Dienstag, 17. April 2012

Traditionen

Vor mittlerweile 15 Jahren machte ich meinen Uni-Abschluss. Nach insgesamt acht Jahren an der Universität (ja, ich weiß, mir hat das Unileben eben Spaß gemacht. Aber es waren auch insgesamt zwei Jahre im Ausland mit dabei, die mir inhaltlich nicht angerechnet wurden - damals war das noch so...) kam mit dem ersten Staatsexamen der große Schritt ins Leben. Und feierlich begangen wurde dieses Lebensabschnittsende mit... einem braunen Din A4-Briefumschlag, in dem meine Staatsexamensunrkunde durch den Briefschlitz fiel.

Anti-klimaktischer kann man eigentlich gar keinen Abschluss begehen. Keine Feierstunde mit Professoren und Universitätspräsident, die einem persönlich vor versammelter Mannschaft in repräsentativem Ambiente die Urkunde überreichen. Kein Glas Sekt mit den Finanzierern der teuren Bildung (aka meine Eltern). Kein formeller Abschluss, mit dem die endgültige Initiation in die Welt der Erwachsenen besiegelt wurde. Kurz gesagt: traurig, armselig, schade.

Im Zuge der Durchlüftung des "Muffs von 1000 Jahren unter den Talaren" hatten die 68er - denen ich sonst allen Respekt für ihre Umwälzungsbereitschaft zolle - bei ihrer Unirevoloution leider doch einen Schritt zu weit genommen. Denn der Mensch braucht die Demarkation der Lebenseckpunkte. Wie schade, dass bis heute fast ausschließlich die Kirche diese mit ihren diversen Feieranlässen von Taufe über Konfirmation bis Hochzeit und Beerdigung im Monopol belegt!

Deswegen war mir bei meinem Entschluss, mich doch noch einmal im betagten Herbst meiner Karriere an die Uni zu wagen, von vornherein klar, jeden offiziellen Feieranlass mitzunehmen. Noch vor Abschluss meines Bachelors meldete ich mich daher zur feierlichen Diplomsübergabe nach dem ersten Studienjahr an, um sicherzustellen, wenigstens einmal im Leben mit dem dämlichen Magisterhut auf dem Schädel irgendwo aufzutreten. Was mir  - wie Beweisstück 1 (rechts) zeigt - dann ja auch eindrucksvoll gelang.

Aber meine kleine Diplomsfeier war nichts gegen den Pomp und die Pracht, die ich jetzt am Wochenende miterleben durfte. Ein guter Freund von mir erhielt seine Doktorwürde verliehen, die er im altehrwürdigen Trinity College Dublin, älteste Universität Irlands, erworben hatte. Ich war als Haus- und Hoffotografin dabei und muss zugeben, dass mich wieder aufs Neue das Bedauern ergriff, dass in Deutschland so etwas zu meinen Zeiten nicht üblich war.

Die zahlreichen Kandidaten waren alle in Roben gekleidet - blau/gelb für die Doktoranden und schwarz für die MAs. Aus einem Nebengebäude zog sich eine ganze Prozession von Teilnehmern über den Collegehof. Allen voran marschierte der "Provost" - so etwas wie der College-Präsident - in männlichem rosa-türkis... Wer besonders aufmerksam die Fotos betrachtet, wird bemerken, dass nur die Frauen den Magisterhut auf dem Kopf tragen. Die Männer halten ihn lediglich in der Hand (in meinem College wurde die Hüte noch nicht einmal ausgeteilt). Diskriminierung - aber gut, mit dem Thema will ich hier jetzt nicht die feierliche Stimmung versauen.

Die Zeremonie fand in der Exam Hall von Trinity College statt, in die ich mich kurz vor Toresschluss einschlich, um wenigstens den feierlichen Rahmen fotografisch festzuhalten. Im Anschluss an die Übergabe marschierten die Doktoranden dann alle aus dem Saal wieder aus und wurden im Freien von ihren Fans Familien und Freunden in Empfang genommen, bevor es zum Sektempfang in ein Zelt auf dem Collegehof ging.

Da haben die Iren mal alles richtig gemacht, was man an meiner deutschen Uni falsch gemacht hatte: Schöne Tradition, edles Ambiente, gute Stimmung, unvergessliche Erinnerungen. Allein das Fotografieren hat so viel Spaß gemacht - wie schön mag es dann sein, dort selber das Ende seines Studiums feiern zu dürfen? Doch vielleicht hat sich da in Deutschland in den Jahren meiner Abwesenheit schon längst etwas getan. Altsemester wie ich sind eben nicht mehr auf dem Laufenden... Aber allein fürs Feiern lohnt sich ein Studium in Irland!

2 Kommentare:

  1. Irja schrieb:
    Ich weiß genau was du meinst. Das fand ich damals auch so deprimierend. So viel Zeit, so viel Arbeit, und dann gibt's einen unpersönlichen Brief und sonst gar nichts. Für den Magister gab es ja wenigstens noch eine kleine Zeremonie... Tolle Fotos!

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  2. Ja, Irja, Weggefährtin! Sehr sehr schade sowas. Und das, wo WÜ doch mit der Aula in der Alten Uni wirklich repräsentative Räumlichkeiten hatte.

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