Donnerstag, 18. Oktober 2012

Besuchszeit

Als Auslandsdeutsche bin ich in der glücklichen Lage, oft und lange Besuch zu bekommen. Für gesellige Menschen wie mich ist das ein Glücksfall. Besuch macht mich nämlich zu einem besseren Menschen. 

Das fängt schon vor der Ankunft meiner Gäste an. Spätestens am Tag vor der Anreise ist der Leidensdruck so groß geworden, dass Sonja zu Lappen und Staubsauger greift. Auch selbsternannte Schlampen haben schließlich ihren Stolz! Der Sauberkeitsgrad des Hauses wächst direkt proportional mit der Frequenz des Besuchs. Und dem Verwandtschaftsgrad zur Hausherrin. Direkte Blutsverwandte mit Doppel-X-Chromosom lösen etwa in der Hausschlampefrau ein stärkeres Bedürfnis zum makellosen Präsentieren des häuslichen Wirkungskreises aus als jugendliche Touristen aus dem weiteren Bekanntenkreis, insbesondere solche, die männlichen Geschlechts sind.

Aber auch während des Aufenthalts wirkt die Anwesenheit von Besuchern sich positiv auf seelische und heimische Hygiene der Dame des Hauses aus. Dank langjähriger Gewöhnung bin ich ein Frühaufsteher. Aber ich gebe zu, ich bin ein Spätanzieher. Während es ein Leichtes für mich ist, mich schon um 6.30 am PC zur morgendlichen Frühschicht einzufinden, gedopt mit einem Halbliter-Pott Tee, fällt es mir ungeheuer schwer, nach dem Familienfrühstück um 8 Uhr wortwörtlich aus den Puschen zu kommen. Ganz anders, wenn Besuch im Hause ist. Dem kann man ja schließlich nicht in geblümten Nachthemdchen und Schlupfsocken unter die Augen treten.

Wer mich kennt, weiß, dass ich ich bekennende Nicht-Köchin bin. Wenn es nach mir ginge, gäbe es bei mir nur Backwaren zum Essen. Diese zwar selbst gebacken. Aber keine gekochten Speisen. Mir fehlt die Liebe zum Kochen (leider allerdings nicht die Liebe zum Essen, aber das ist eine andere Geschichte). Dabei ist es um meine Kochkunst gar nicht so schlecht bestellt - Gordon Ramsay muss zwar nicht einpacken, aber zur Hausmacher-Verpflegung reicht es eigentlich noch. Doch hat sich Besuch angesagt, fühlt sich Sonja bemüßigt, in der Küche mit ein bisschen mehr Flair, Fantasie und Mühe zu kochen.

Kein Wunder, dass meine Familie meine Besucher immer extrem gerne empfängt. Nutznießer des picobello sauberen Hauses, einer gepflegten Gastgeberin/Mutter/Gattin und nahrhaft-abwechslungsreicher Ernährung sind meine Kinder. Die freuen sich schon auf den Besuch von Oma und Opa - denn dann wird hier endlich mal wieder sauber gemacht...

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