Samstag, 22. Juni 2013

Irische Hochzeiten - kurz und schmerzhaft

So langsam komme ich aus dem Alter heraus, in dem man ständig zu Hochzeiten eingeladen wird. Um ehrlich zu sein - so viele Hochzeiten habe ich in meinem Leben aber sowieso nicht mitgemacht. Mein Freundeskreis scheint die Institution der Ehe nicht besonders hoch zu schätzen. Das kommt davon, wenn man sich mit linken Socken umgibt... Dabei bin ich einer ausschweifenden Feier nicht abgeneigt, und staatlich-kirchlich sanktionierte Steuernachlässe hin oder her - an einem öffentlichen Treueschwur ist ja eigentlich nichts auszusetzen. Grund genug, das kleine Schwarze aus dem Griff der Mottenkugeln zu befreien und den Lidschatten auf die Schlupflider zu tupfen.

Da, wo ich herkomme, werden Hochzeiten groß und ausschweifend gefeiert. Hundert Gäste sind das Minimum, egal ob ein standesamtlicher Akt oder der kirchliche Summs noch oben drauf. Gefeiert wird bis in die frühen Morgenstunden. Jedenfalls wer zu der Feier eingeladen wird. Nach der Kirche geht es zum Empfang. Dann gibt es das große Festmahl, und kaum ist das Dessert serviert, geht es schon los mit Reden, Vorträgen, der ein oder anderen Diashow, zahlreichen Spielen zur Belustigung der Gäste und auf Kosten des Brautpaares, bis zum nächsten Sonnenuntergang geschwooft und getrunken wird. Natürlich bei offener Bar, auf dem Saal, all expenses paid. So ist das bei uns, im hohen Norden.

Am Donnerstag hatte ich Gelegenheit mal wieder direkt zu vergleichen. Anlass war die Eheschließung guter (Sozi-)Freunde. Der standesamtliche Akt fand in äußerst repräsentativem Rahmen statt. In Dublin kann man im beeindruckenden Ambiente der City Hall heiraten. Was heute die Büros der Stadtabgeordneten beherbergt, wurde im 18. Jahrhundert als Börse der Dubliner Händler gebaut. Was wahrscheinlich sowieso ein unvergesslicher Tag im Leben der Hauptpersonen ist, wird unter der Goldblatt-belegten Kuppel der Rotunda noch. Insofern war der äußere Rahmen der Hochzeit von B___ und Ch___ mit Sicherheit einer der beeindruckendsten, den ich je erlebt habe (mal abgesehen von der Eheschließung meiner Freunde C___ und S___ im alten Rathaus zu Prag!!! Unübertroffen!).

Nachdem alle Formulare unterzeichnet und der Brautstrauß geworfen war, marschierte die Hochzeitsgesellschaft bei schönstem Wetter die Parliament Street hinunter und über die Liffey zum Restaurant am Ormond Quay, wo die Feier stattfand. Und dort wurde es dann irisch. Das bedeutet zum Einen reichliche Mengen an konsumiertem Alkohol - und wenig zu essen. Denn das große Sit-down-Mahl ist nicht unbedingt Teil von irischen Feiern.  Am Donnerstag beispielsweise gab es zwar Tapas-Finger-Food, aber das war es dann auch. Stattdessen ist es bei irischen Hochzeiten üblich, sich alkoholisch selbst zu versorgen. Will heißen - die Gäste bezahlen für ihre Getränke selbst.

Schock, für Deutsche sehr gewöhnungsbedürftig. Was allerdings nicht bedeutet, dass der Alkohol weniger fließt als in Deutschland. Wir sind ja schließlich in Irland. Was allerdings dann wiederum bedeutet, dass um 1 Uhr Schluss ist mit lustig. Jawoll, kaum waren wir alle ordentlich in Fahrt und durchgetanzt dank fantastischer DJ-Beschallung, war auch schon wieder Closing Time. Nix da mit Tanz bis in das Morgengrauen. Dank diverser Gläser Wein war meine Enttäuschung um 1 Uhr nachts vokal-verbal wenig ladyhaft. What the...

Angesichts angeschlagener Verdauung und brummender Hirnhälften war wiederum meine Erleichterung am folgenden Morgen größer als meine Enttäuschung. Mein Gott, wie gut, dass wir nicht doch noch mit den Unersättlichen in die nächste geöffnete Bar weitergezogen sind. Der Tag danach wäre noch grauenhafter gewesen als so schon. Another day that I won't get back, wie man so sagt. Und insofern sind irische Hochzeiten gegebenenfalls dann für die Leber doch besser, als deutsche. Manchmal braucht man eine wohl getime-te Sperrstunde, um zu wissen, was das Beste für einen ist. Oder einen wohlmeinenden Gatten, der einen erbarmungslos nach Hause treibt.

2 Kommentare:

  1. Der Kurpfälzer, den ich ethnologisch noch immer mit Freude betrachte, sagt da gerne: "Das bisschen, was wir essen, können wir auch trinken." Na dann :-)

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    1. Das ist übrigens ein Ansatz, den ich selber auch gelegentlich in der Umkehrung fahre. Beim Diäten (siehe übrigens den Beitrag hier: http://westrandbemerkungen.blogspot.ie/2013/06/selbstversuch.html ) verzichte ich tendenziell lieber auf Alkohol als auf Essen. So hat jeder seine Prioritäten *ggg*

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