Samstag, 25. Mai 2013

Nur in Irland (3): Geschmacksache

Ich freue mich immer besonders, wenn ich im Rahmen der [West]Randbemerkungen die etwas bizarreren kulturellen Eigenheiten, die beim Zusammenstoß deutscher und irischer Sitten und Gebräuche zu Tage treten, erwähnen darf. Es ist mir Aufgabe und Pflicht gleichermaßen, meine irlandunkundigen Leser scho-nungs-los über die Auswächse irischer Besonderheiten aufzuklären. Mitten aus dem Alltag berichte ich unter dem Einsatz meiner körperlichen Unversehrtheit direkt von der Front. Das Ex-Pat-Leben: ein endloser Härtetest. Dabei schrecke ich auch nicht vor Selbstversuchen zurück. Im Namen der Wissenschaft und der Kultur müssen Opfer gebracht werden. Die Nachwelt wird es mir danken.

Mein heutiger Beitrag müsste allerdings vielleicht eher unter dem Kapitel "Nur auf den britischen Inseln" laufen, denn die Geschmacksache, die ich heute ansprechen möchte, ist nicht allein auf Irland begrenzt. Lasst uns über die kleinen Snacks für zwischendurch sprechen. Schokolade ist hier eher nicht so köstlich wie in Deutschland. Wer an Lindt, Milka und Ritter Sport gewöhnt ist, kann angesichts von Cadbury nur trocken schlucken. Als die EU Mitte der Neunziger Jahre den Versuch unternahm, europaweite Schokoladenstandards einzuführen - auf Betreiben von Deutschland, Belgien und Frankreich sollte die Bezeichnung "Schokolade"  nur für solche Produkte gelten, die einen Kakaoanteil von mindestens 50 Prozent aufweisen - stemmte sich Großbritannien, Heimat von Cadbury's, mit aller Macht dagegen. Denn Schokolade auf den britischen Inseln ist durchweg eher Fett als Kakao.

Dafür glänzt man hierzulande in Sachen Chips. Allein die Bandbreite an Geschmacksrichtungen erregt schon das Staunen des Mitteleuropäers: Cheese & Onion, Sour Cream, Salz & Essig haben zum Teil ja bereits auch schon deutsche Supermarktregale erobert. Auch Grill- und Krabbencocktail-Geschmack sind noch nachvollziehbar. Während der WM 2010 gab es darüber hinaus beim größten britischen Chipshersteller auch so party-kompatible (und Teilnahmeländer-freundliche) Geschmacksrichtungen wie Bratwurst (Deutschland), Cheeseburger (USA), Knoblauch (Frankreich), Spaghetti Bolognese (na, wer wohl?), Teriyaki Chicken (Japan) und Irish Stew (...) im Angebot. Die beliebteste Chipssorte sind und bleiben aber Cheese & Onion Crisps.

In Irland wird die Chipsobsession derzeit auf die Spitze getrieben. Es soll hier ja viele Leute geben, die ihre Chips nicht mit einem herzhaften Dip kombinieren, sondern einem Chip einen Biss in einen Schokoriegel folgen lassen. Das ist kulinarisch in etwa in derselben Kategorie einzuordnen, wie die hinreichlich bekannten frittierten Mars-Riegel, erhältlich im Fish & Chip Shop Ihres Vertrauens. Die Zielgruppe ist wertvoll, der Markt ist groß, und so hat vor Kurzem der irische Chipshersteller Tayto seinen eigenen Schokoriegel auf den Markt gebracht.


Jawohl, richtig gelesen. Schokolade mit Cheese & Onion Crisp-Geschmack. Milchschokolade mit kleinen Cheese & Onion Crisp-Krümeln. Der selbstlose Selbstversuch kostete Überwindung. Aber das freundliche Gesicht des Tayto-Männchen kann über die Inkompatibilitäten dieser grausamen Geschmackskombination nicht hinwegtäuschen: Negativ. Abgesehen von der zahnlückenunfreundlichen, irritierend knusprigen Krümelkonsistenz der Schokolade, ergeben Zwiebelaroma und Schokoladensüße einen Geschmackswiderspruch, der einem die Tränen in die Augen und die Magensäure unwillkürlich in den Mund treibt. Grauenhaft. Wo die Zwiebel nach Hauptgericht schreit, ist die Schokolade schon beim Dessert angekommen. Das ist ähnlich lecker wie das Mousse au Chocolat, das seit zwei Tagen in einem Kühlschrank lagert, der ein Kilo rohe Zwiebeln beherbergt. Bleurgh. International dürfte sich dieser kulinarische Tiefpunkt wohl kaum durchsetzen. Da danken wir doch ausnahmsweise einmal der Erdgeologie, die Irland seine insulare Isolation beschert hat. Denn so etwas muss man nicht unbedingt exportieren. Guter Geschmack ist etwas anderes.


2 Kommentare:

  1. Oh, solches gibt es auch außerhalb der Insel...

    Als ich in Südfrankreich über einer göttlichen Konditorei wohnte, erlaubte ich mir ein herrlich anzusehendes Stückchen zu kaufen. Es sah so lecker aus, eine feine Croissantrolle, an den Enden offen und dort kamen feine cremefarbene Streifen heraus. Es sah so einladend aus, dass ich es mir nicht verkneifen konnte, noch auf der Straße reinzubeißen.
    Wären keine Leute um mich gewesen, mir wäre der Happen glatt aus dem Mund gefallen.

    Das Teilchen war mit kaltem Kartoffelbrei gefüllt und die Streifen am Ende waren Käsestreifen....

    Danach habe ich nur noch gekauft, wenn ich auch genau wusste, wie es schmeckt. Mille Feuilles oder Eclaires beispielsweise.

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    1. Uah *schüttel* - gruselig, Sigrid. Ja, im Ausland muss man immer vorsichtig sein. Wobei man bei den Franzosen da ja etwas mehr kulinarischen Geschmack erwartet. Auf Reisen in China war ich auch immer extrem vorsichtig. Herzhaftes Reinbeißen erst nach vorherigem Schnüffel- und Lecktest ;-)

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