Sonntag, 29. April 2012

Vakuum

Manchmal bin ich mir nicht mehr so sicher, ob das, was ich als typisch irisch empfinde, wirklich auch so außergewöhnlich ist: Mittlerweile habe ich, stelle ich soeben mit Schrecken fest, mehr Zeit meines Erwachsenen-Lebens im Ausland verbracht als in der Heimat. Bin ich dann noch kompetent, Vergleiche mit Deutschland anstellen zu können? Meine Version Deutschlands ist mittlerweile nicht mehr auf dem neuesten Stand. Ich verließ das Land vor fast 13 Jahren. Rückblick:

1999 hatte ich ganz frisch das Internet ins Haus geholt. Zugriff war damals noch über das melodisch brummende Modem! *tirrriliiii surrrrrr brrrrrrrrraaaabrrrrriiiiiii plopp* Oscar Lafontaine trat im März 1999 von allen Ämtern zurück und zog sich ins Private zurück. Der Euro wurde als theoretisches Zahlungsmittel eingeführt. Mambo No. 5 ist elf Wochen lang auf Platz 1 der Charts. Die Bundeswehr nahm - kontrovers, kontrovers - am Kosovo-Einsatz teil. Die Klitschko-Brüder boxen sich in die Weltklasse. Das letzte Großereignis vor unserem Umzug Ende August war die totale Sonnenfinsternis am 11. August 1999. (Unbeeindruckt - Würzburg war bedeckt!

Ich befinde mich seit zwölfeinhalb Jahren auf dem Stand von Deutschland 1999! Da stellt sich die Frage, wie sich Deutschland in meiner Abwesenheit weiterentwickelt hat. Sind die Deutschen noch immer so gesprächsfrei reserviert wie ich sie in Erinnerung habe? Sind Pünktlichkeit und Ordnung immer noch wichtige "Sekundärtugenden"? Ist Arbeit Lebensinhalt? Duzen wir uns mittlerweile alle?

Meine Randbemerkungen sind womöglich weit weniger frappant als ich denke, da sie sich auf Deutschland 1999 beziehen und auf meine ganz persönliche Erfahrung als damals noch Unter-30-Jährige (*schluck*, wo ist die Zeit geblieben), junge Mutter und frisch examinierte Sek-II-Lehrerin.
Im Grunde lebt man als Auslandsdeutscher in einem Heimat-Vakuum: Statisch verharren Geschichte und Gesellschaft in der Lage, die man damals verlassen hat. Subjektiv und unbewusst. Und in der Rückschau immer mit dem leicht rosigen Schattierung bittersüßen Heimwehs. Früher war alles besser, Deutschland war reicher und ich war jünger. Gerade noch mal entkommen...


5 Kommentare:

  1. Hallo Sonja,

    lange nicht mehr hiergewesen, da deine Blogverlinkung bei mir lange Zeit nicht geklappt hat, egal, hier bin ich wieder. Voller Vorfreude auf meinen nächsten Irlandaufenthalt in 11 Tagen lese ich mich durch die letzten Einträge und bin mir relativ sicher, dass du noch deutsches Blut in den Adern fließen hast! Auch, wenn ich nicht wirklich beurteilen kann, was sich seit 1999 (da war ich 10 J.) verändert hat, freue ich mich zu sehen, was sich in einem Jahr in Dublin, Carlow und Galway getan hat!

    Ich hoffe, ihr habt zwischen den üblichen Regenzeiten auch so herrliches Wetter wie wir...

    Take care, Lisa

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Hi Lisa, oh, technische Probleme? Hm, das Blog hatte allerdings zwischenzeitlich auch die URL gewechselt. Bin jetzt wieder auf der kostenlosen Blogger-Domain.
      Dann bist du ja bald hier in Irland - ich kann dir wettermäßig nur wenig Hoffnung machen: Während es bei euch herrlichen Sonnenschein gibt, ist es hier winterlich kalt. Ungelogen: 7 Grad. Echt, manchmal frag ich mich dann doch, was ich hier eigentlich will...
      Viel Spaß in Irland!

      Löschen
    2. What the f***?! 7 Grad?! Na toll! Nun hat sich meine komplette innerliche Kofferzusammenstellung geändert. Mist! Und ich wollte so gerne Ballerinas anziehen und habe kurzzeitig sogar über FlipFlop´s nachgedacht! Naaa toll! Naja, schön wird´s trotzdem werden! Werde meiner Mama zum ersten Mal zeigen, wo ich mich 6 Monate rumgetrieben habe.(Vielen Dank für den Hinweis! Da wir zu den Cliffs fahren werden, wird´s bestimmt ziemlich frisch um die Nasenspitze!) :) Liebste Grüße!

      Löschen
  2. Hallo,
    wie? 1999 ist 13 Jahre her??? Kann gar nicht sein ...
    Wie es jetzt so in Norddeutschland ist, weiß ich auch nicht mehr so genau; bin ja noch länger da weg. Aber hier an der Bergstraße sind die Leute sehr nett und recht zugänglich, man muss allerdings wissen, dass eine Einladung zum Kaffee nicht gleich der Beginn einer lebenslangen Freundschaft sein muss, sondern - naja, eine Einladung zum Kaffee eben, aber das ist ja auch nett. Echte Freundschaften dauern auch hier länger. Ansonsten gibt es große regionale Unterschiede - wie heißt es so schön? Die schwäbische Manie ist die rheinische Depression. Sind jetzt gleich zwei Volksstämme beleidigt? Oje! Nix für ungut! Schönen 1. Mai alle zusammen!

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Juhu, schau mal, Blogger hat eine neue Antworten-Funktionalität. Nun kann ich einzeln auf die Kommentare meiner Leser eingehen.
      Siehste, ich sag es ja - man gewinnt mit dem zeit-räumlichen Abstand irgendwann eine unrealistische Sichtweise seines Heimatlandes. Was ich für "Deutschland" halte, ist nicht allgemeingültig. Ich bin mir dessen sehr bewusst - genauso wie "mein Irland" eben auch davon geprägt ist, dass ich das Land grundsätzlich liebe und gerne hier bin. Irgendwie ist man NIcht-Fisch-nicht-Fleisch. Zwitter? LIebe Grüße an euch drei S. xxx

      Löschen