Samstag, 9. Februar 2013

Beichte

Es fällt mir schwer, mein Gastland zu kritisieren. Nunja, die Kleinigkeiten des Alltags, über die macht man sich schon schnell mal lustig. Die Laberei der Iren. Die zu lockere Einstellung zu Alkohol. Der flexible Zeitbegriff. Doch wenn es um die kontroverseren Eigenheiten der irischen Geschichte geht, dann bin ich doch zwiegespalten zwischen meiner Liebe für das Land, das mir zur Heimat geworden ist, und der Fassungslosigkeit, die mich angesichts mancher historischen Grausamkeiten überkommt.

Dabei schlage ich mit meiner Kritik in eine Kerbe, die Iren selber bereits geritzt haben. Die Macht und die "Regierung" der Kirche haben in diesem Land tiefe Narben hinterlassen. Das Unrecht und die grauenhaften Verbrechen, die im Namen von Religion hier begangen worden sind, sind geradezu zahllos und werden immer noch aufgearbeitet. Derzeit geht es wieder um die unaussprechlichen Grausamkeiten der katholischen Kirche gegenüber unverheirateten Müttern. Das Unrecht, das den Frauen widerfahren ist, lässt sich niemals wieder gut machen: Bis in die 80er Jahre hinein wurden junge Mädchen, die schwanger waren, in die "Obhut" kirchlicher Orden gegeben. In den so genannten Magdalen Laundries lebten die Frauen unter der Aufsicht von Nonnen, arbeiteten in der angeschlossenen Wäscherei und erhielten zunächst Obdach, wenn sie wegen einer Schwangerschaft von ihren Familien verstoßen worden waren. Doch waren die Babies erst einmal geboren, wurden sie den Frauen gegen ihren Willen nach kurzer Zeit entrissen und zur Adoption freigegeben. Und das ohne Einwilligung der (oft minderjährigen) Mütter und ohne die Möglichkeit, ihre Kinder jemals wiederzufinden.

Diese Tatsachen wurden in verschiedenen Untersuchungskommissionen zusammengetragen und veröffentlicht. Die Empörung der Öffentlichkeit war groß. So groß, dass eine Entschuldigung eingefordert wurde und die Kirche quasi zu Kreuze kriechen musste. Und doch gelingt es den kirchlichen Institutionen, die verantwortlich für das Leid zahlloser Frauen, Kinder und Familien sind, sich nach wie vor aus der Affäre zu lavieren. Statt klipp und klar ihre eigenen Fehler einzugestehen, werden lasche und lapidare Erklärungen abgegeben. "Es tut uns leid, dass die Frauen unsere Beihilfe nicht als positiv empfunden haben", heißt es da sinngemäß. Was für ein Schlag ins Gesicht für die Frauen, deren Leben nicht durch die Schwangerschaft zerstört wurde, sondern durch die menschenverachtende Behandlung und Entmündigung durch eine Kirche, die mit überkommenen Moralvorstellungen Frauen zu Sünderinnen abstempelte und Hilfe versagte.

Wie gut, dass es wenigstens einige Prominente gibt, die sich nicht zu schade sind, ihre Meinung öffentlich zu machen.  Das Geringste, was man den Opfern der Kirche heute zugestehen kann, ist eine klare Entschuldigung der Verantwortlichen, ohne Ausflüchte und ohne Schuldzuweisung an Dritte. Und eine klare Stellungnahme der irischen Regierung, die dafür sorgen muss, dass menschenrechtsverletzende Behandlung wie die durch die Kirche in Zukunft nicht mehr vorkommen! Doch darauf können wir wohl noch lange warten.

Im Herzen betreffen diese Fälle uns alle, die wir in diesem Land leben, egal ob katholisch oder nicht, egal ob Christ oder nicht.

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