Montag, 26. September 2011

Schöne Aussichten

Manches in Irland ist doch noch nach Jahren der intensiven Auseinandersetzung mit irischer Lebensweise so skurril, dass es mir nach wie vor ein breites Grinsen aufs Gesicht zaubert. Wer mich in solchen Minuten Angesicht zu Angesicht erlebt, hält mich vermutlich für grenzdebil. (Wobei - das tut wahrscheinlich jeder, der mein Blog hier verfolgt *lach*). Ich kann mir das Amüsement über manche irische Ideen einfach nicht verkneifen - und das meine ich nicht einmal herablassend, sondern mit einem gewissen kindlichen Staunen, wie man überhaupt auf *solche* Ideen kommen kann...

Im letzten Blogpost hatte ich von meinem Parkplatz-Ärger in Dun Laoghaire berichtet. Unverrichteter Dinge hatte ich mich damals beleidigt wieder hinter den Volant geschwungen, um nach einem kostenlosen Parkplatz an anderer Stelle Ausschau zu halten. Mir schwebte da auch bereits etwas vor - die Wohngegend hinter dem "James Joyce-Tower", am anderen Ende Dun Laoghaires in Sandycove gelegen. Dort hatte ich schon zu früheren Zeiten gelegentlich gebührenfrei geparkt. Das war wohl kein Geheimtipp mehr, denn die Straßen dort waren zugeparkt.

Doch wo ein Wille ist, ist auch eine Sackgasse. Und zwar eine ganz besonders schöne:

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Als ich ankam, standen, ähnlich wie hier im Bild, bereits vier Wagen in der Sackgasse. Drei PKWs und ein Transporter. Aber ein Plätzchen war für mich noch frei, in das ich mich hineinquälte. Erst beim Aussteigen bemerkte ich dann die skurrile Tatsache, die mich zu diesem Blogpost bringt: Die anderen Wagen waren nicht geparkt, sondern nur angehalten! (Wo ist der Unterschied? Ja, Leute, habt ihr denn eure Fahrstunden in einer amtlich bestätigten, deutschen Fahrschule vergessen? Parken ist, wenn man ein Auto abstellt und das Fahrzeug verlässt. Anhalten ist, wenn man das Auto abstellt, aber im Wagen sitzen bleibt! Ein kleiner, aber wichtiger Unterschied. Denn die hier abgestellten Wagen waren besetzt.)

In den drei PKWs jeweils mit Dubliner Kennzeichen saßen die Fahrer. Neben mir ein kleiner PKW-Lieferwagen mit einem Herren, der bei offenem Fenster eine Zigarette rauchte. Hinter mir eine Fahrerin in ihrem Fahrzeug, die eine aufgeschlage Zeitung auf dem Steuer liegen hatte. Und im BMW vor mir eine weitere Frau, die durch die Frontscheibe auf das Meer blickte. Was mich zu der irischen Skurrilität bringt: Die Iren lieben es offenbar, mit ihrem PKW an schöne Aussichtspunkte zu fahren. So weit, so gut. Dort steigen sie jedoch nicht aus, um die Gegend zu genießen, sich den Wind um die Nase pfeifen zu lassen und ein paar Schritte zu gehen. Nein. Man bleibt im Fonds sitzen und macht ein Picknick/liest die Tageszeitung/hört Radio/isst ein Butterbrot. Wie gemütlich. Im Auto. Direkt an einer schönen Aussicht. Aber mal lieber mit einer schützenden Schicht Autoverglasung und Blech zwischen den Passagieren und der Gegend. Ich finde es immer wieder witzig - da hat jemand offenbar sich genau überlegt, irgendwo hinzufahren, wo es besonders schön ist. Aber bleibt im Auto sitzen. Und macht Picknick.
 
Das schönste derartige Bild bot sich mir vor Jahren einmal an einem Aussichtsparkplatz in Co. Kerry. Dort stand ein Kleinwagen mit örtlichem Kennzeichen auf dem bestmöglichen Aussichtspunkt. Innen drin ein reizendes Rentnerpärchen. Er mit aufgeschlagener Zeitung auf dem Lenkrad, sie mit Stricknadeln auf dem Beifahrersitz. Gemütlich. Ich konnte mir lebhaft vorstellen, wie "Paddy und Mary" nach dem Lunch zueinander sagten "Was machen wir heute nachmittag? Ich habe keine Lust in meinem Fernsehsessel liegend meinen Irish Independent zu lesen." "Ach, Paddy, lass uns doch eine kleine Ausflugsfahrt machen! Ich würde gerne an der Strickweste für Edna weiterstricken." "Hervorragende Idee, Mary. Packst du uns noch eine Thermoskanne Tee ein?"

Vorteilhafter geht es ja auch nicht - mit dem eigenen Gefährt direkt bis an das Ausflugsziel fahren. Gebäck und heißer Tee aus eigenem Anbau mit dabei, und das ohne Warten auf ignorante Kellner oder Selbstbedienungstresen. Das ist kostengünstig. Und bei irischen Wetterverhältnissen praktisch noch dazu, wenn man keinen Schritt unter potentiellen Regenwolken gehen muss.

Ich freue mich schon auf meinen Lebensabend. Gemeinsam mit dem Gatten auf Vico Road den Sonnenuntergang verpassen. Mit einem leckeren Ham Sandwich und einer aktuellen Zeitung sicher aufregend. Und wir müssen noch nicht mal miteinander reden. Autoradio full blast!

4 Kommentare:

  1. Ich hab grade heftigst grinsen müssen, bei Deiner süffisanten Erzählung, toll geschrieben übrigens! Mir drängte sich dann prompt die Vorstellung auf, wie es wohl hier in Bayern wäre, wenn wir die Alpenstraßen zuparkten und unseren Radi und Leberkäs mit einer Maß Bleifrei im Auto genießen würden und gelegentlich über die SZ ins Bergpanorama blicken würden....LOL
    Danke für diesen wunderbaren Einblick in die irische Kultur.
    LG
    Biggi

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  2. So richtig vorstellen kann ich mir das für die deutsche Bergwelt auch nicht, Biggi, aber eine Freundin wies mich darauf hin, dass das an der Küste auch in Deutschland vorkommen soll...

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  3. Hi Sonja,
    das ist doch ganz Normal ;-)
    http://maps.google.de/maps?hl=de&ll=53.534174,8.576159&spn=0.001636,0.004667&t=h&z=18&vpsrc=6
    Zu mindestens bei uns in Bhv. Bei super Sonnenuntergang gibt es dort keinen Parkplatz mehr.

    Gruß Wolfgang

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  4. Ich bin schon zu lange aus D'land weg, scheint mir...

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