Samstag, 4. Mai 2013

Grüße direkt vom Landleben

Es ist schon erstaunlich, dass man heute nirgendwo in Irland mehr von der Zivilisation abgeschnitten ist. Häuser stehen überall in der schönen irischen Landschaft, angebunden an Stromnetz und Wasser, kaum mehr ein Schotterweg, der zur letzten Hütte vor dem Atlantik führt. Der Mobilfunk erreicht den entlegensten Sumpf.
Great Sugarloaf, morgens um 8 Uhr, auf der Joggingrunde
Über dem Ofen in der Küche
Vor 12 Jahren war das noch etwas anders. Damals fuhren wir zum ersten Mal, recht kurz nach der Geburt von T___, zum Einhüten auf die Farm unserer Verwandten in den Wicklow Mountains. Eine Stunde von Dublin entfernt war das ein Eintauchen in die Vergangenheit - eine Farm mit Pferden, Rindern, Schafen und Hühnern. Beim ersten Mal habe ich noch geschluckt. Das allerdings auch, weil ich dank des gerade geborenen Töchterchens noch an der Melkmaschine hing. (Das Pumpgeräusch verfolgt mich heute gelegentlich noch bis in meine Alpträume. Und dabei handelt es sich bei der Farm K___ nicht mal um eine Milchwirtschaft...) In K___ ist es immer fünf Grad kälter als in Dublin, aber eine Zentralheizung gibt es hier nicht. Die Küche wird genau wie vor 90 Jahren, als das Haus von der Urgroßmutter meines GäGa bezogen wurde, mit einem Kohle befeuerten Ofen beheizt und bekocht. Mikrowelle und Elektroherd fehlen ebenfalls.
Nach K___ zu fahren, ist immer ein kleiner Ausstieg. Zwar habe ich dieses Mal der Versuchung nicht widerstehen können, meinen handlichen Laptop einzupacken, und zu meinem großen Erstaunen stelle ich fest, dass im Hause offenbar Wlan installiert worden ist, aber mir fehlt dazu der Zugangscode. Also doch einmal ganz raus aus dem üblichen Alltag, bei dem der PC und das Internet niemals außer Reichweite sind? Allein die Stille auf der Farm ist schon ohrenerfrischend. Das einzige Rauschen, das hier gelegentlich durch die Fenster dringt, ist der Wind, der durch die mächtigen Bäume weht, die das Haus umgeben. Manchmal wiehert eines der Pferde, oder ein Rind brüllt unheimlich. Nachts sind für Stadtkinder alle Geräusche fremd. Und werden in der Stille amplifiziert, so dass das Klicken der Tastatur unerträglich laut erscheint, genauso wie der Himmel dunkler ist als in der Stadt. Nicht ein Licht dringt über die Felder zu unserer Farm.
Als Teenager konnte ich mir nichts
Morgens um halb 8, der Blick von meinem Bett
Schöneres vorstellen, als in abgeschiedener Einsamkeit, umgeben von Schafen und Büchern, zu leben. Neuseeland war mein Traum. Heute bin ich mir nicht mehr so sicher, ob ich mich so wohl fühlen würde. Nach 13,5 Jahren Dublin-Zentral bin ich zivilisationsgeschädigt. Ohne ständige Straßenbeleuchtung, die auch nachts um 2 Uhr mein Schlafzimmer illuminiert, fühle ich mich unsicher. Die kontinuierliche Nähe von anderen Menschen ist zwar irritierend, aber vermittelt doch auch ein Gefühl von Sicherheit. Auch wenn es wahrscheinlicher ist, in der Stadt einem Gewaltverbrechen zum Opfer zu fallen: Immerhin bleibt die naive Illusion, dass man gehört werden würde, sollte man um Hilfe rufen müssen. In K___ hören mich nur Molly, Tatty und Bess - Pferd, Katze und Esel. Für einen Kurzurlaub ist es immer herrlich - aber ich freue mich, wenn ich wieder nach Hause zurückkomme, nach dear dirty Dublin.
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