Sonntag, 30. Juni 2013

No Hate

Gelegentlich merkt man in seiner eigenen Durchschnittlichkeit - mittleres Alter, Mittelklasse, zwei Kinder - gar nicht mehr, dass es durchaus noch Kampagnen gibt, hinter die man sich klemmen muss. Und das, auch wenn man selbst gar nicht "betroffen" ist. Aber in was für einer Welt leben wir, dass essentielle Rechte einem Teil der Bevölkerung nicht gewährt werden? Wie zum Beispiel das Recht, in einer gleichgeschlechtlichen Ehe zu leben. Irland ist, wie viele andere Länder der Welt, immer noch nicht an dem Punkt angekommen, an dem Homosexuelle und Heterosexuelle komplett gleichgestellt sind.

Ich bin lange genug in Irland, um mich gar noch an das Jahr zu erinnern, in dem Homosexualität dekriminalisiert wurde - das war erst 1993 der Fall. Seit dem ist man einen langen Weg gekommen, und seit 2010 ist auch die eingetragene Lebensgemeinschaft für Homosexuelle in Irland möglich. Doch leider ist das nicht wirklich dasselbe wie eine Ehe - Kindern einer homosexuellen Partnerschaft wird beispielsweise nur eine rechtliche Verwandtschaft mit ihrem biologischen Elternteil zugestanden. Die staatlichen Unterstützungen, die Ehepartnern gewährt werden, werden den Partnern einer homosexuellen Lebensgemeinschaft nicht gegeben. Und allein die Wortwahl, mit der man bei einer heterosexuellen Ehe von einem "Familienheim" (family home) spricht, während es bei einer eingetragenen Lebensgemeinschaft "gemeinsam genutztes Haus" (shared home) heißt, spricht Bände.
Dabei ist die irische Bevölkerung mit großer Mehrheit für die komplette Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften: 73 Prozent der Iren sind dafür, die gleichgeschlechtliche Ehe innerhalb der irischen Konstitution genauso zu verankern, wie die herkömmliche Ehe (aktuelle Statistik von 2013).

Anlässlich des Gay Pride-Umzugs wurde gestern ausgiebig auf den Dubliner Straßen demonstriert und gefeiert. Ich war dieses Jahr nicht dabei. Dafür habe ich heute meine Pflicht und Schuldigkeit getan und mich mit meinem Gesicht meiner Visage einer öffentlichen, weltweiten Kampagne angeschlossen. Unter dem Motto NOH8 - No Hate - Kein Hass fotografiert der US-amerikanische Fotograf Adam Bouska Prominente und Normalsterbliche für sein kontinuierliches Fotoprojekt. Die Porträts sind in ihrer Gleichförmigkeit aussagekräftig genug: Die "Modelle" tragen alle ein weißes Oberteil. Auf einer Wage haben sie das einprägsame NOH8 Logo als Tattoo, während ihr Mund mit einem breiten, silbernen Klebeband geknebelt ist.

Der Shoot war kurz und schmerzlos. Vor einem weißen Hintergrund gestellt, knipste Bouska in schneller Folge zackzackzack zehn bis zwanzig Porträts von mir in verschiedenen Posen. Mal mit Hand kokett an der Sekretärinnenbrille, mal mit japanischer "Smile" Handgeste, mal gekreuzten Fingern vorm verklebten Mund. Ein nachbearbeitetes Bild wird jedem Teilnehmer später zur Verfügung gestellt. Ich bin gespannt, was dabei herausgekommen ist. Ein Spaß war es auf jeden Fall, allein um schon einmal hinter die Kulissen eines solchen offenen Shoots zu schauen. Ich kann mich jedenfalls jetzt in guter Gesellschaft wähnen - zu den prominenten Modellen der NOH8-Kampagne gehören unter anderem auch Original-Raumschiff Enterprise-Schauspieler George Takei, US-Talk-Legende Larry King und Weltstar Liza Minelli. Und David Hasselhoff. Ahem.


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