rosenmontagszug in Düsseldorf/Mainz/Köln anschauen musste durfte, kann über die Hauptstadtparade dann doch nur noch lächeln. Große Prunkwagen gibt es nur wenige, zumeist laufen amerikanische Collegebands in grellen Fantasieuniformen in der Parade mit. Auch die ein oder andere deutsche Blasmusik taucht gelegentlich auf. Und mit dem VW-Käfer-Korso ist der Spuk dann auch schon wieder vorbei.


Ich, negativ? Nun ja, ganz so viel Enthusiasmus kann ich mir angesichts des traditionell schweinekalten Wetters am St. Patrick's Day nicht abringen. Immerhin hatte der Postbote aus Donegal dieses Jahr mit seiner Vorhersage dann wenigstens doch nicht Recht: Es war trocken und sonnig, ein idealer Tag für die Parade. Nur ca. zehn Grad wärmer hätte es sein können.


Happy Patrick's Day, everyone.



Freitag, 11. März 2011

Heute bin ich Mythenkiller

Was sehe ich da eben gerade in einem Online-Bastel-Magazin? Ein selbstgestrickter Sesselüberzug im bekannten, typisch irischen Aran-Muster. Aus der typischen, ungefärbten Schafswolle mit den dicken Strickmustern. Nun mal ganz abgesehen davon, dass der *echte* Aran-Jumper ja aus unbehandelter Wolle gestrickt wird und dementsprechend nach einem ganzen Stall voller Schafe stinkt, ist es doch bestimmt nicht bequem, mit seinem zarten Hinterteil auf diesen dicken Wollmustern zu sitzen? Aber ich freu mich gerade, dass mir dank dieses bizarren Basteltipps nun doch ein Thema eingefallen ist, das ich im heutigen Blogbeitrag verwursten kann. Die Aran-Jumper-Legende.

Es war einmal ein kleines Schaf. Das wurde geschoren und aus seiner Wolle wurde... Nein, das jetzt nicht. Sondern die wunderbare Geschichte, die uns ahnungslosen Touristen immer beim Anschnacken eines natürlich handgestrickten Aran-Pullovers angedreht wird. Die geht nämlich so: Der Aran-Pullover ist, wie der Irland-Liebhaber weiß, einfarbig, aber mit aufwändigen Mustern gestrickt. Jedes Motiv hat dabei eine bestimmte Symbolik. So sind große Rauten als Symbol für "Reichtum" zu verstehen, die gedrehten langen Schläuche stehen für "Taue" und das Honigwaben-artige Muster symbolisieren den "Fleiß der Honigbiene" - oder ihres Trägers. Meistens haben die Pullover 3 oder 4 Muster eingestrickt. Und der Legende nach trugen die Fischer der Aran-Islands diese Pullover nicht nur, weil sie sie auf See schön warmhielten, sondern weil sie ein Identifikationsmittel waren. Quasi ein Ausweis: Sollte der Fischer über Bord gehen, absaufen ertrinken und an Land gespült werden, konnte an Hand des Pullovermusters festgestellt werden, zu welcher Familie der Ertrunkene gehörte. Schaurig-traurig-schön.

Aber: Absoluter Unsinn. Da hat dann wohl doch wieder mal der Blarney Stone vom letzten Beitrag zugeschlagen, im übertragenen Sinne. So nett diese Geschichte auch klingt - ausgedacht hat sie sich wohl das irische Fremdenverkehrsamt. Fischer haben diese Pullover wohl sowieso selten getragen. Aber eine so eine romantische Erklärung klingt natürlich viel netter als die Tatsache, dass schon im frühen 20. Jahrhundert ein paar findige Inselbewohnerinnen auf die Idee kamen, die selbstgestrickten Pullover als Souvenirs an Besucher zu verkaufen.

Ich besitze übrigens auch so ein Prachtstück von Aran-Jumper. Mittlerweile bereits 19 Jahre alt und noch immer so schön wie am Tag des Kaufs. Und, ich betone das hier, es ist tatsächlich ein echter, handgestrickter Aran-Pullover. Das musste damals unbedingt sein, ein maschinengestricktes Stück kam mir nicht an den Leib. Und schon gar nicht, wo ich den Pullover tatsächlich originaaaal auf Inismor gekauft habe. Ich muss ihn mal wieder rausziehen, den Prachtpulli. Und angesichts des für den herannahenden irischen Nationalfeiertag angesagten Kälteeinbruchs (Schnee am Paddy's Day - das muss ich ja eigentlich nicht haben...) wäre das vielleicht dann auch die passende Kleiderordnung für das stundenlange Ausharren an der Paradestrecke.

Testergebnis dann am 18. März!

 

Dienstag, 8. März 2011

Kleingeplauder

Was für ein eckiges Wort, "Kleingeplauder". Fließt nicht, sträubt sich, ist unhandlich. Und irgendwie ist es ja auch schon irgendwie bezeichnend, dass es keine wirklich aussagekräftige Übersetzung für den englischen Begriff small talk im Deutschen gibt. Geplauder, Plausch, Schwätzchen. Wir Deutschen können das eben einfach nicht so richtig gut. (Deswegen brauchen wir dafür auch kein Wort in unserer Sprache...)

Ganz anders die Iren. Die sind die Meister des small talk. Und zwar Männer wie Frauen. Ob es zur irischen Schulbildung gehört, im Rahmen des Englischunterrichts einen Ausflug nach Blarney Castle zu machen und dort den so genannten Blarney Stone zu küssen? Dieser verleiht nämlich allen, die sich todesmutig über den Abgrund lehnen und auf dem Rücken liegend den unter den Burgzinnen eingemauerten Blarney Stone abschlecken, die Gabe der Beredsamkeit.

Früher hab ich mich ja noch über diesen Hang zum small talk bei den Iren lustig gemacht. Da war zum Beispiel dieser entzückende, ältere Herr, der mich als Pförtner des European Parliament Office jeden Morgen auf meinem Weg zum Praktikum beim EP freundlich mit einem neuen Kommentar zur aktuellen Wetterlage versorgte. Meine Güte, wie viel kann man denn bitte über das - schließlich doch immer identische - irische Wetter (eine Jahreszeit, das ganze Jahr über) reden? Ich hielt das Palaver für überflüssig und idiotisch. Nun ja, ich war auch gerade erst 24... Bis mich mein (selbstverständlich irischer) Freund auf den Pott setzte: small talk ist keine Weitergabe von essentiell wichtigen Informationen, so wie wir Deutschen Kommunikation verstehen. Es handelt sich dabei lediglich um die kleine freundliche Interaktion unter Fremden, die das Leben einfach etwas leichter macht. Keine tiefere Bedeutung, nur ein bisschen die Stimmbänder trainieren und dabei quasi rückmelden, dass man das Gegenüber im Aufzug/an der Supermarktkasse/im Wartezimmer wahrgenommen hat.

Anderthalb Jahrzehnte später sehe ich das Ganze auch etwas anders und habe mich den örtlichen Sitten und Gebräuchen angepasst. Ich bin quasi die Queen of Small Talk. Gestern morgen habe ich mich richtiggehend auf den halbjährlich anstehenden Besuch bei meiner Zahnhygienikerin gefreut - die Dame macht mir nicht nur das Lächeln präsentabel, sondern ist einfach mit ihrem sonnigen Geplauder gute Laune-machend. Und erstaunlicherweise weiß Clodagh auch trotz sechsmonatiger "Zwischenzeit" immer noch, dass ich wieder unter die Studenten gegangen bin und Fotografie studiere. Müheloser small talk mit einer Meisterin ihres Faches!

Mittlerweile weiß ich small talk sogar gewinnbringend zu meinem Vorteil einzusetzen. Nach einem guten Vorwand suchend kam ich mit der freundlichen, asiatisch-stämmigen Verkäuferin in meinem Stamm-Sushi-Laden ins Gespräch. Ein kleines "Woher kommst du?", ein gezielt gestreutes "Oh, meine Schwägerin lebt auch in Kuala Lumpur!" und ein paar "Schönes Wochenende nochs!", und ich war ihre Lieblingskundin. Seitdem bekomme ich beim Sushi-Kaiser immer zwei Bentoboxen umsonst in die Tüte gepackt. Die Investition in ein bisschen freundliche Unverbindlichkeit - oder ist es doch eher unverbindliche Freundlichkeit? - zahlt sich also aus.

Wie ist denn bei euch das Wetter heute so? Hier ist es sonnig und schön...

PS: Ich war übrigens auch schon auf Blarney Castle. Und nun ratet mal, ob ich ihn wohl geküsst habe oder nicht *grins*? Ein kleiner Tipp: Ich schreibe vier Blogs und bin Journalistin von Beruf...

Freitag, 4. März 2011

Irischer Frühling

Aus aktuellem Anlass befasse ich mich heute mal mit dem "Irischen Frühling". Wenn jetzt ein frisch-grüner Schriftzug in Arial Italics mit einem grün gestreiften Kleeblatt vor eurem geistigen Auge auftaucht, seid ihr offenbar nicht mehr ganz taufrisch, sondern in meiner Altersgruppe! "Herzhaft-erfrischend wie eine Frühlings-Brise" kam diese Kult-Seife der 70er Jahre daher. Irland war nämlich schon immer, zumindest auf dem deutschen Markt, gleichbedeutend mit Frische, Natürlichkeit und Sauberkeit. Ähem. Lange bevor ich erstmals nach Irland kam, wusste ich, dass man in Irland nicht nur frühlingsfrisch duftet, sondern der irische Bartwuchs mit Irish Moos im Zaum gehalten wird.

Frühlingsteppich mit Amsel
Klar, das (Vorurteils-) Bild von der idyllischen Insel, mit grünen Feldern so weit das Auge reicht, klaren, lustig plätschernden Bächen und romantisch-wilden Felsklippen ist ja auch eine schöne Projektionsfläche für alles, was man im Hygienebereich an den Mann oder die Frau bringen möchte. Lassen wir mal die Realität außen vor, dass besonders die schönsten Aussichtspunkte in Irland grundsätzlich zu den übelsten illegalen Müllabladestätten werden. Zu was würde das im Hygienemarkt gereichen? Achselschweiß trotz Irischen Frühlings und Bartstoppeln im Waschbecken??

Nur einmal, da hat das mit der irischen Frühlingsfrische so ganz und gar nicht geklappt. Es ging um die deutsche Markteinführung eines luftigen Parfumdufts, so sanft und erfrischend wie... siehe oben. Assoziationen von weißgewandeten, rotblonden Maiden, unschuldig und unberührt wie eine mit Tautropfen veredelte Spätfrühlingswiese vor dem Panorama mächtiger Felsformationen, selig lächelnd und elfengleich über dem Blumenteppich anmutige Reigen tanzend, sollten schon durch den Klang des Duftnamens erweckt werden. Leider schlug das Parfum auf dem deutschen Markt ganz und gar nicht ein, sondern verpuffte wie ein Fürzchen im Sturme. Da hatte dann wohl jemand in der Marketing-Abteilung geschlafen, als man sich für den Namen "Irish Mist" entschied.

Wie gut, dass wir alle werbungsresistent sind!

Dienstag, 1. März 2011

Nichts für Warmduscher!

Wenn ihr glaubt, dass Iren bisweilen etwas lasch sein können, dann habt ihr bisher noch keine Bekanntschaft mit irischen Duschen gemacht. Die sind tatsächlich eine Gattung für sich.

Nun sind einige meiner Erfahrungswerte vielleicht doch schon ein wenig überkommen - ich kenne die grüne Insel ja schon seit mittlerweile mehr als zweieinhalb Jahrzehnten. Und dank der Tigerjahre weilen die Duschen der Vergangenheit längst nicht mehr unter uns. Keine Angst, ich weine ihnen keine Träne nach. Denn das morgendliche Reinigungsprozedere war unter irischen Duschen kein Zuckerschlecken. (ehm, meine Metaphern sind heute etwas gewöhnungsbedürftig, ich gebe es zu...) Man stelle es sich in etwa so vor: Bewaffnet mit einem klammen Handtuch und der Shampoo-Flasche begab man sich in das Badezimmer, in der Regel ein feuchter Anbau mit ca. 80 x 40 cm großem Klappfenster, das wiederum in einer anderen Regel grundsätzlich auf geöffneter Stellung festgeklemmt war. (Ups, das gehört dann allerdings in einen gesonderten Beitrag "Baustoffsünden"). Eine separate Duschkabine war nur in Luxusanwesen vorhanden, das Duschen fand in der Badewanne statt. Und zwar mit Hilfe eines Plastikschlauchs, dessen eines Ende sich in zwei Anschlüsse gabelte, die über die beiden Badewannenhähne gestülpt wurde, und dessen anderes Ende in einen Duschkopf mündete. Befestigungsmöglichkeiten für die Behelfsdusche gab es meist nicht - so dass man in der Badewanne kauernd sich einhändig die Haare waschen musste. *grusel*

So eine Behelfsdusche hatte ich zuvor noch nie im Leben gesehen. Und ich musste zugeben: Ganz unpraktisch ist so ein Schlauchaufsatz nicht. Schließlich lässt sich die Dusche damit handlich klein einpacken und überall mit hinnehmen. Passt in jede geräumige Handtasche. Das kann auch etwas für sich haben.

Eine erhebliche Weiterentwicklung waren ja dann schon die Elektroduschen, bei denen das Wasser in einem Durchlauferhitzer warm gemacht wurde. Dumm nur, wenn sich das dermaßen elektrifizierte Badezimmer in einem Haus befand, in dem der Strom noch per Hand erzeugt wurde mit den damals noch sechseckigen 50-Pence-Stücken in Zählkästen "bezahlt" werden musste - Murphy's Law zu Folge musste selbstverständlich immer dann nachgelegt werden, wenn man sich gerade die Haare eingeseift hatte. Und wehe, man hatte keine 50p-Stücke gesammelt, dann blieb nur noch der Kaltwasserhahn.

Fast noch schlimmer war aber die Tatsache, dass irische Duschen nicht duschen, sondern tröpfeln. Der Wasserdruck lässt hierzulande doch schwer zu wünschen übrig - was meistens darin begründet liegt, dass der Wasserdruck erzeugt wird, indem das Wasser von der immer oben im Haus liegenden Zisterne in die Dusche fließt. Je nach dem, wie nah oder weit entfernt das Badezimmer von der Zisterne ist, kann man dann einen harten Massage- oder einen zärtlichen Liebkosungsstrahl aus dem heimischen Duschkopf erwarten.

Es sei denn, man hat eine Schwägerin im Haus, die vom Fach ist. Die unsere hat uns eine superduper Duschpumpe eingebaut, mit der unsere Dusche unerreicht schön, verlässlich und erfrischend arbeitet. Da ist das Duschen am Morgen eine wahre Freude. Und genau das werde ich jetzt genießen! Horrido!