Dienstag, 27. März 2012

Frauen leiden gern

Für Geld machen wir alles. Naja, nicht wirklich alles. Obwohl ich mich heute doch ein wenig für Geld prostituiert habe. Zumindest kam es mir fast so vor: Kontaktfreudig und mitteilsam wie ich nun einmal bin, stehe ich bei verschiedenen Umfragefirmen auf dem Verteiler. Eine davon lud mich zu einer Diskussionsrunde zum Thema "Einkaufen" ein, nachdem ich mich nach Ausfüllen eines Fragebogens als gewünschte Zielgruppe der Kundenbefragung bewiesen hatte: weiblich, über 30 *ähäm*, verheiratet, Kinder, Entscheidungsträgerin mit Schwerpunkt Lebensmitteleinkauf. Bei 40 Euro für eine Stunde aus dem Einkaufskörbchen plaudern sind wir ja gerne mit dabei...

Neun Frauen kamen zusammen - alle etwa gleich alt und zum größten Teil als Hausfrau oder nur Teilzeit-Verdiener arbeitend. Von Herkunft, Wohnort und Haarfarbe hätten wir alle gar nicht unterschiedlicher sein können, aber in einem waren sich alle einig und ähnlich: Die Rezession betrifft uns in unserem Leben alle sehr empfindlich. Von neun anwesenden Damen waren sieben durch Arbeitslosigkeit in der Familie betroffen - entweder selbst oder des Ehemannes. Kaum eine, die sich leisten kann, ohne Nachdenken im Supermarkt den Wocheneinkauf zu erledigen. Das hat mich doch sehr erschreckt, auch wenn es für mich selber schon seit Jahren so Gewöhnung und Routine ist.

War es vor fünf Jahren noch ehrenrührig bei Lidl oder Aldi einzukaufen - Originalzitat einer Frau aus der Runde: "Vor fünf Jahren dachte ich, bei Lidl kaufen nur Osteuropäer ein." - so sind die deutschen Discounter hier mittlerweile fest auch bei der irischen Bevölkerung etabliert. "Buy Irish"? Ja, gerne - aber diesen Luxus können wir uns nicht gönnen. Solange irische Produkte teurer als vergleichbare Artikel in den Discounter sind, greifen die Irinnen auf die günstigere, ausländische Variante zurück. Da ist uns auch die CO2-Bilanz des peruanischen Spargels und der im Marokko gepulten Krabben bananenegal. Letztere müssen ja sowieso aus Costa Rica hier eingeflogen werden.

Über die Repräsentativität von Umfragen und Statistiken kann man ja immer streiten. Für mich war die Teilnahme an dieser Marktforschungsrunde dennoch erhellend: Eine bunt zusammen gewürfelte Truppe, die im wesentlichen aber doch einhellig die Auswirkungen der Rezession in Irland bestätigt, nämlich einen Rückgang des Lebensstandards, verbunden mit Existenzängsten und Verzicht zu Gunsten von "bleibenden" Gütern wie Bildung. Nur eine Frage wurde nicht gestellt - und das wäre eigentlich die folgerichtigste gewesen: Wenn es euch allen so schlecht geht, warum kommt ihr dann mit eurem Hintern nicht hoch und protestiert??? Der Leidensdruck ist wohl doch nicht groß genug. Oder Frauen leiden gern?

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