Sonntag, 20. Februar 2011

Das Wandern ist der Iren Lust

Lange Jahre, nachdem ich nach Irland gezogen war, konnte ich dem Wandern wenig Positives abgewinnen. Unglücklicherweise hatte ich in einen Clan eingeheiratet, der das so genannte "Hiking-Gen" seit Generationen von Eltern an Kinder weitergegeben hatte. Ich dagegen komme aus einer rein niedergelassenen Familie (auf Deutsch: Beamte seit drei Generationen), in der die wochenendliche Perambulation grundsätzlich für alle Teilnehmer durch Konzentration auf die am Ende stehende Osmose am Zielpunkt einer cafénah gewählten und wenige Höhenmeter überwindende Spazierroute aufgewertet wurde. Mein nicht unbeträchtliches Übergewicht in meinen Anfangsjahren in Irland trug zu meiner Abneigung sicher nicht wenig bei (- das wäre dann aber eher ein Thema für das Blog Fettrandbemerkungen...). Mit Ablegen nämlichens dagegen stellte sich bei mir eine ausgiebige Wanderlust ein, begleitet von einer Sozialisa- und Indoktrination, die mich heute der Ehrennadel des irischen Äquivalents zum Alpenverein würdig machen würde.

Und so ging es auch heute auf die erste Wandertour des Jahres 2011. Aktuelle Wetterlage (ich zitiere hier wortwörtlich den offiziellen Wetterbericht des irischen Meteorologiediensts Met Eireann:) "Outbreaks of heavy rain will continue. Breezy with lowest temperatures 4 to 6 degrees." - Übersetzt: Heftige Niederschläge dauern fort. Windig mit Tiefsttermperaturen zwischen 4 und 6 Grad - also perfektes Wanderwetter.

Nein, ehrlich, ich bin mittlerweile wirklich so. Jahrelanges Untergraben jeglicher deutsch geprägter Wetterinterpretationen und deren möglicher Konsequenzen für Wanderunternehmungen haben ihr Ergebnis gezeitigt: Es gibt kein schlechtes Wetter zum Wandern, es gibt nur falsche Wanderausrüstung! Wobei: Wer zu professionell ausgestattet ist, ist ein Weichei! Nix da Goretex! Firlefanz! Ne warme Jacke, immer ein Hut (vorzugsweise im beliebten Teewärmerlook) und gerne auch Hosenbeine in dicken Wandersocken über den Stiefeln. Macht einen schlanken Fuß und verhindert das Verheddern in Brombeerranken und Heidebüscheln beim Durchschreiten der irischen Landschaft.

Denn: Wege sind für Warmduscher! Meine Pfadfinder-sozialisierte Verwandtschaft kommt nur abseits der markierten Pfade zwecks Vermeidung jeglicher möglicher Begegnungen mit Gruppenwanderern in Schwung. Der Abstieg von irischen Gipfeln wird grundsätzlich nur in Luftlinie vollzogen - durch Moore, Tannenschonungen, alle sich gegebenenfalls uns in den Weg stellenden Gewässer und über Zäune und Absperrungen. Behördliche Hinweisschilder wie "Danger. Loose Rocks" oder von Privatbesitzern freundlich formulierte Verbote ("No Trespassing") sind ausschließlich an Touristen gerichtet, nicht jedoch an die ortskundigen Einheimischen (= uns). Eventuelle Steinschläge - im Granit- und Schiefergebirge der Wicklow Mountains durchaus möglich - würden quasi also eine Wandergruppe von indigenen Iren nicht betreffen. Tröstlich.

Lough Dan, Co. Wicklow

Höhepunkt einer irischen Wanderung ist das mitgebrachte Picknick. Nach Überwindung von 200 Höhenmetern, zwei Bächen, dem Umklettern vor vier Farm-Ruinen und drei Schafsherden freut sich die Wanderschar auf die Brotzeit mit Ausblick. Dazu teilen sich traditionell etwa fünf  Erwachsene und vier Kinder einen Apfel. Derartig stoffwechselfreundlich gestärkt ist der Heimweg - prinzipiell natürlich immer auf einer Alternativroute zum Aufstieg - nur noch ein Klacks!

Sport ist, wenn es weh tut. Und wandern ist, wenn man hungrig, nass und kaputt ist. Erst dann weiß man, dass man wirklich etwas getan hat. Die erste Tasse dampfender, heißer Tee zu Hause ist köstlicher als jedes Getränk der Welt. Aber darüber mache ich dann demnächst meine nächsten Randbemerkungen...

5 Kommentare:

  1. Und ein Full Irish mit allem dazu. Denn das beste ist ein Hike mit Kater vor dem Sonntagsfrühstück. *G*

    AntwortenLöschen
  2. Hm... solche Wanderungen kenne ich aber von uns auch...
    Wir nennen diese Art von Exkursionen "Decker-Wanderungen". Normalerweise bin ich dann auch immer falsch gekleidet, weil ich im Vorfeld nicht mit dem plötzlichen Abweichen auf sogenannte Abkürzungen gerechnet habe, dann auf einmal Zäune zu über- und Sümpfe zu durchqueren sind....

    AntwortenLöschen
  3. Das Full Irish lasse ich mir gefallen, dann ertrage ich auch den fürstlichen Apfel als Picknickhöhepunkt sehr gut :-). So war es auch gestern bei uns, the full works gab es zum Frühstück.
    Hehe, soso, Sigrid, dann gibt es also auch so verrückte deutsche Wandervögel...

    AntwortenLöschen
  4. Was für ein schönes Foto, ich will auch dort wandern!!!

    AntwortenLöschen
  5. Komm rüber, Biggi - die Einladung steht nach wie vor :-). Wenn du Glück hast, ist bei deinem Besuch dann auch ausnahmsweise mal kein Nebelregen...

    AntwortenLöschen