Samstag, 20. Juli 2013

Schietwetter

6 Uhr. Der Wecker klingelt, damit ich mich an meine Frühschicht setze. Auch im Urlaub ist frau dienstlich eingebunden. Bei früher Stunde allerdings kein Problem - Kinder schlafen noch. Erste Tasse Tee zum Aufwachen. Auf dem Balkon sind lauschige 25° Celsius. Nur dort funktioniert das Wlan, aber während im Walnussbaum gegenüber die Spatzen lärmen, flutschen die Morgenartikel nur so aus der Tastatur. So könnt's bleiben.
8 Uhr. Frühstück im Halbdunkel. Die Jalousien stehen auf Tiefstand, um die Morgensonne auszuschließen. Ledersofas und Plüschkissen sind im Hochsommer Klima-inkompatibel. Der Heißtee wird innerhalb von Minuten in Schweiß umformatiert. Aber noch sind wir erfrischt von der Kühle des Morgens. Es passt.
10.30 Uhr. Spazierfahrt zum Ausflugsziel. Keine weiteren Vorkommnisse.
11 Uhr Ankunft. Wir steigen aus dem klimatisierten Personenkraftfahrzeug direkt in eine feucht-warme Wand. Momentane Atemnot bei 28,5° Celsius. Spontaner Schweißangriff über Flanke und Schulter. Ortsbesichtigung kann nur im extremen Schlenderschritt vorgenommen werden, unter erschwerten Bedingungen auf Grund kiloschwerer Fototasche, deren Schulterpolster zu verstärkter Schweißbildung am linken unteren Hals führt.
13 Uhr. Nach 20-minütiger Gastronomie-Begutachtung - was gibt die Karte her, gibt es auch einheimische Spezialitäten, ist die Bestuhlung durch Kissenauflage atmungsfreundlich für das Gesäß, gibt es natürlichen Schatten - Entscheidung für ein Restaurant mit "Plattenschatz". Die anwesenden Damen bestellen das Mädchengericht (Salat mit gegrillten Hühnerbruststreifen). Verdauungszigarette entfällt angesichts stehender Hitze am Tisch. Ich hasse die Zeitumstellung!
15 Uhr. Zuflucht im Warenhaus beziehungsweise Supermarkt des Vertrauens. Einkaufs-resistente Kinder und Männer werden im gemütlichen Kassenbereich im allgegenwärtigen Bäckerei-Café abgestellt. Der beste Platz für Frauen ist an der Theke... Kühltheke. Das Tiefkühlsortiment war noch nie so interessant wie heute. Um nicht den Argwohn des Marktleiters zu erregen, verlegen wir nach 20 Minuten unseren Aufenthaltsort ans Joghurtregal. Schade, dass es keine Probierstände gibt. Bedauerlicherweise muss aber auch hier spätestens nach 10 Minuten der Aktionsradius verlegt werden, bevor die Restfamilie uns über die Supermarktnachrichten ausrufen lassen ("Der 14-jährige C___, seine kleine Schwester und der 71-jährige Opa möchten gerne aus dem Kassenbereich abgeholt werden.")
17 Uhr. Wir danken dem Herrgott für die Erfindung der Autoklimaanlage und fahren die Ferienwohnung über kilometerlange Umwege an. Im Fonds gart das Fleisch auf besonders schonende Art und Weise. Der kurze Weg von Auto zur Haustür macht die Abkühlung innerhalb von 20 Sekunden zunichte. Die Verdunkelungsstrategie in der Ferienwohnung ist jedoch aufgegangen und der Aufenthalt erträglich.
19 Uhr. Nach leicht verdaulichem Abendessen Autofahrt zur Badestelle am Main. Die badenden Familien haben eingepackt, nur noch vereinzelte Schäufelchen und besitzerlose Frotteetücher bevölkern den nicht-vorhandenen Strand. Weder schlammiger Untergrund noch argwohnerregende Abflussrohre können uns davon abhalten, den Strom zu betreten. Das fließende Gewässer ist auch am Rand erfrischend kühl.
20 Uhr. Die Badezeit ist viel zu kurz. Rückfahrt.
21 Uhr. Zum ersten Mal sehen wir in der Ferienwohnung Tageslicht. Angesichts Salzkristalllampe und Blümchentapete machen wir die Schotten aber schnell wieder dicht. Ausklang des Abends bei Weinschorle auf dem Balkon.
23 Uhr. Zeit zum abschließenden Internetrundgang, dank Laptop im Bett. Bei offener Balkontür aber heruntergelassenen Jalousien zur Mückenabwehr. Endlich gemütliches Surfen, um sich über den neuesten Stand der einschlägigen Fanfiction zu informieren.
23.05 Uhr. Tochter klagt über stehende Hitze im Kinderzimmer und zieht in Mutters Doppelbett ein. Laptop aus. Wahrscheinlich besser so, angesichts heißer Fanfiction. Gute Nacht.

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