Mittwoch, 13. April 2011

Zuvorkommende Freundlichkeit

Von der vorauseilenden Freundlichkeit der Iren kann man sich wirklich eine Scheibe abschneiden! Als muffliger Norddeutscher erschlug mich hier fast ein Kulturschock, als ich näher mit den Umgangsweisen der Iren vertraut gemacht wurde. Und auch heute noch überfällt mich gelegentlich ein leises BeWundern angesichts des zuvorkommenden Entgegenkommens, das die Iren an den Tag legen.

Mitten aus dem Leben gegriffen: Neulich war ich mit einem irischen Freund anlässlich eines Fotoshoots in Glendalough unterwegs. Es war wochentags morgens und das ansonsten von Touristen überlaufene Areal war relativ ruhig. Wir marschierten mit unserem Geraffel Fotoequipment zur "Location". Die wenigen Spaziergänger, die uns auf dem Weg begegneten, wurden von meinem Bekannten allesamt freundlichst und höflichst mit "Hello, how are you?" begrüßt. Sowas wäre mir ja eigentlich nicht eingefallen. Fremde? Womöglich Touristen, die man niiiiie wieder sieht? Grüßen? Das überschreitet ja schon meine norddeutsche Wohlfühlgrenze. Aber selbstverständlich passe ich mich den örtlichen Sitten an. Schließlich ist es ja etwas Angenehmes und Nettes, die Gegenwart anderer Menschen zu bestätigen, genau wie man die eigene Anwesenheit ja gerne quittiert sehen will. Kost' ja auch nix.

Höchstens Zeit. Denn auf dem Rückweg, nach abgeschlossenem Shoot, dann folgende symptomatische Situation. Wir hatten zusammengepackt, Kameras verstaut, Stative geschultert und machten einen kleinen Schlenker an den Upper Lake von Glendalough, bevor wir wieder abfahren wollten. Mittlerweile waren mehr Touristen unterwegs, und wir ließen uns kurz am Seeufer auf eine Zigarette nieder. (Also, wir setzten uns nicht auf die Zigarette drauf, sondern rauchten beim Sitzen eine solche...) Ein Pärchen schlenderte an uns vorbei zum Wasser, er mit einer Spiegelreflexkamera über dem Bauchnabel bamselnd, die wir - mit Profifotografenauge ;-) - sogleich fachmännisch abschätzten.

Upper Lake, Glendalough, Co. Wicklow
 Und dann schlug wieder die vorauseilende Freundlichkeit zu: Während sich der Freizeitfotograf am Strand aufbaute, um das wundervolle Talpanorama des Upper Lakes für das Urlaubsalbum zu verewigen (siehe oben), sprang mein Bekannter Gewehr bei Fuß Stativ im Anschlag auf, um selbiges ungefragt unserem touristischen Freund über den Schädel zu ziehen... Quatsch!... anzubieten: "Brauchen Sie ein Stativ? Hier, nehmen Sie doch meines!" Hätte er es mal getan, das Über-den-Schädel-Ziehen. Wenigstens wären wir da früher weggekommen!

Sicher, wir Fotografen, ob Hobbyist oder Dilettant Profi, müssen zusammenhalten. Aber gleich das Equipment verleihen? Und dann auch noch ungefragt? Ok, ich dachte schon wieder zu norddeutsch... Ich flüsterte S___ jedoch leise zu: "Oh Mann, du bist aber so irisch!!!" und erntete Erstaunen. "Ah sure, why not!" Meine Zurückhaltung in so einer Situation war dem irischen Freund offenbar höchst fremd, wenn nicht gar suspekt.

Was soll ich sagen - aufmerksam war die Geste ja schon, aber die "gute Tat des Tages" schlug dann um in den "Frust der Stunde". So lange brauchter unser Fotofreund - Teil einer französischen Reisegruppe - nämlich, um das Stativ aufzubauen, die richtige Höhe einzustellen, die Kamera in die Stativhalterung einschnappen zu lassen und dann sein Motiv einzustellen und auf den Auslöser zu drücken. .*dumdidum* *däumchendreh* *augenverdreh* DAS war dann selbst dem geduldigen, freundlichen Iren zu viel. Und erst recht, als das Stativ am Ende halb auseinandergeschraubt zurückkam.

Sö. Und warum erzähle ich das alles? Weil ich mir selber nicht im Klaren bin, ob jetzt das ungefragte freundliche Entgegenkommen wirklich so erstrebenswert, sondern ein Quentchen vornehme misstrauische Zurückhaltung eher angebracht ist. Jedenfalls wenn es um den Verleih wertvoller Ausrüstungsteile geht. Aber gut, ein freundliches "Hello!" ist nach wie vor kostenlos. DAS kann ich mir noch leisten.

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