Sagte
ich in meinem letzten Beitrag etwas von "ich weiß nicht, wann
ich wieder posten werde"? So ein Unsinn. Wie konnte ich
vergessen, dass ich eine irische Schwiegerfamilie habe. Und diese
gibt immer wieder Gesprächsanlass. Erst recht, wenn man mehrere Tage
mit (Teilen) dieser Familie unterwegs ist. Scheinbar habe ich in
langjähriger Arbeit bei meinem gälischen Gatten die Auswüchse
familiärer Exzentrizität bereits abgeschliffen. Im Zusammenspiel
mit einem oder mehreren Familienangehörigen jedoch bricht dann das
P___-Blut wieder voll aus ihm heraus. Es lebe der Kulturunterschied.
Aus
der Serie "Wandern mit den P___s" hier Teil XY. Wir
befanden uns auf einem Ausflug an einen der schönsten Fleckchen
Irlands. Nach dem Lunch an einem wunderschönen Strand, bei dem wir
Besuch von ein paar neugierigen Kühen erhielten, die sich in den
Atlantikwellen offenbar abkühlen wollten, hatte der Urlaubsrat
beschlossen, mit der gesamten Truppe nun den Giant's Causeway zu
besichtigen. Wir waren sechs Erwachsene und acht Kinder im Alter vo
14 bis acht. Angesichts von Eintrittspreisen von acht Pfund für
Erwachsene und fünf Pfund für Kinder, wollten wir die 80 Pfund
lieber sparen. (In der Truppe wird Geld vorzugsweise in gutes Essen
umgesetzt.) Schwager kannte die Gegend von einem kürzlichen
Wochenendtrip und steuerte uns an einen Parkplatz, von dem ein
Klippenweg von hinten an den Giant's Causeway heranführte.
White Park Bay, Co. Antrim |
Das
Eindringen ohne Bezahlen in irische Kulturstätten hat in der P___
-Familie Tradition. Das Argument dabei ist, dass die Kulturstätten
schließlich allen gehören - und es eine Frechheit ist, dafür auch
noch exorbitante Eintrittspreise abzugreifen. Das spricht den
Geizhals in mir durchaus an. Insofern war ich auch gerne bereit, auf
den Klippenweg zu gehen, um dezent in den Naturpark einzubrechen und
mich daran zu freuen, die Eintrittspreise umgangen zu haben. Leider
wurde uns der britische Hang, das Empire auch heute noch in Form von
empirischen Maßeinheiten auszuleben, dabei zum Verhängnis. Wer weiß
schon, wie lang 4,5 Meilen sind? Das wissen nicht mal die metrisierten Iren. Bei herrlichem Wetter liefen wir im
Gänsemarsch am Klippenrand über dem Atlantik entlang. Über uns die
Sonne, grüne Gräser zu Füßen, das azurblaue Wasser bis zum
Horizont, wo uns Schottland herüberwinkte. Wunderschön.
Doch
selbst der schönste Weg wird irgendwann zur Tortur, wenn das
anvisierte Ziel partout nicht in die Nähe rücken will. Oder wenn
man als Deutscher mit einem Pünktlichkeitsgen ausgestattet ist, das
mit jeder fortrückenden Minute immer lauter darauf hinweist, dass
der letzte Einlass in die Kulturstätte immer näher rückt. Und dass
man den Weg, den man hingeht, auch zwangsweise wieder zum Auto
zurückgehen muss.
Für
Menschen aus dem P___-Genpool ist so etwas nur eine
Nebensächlichkeit. Für mich dagegen sind solche den Gesetzen der
Logik unterliegenden Tatsachen essentielle Planungseckpunkte. Ich
gehe um 16 Uhr nicht auf einen Klippenweg ungenauer Weglänge, wenn
ich weiß, dass um 17 Uhr am Zielpunkt dicht gemacht wird. Und wenn
ich besagten Klippenweg auch wieder bis zum Parkplatz am
Ausgangspunkt zurücklatschen muss. Dummerweise befinde ich mich bei
meiner Schwiegerfamilie einfach in Unterzahl. Da bleibt meistens nur
die gute Miene zum bösen Spiel - was für verwöhnte Einzelkinder,
die mit einem gesunden Selbstbewusstsein ausgestattet sind die glauben, dass sie es besser wissen), nicht ganz einfach ist. Ich
sollte mir für solche Fälle eine Beißschiene vom Zahnarzt machen
lassen.
Eine
Stunde nach Abmarsch lag wieder eine weitere Klippennase vor uns, von
der wir alle geglaubt hatten, dass sie die letzte sei. Der Atlantik
war mittlerweile nicht mehr Riviera-azurblau sondern langweilig
bleigrau, die Sonne erwärmte nicht das Gemüt, sondern die
Achselhöhlen, und die Möwen kreisten nicht, sondern sie
kreischten... nervtötend. Wir beschlossen, uns von den nächsten uns
entgegen kommenden Wanderern bestätigen zu lassen, dass der Causeway
nur fünf Minuten entfernt sei. Pustekuchen. Eine weitere Stunde,
informierte uns der freundliche Wanderer. Der gälische Gatte - die
unguten Vibrationen aus dem teutonischen Seelengefäß spürend -
beschloss, sich zu opfern. Er gehe jetzt zurück zum Auto, damit er
die Gruppe später am Eingang zum Causeway treffen und nach und nach
zum Parkplatz zurück kutschieren könne. Fröhlich-freundlich nahm
der Rest der Familie das Angebot - noch nicht mal gebührend demütig
- entgegen. Schließlich hatte mein Schwager den Mist verbockt.
Eigentlich hätte er der Fairness halber zurück latschen müssen,
zudem er den Causeway bereits gesehen hatte, der GäGa jedoch nicht.
Ich war auch schon mal dagewesen. Vor 22 Jahren. Mit der
archäologischen Gesellschaft des University College Dublin, im Jahr
1991. Gelegenheit, die negativen Vibes in voll ausgewachsenes
Märtyrertum zu überführen. Schließlich konnte ich den GäGa ja
nicht alleine über den Klippenrand stolpern lassen.
Rückwege
sind ja immer kürzer als Hinwege, und nach knapp 45 Minuten waren
wir dann auch wieder am Parkplatz angekommen. Ich mittlerweile mit
der brastigsten Laune, die ich angesichts des strahlenden Tages und
der gloriosen Landschaft heraufbeschwören konnte. Der Gatte schwang
sich hinter den Volant, um die Mannschaft zurück zum Kraftfahrzeug
Nummer 2 zu kutschieren. Ich blieb in der Picknickecke des
Parkplatzes, um mich in meinem selbst gemachten Märtyrertum zu
suhlen. Ganz ehrlich gesagt, war das ziemlich angenehm. Um die
Picknicktische herum war ein gepflegter Grasteppich, auf dem ich mich
in der Sonne ausstreckte. Und dann vertrieb ich mir die Zeit, in dem
ich dem schokoladensamtigen Bariton meines Lieblingsschauspielers
lauschte, wie er einen kitschigen Liebesroman aus dem 19. Jahrhundert
mit köstlichem Akzentwechsel und reizenden Intonationsspielchen zum
Leben erweckte. Meine Laune erholte sich schnell.
Ich
habe an dem Tag den Giant's Causeway allerdings nicht mehr gesehen.
Vielleicht hätte der GäGa mich nicht wieder abholen sollen, denn
die Laune sank schlagartig wieder in den Keller, als mir klar wurde,
dass er eine Stunde später alleine zurückgekommen war, um mich
aufzusammeln, während die Gruppe im plüschigen Causeway Hotel saß
und sich an Scones und Tee labte. Ich fand es, gelinde gesagt, ein
wenig rücksichtslos, Zeit zu vertrödeln, während andere Leute den
fahrbaren Untersatz heranführen. Aber so ist das mit der
Unkompliziertheit meiner irischen Familie - wer freiwillig zurück
geht, muss nicht damit rechnen, dafür auch noch gelobt zu werden.
Undankbarkeit ist der P___s Lohn. Ob ich mich daran noch gewöhnen
werde, weiß ich nicht, schließlich habe ich schon 15 Jahre davon
hinter mir und ärgere mich nach wie vor über die
Regelübertretungen, die bei den P___s als Sport betrieben werden.
Man kommt halt nicht aus seiner deutschen Haut heraus.
Der
Klippenweg war übrigens 4,8 Meilen lang. Das sind 7,7 Kilometer.
Wow, after all that, no tee and scones (Kaffee + Kuchen?) for you? I'd have been angry, too, actor or no actor.
AntwortenLöschenYes, I was very very cross. No amount of chocolate baritone could lessen my anger. But eventually I calmed down again - as I always do. My weakness is that I forgive too quickly...
LöschenUnglaublich...was hätten wir verpasst, wenn Du gerade jetzt aufgehört hättest, über die kleinen Unterschiede zu bloggen...
AntwortenLöschenDeine Gemütslage kann ich echt nachvollziehen...als "verwöhntes deutsches Einzelkind" (Beißschiene ist ein guter Tip für solche Situationen, sollte man immer dabei haben):-)
Tanja