Mittwoch, 16. Mai 2012

Der ganz normale Wahnsinn des Exils

Wenn man im Exil lebt, dann macht man manchmal seltsame Sachen. Hier bin ich - Hanseatin von Geburt, Fischkopp und stolz darauf. Nirgendwo ist das Land flacher und der Himmel weiter als in der norddeutschen Tiefebene. Um das - und Labskaus - lieben zu können, muss man da schon aufgewachsen sein.
Doch dann wird der Muschelschubser plötzlich aus dem angestammten Umfeld gerissen und landet an fremden Gestaden. Ob selbst gewählt oder nicht - ein Auslandsleben ist immer ein Auslandsleben und bringt mit sich die Entbehrungen des Exilanten. Diese brechen sich dann in irrwitzigen Anwandlungen Bahn, die man in heimischen Gefilden nicht mal im Entferntesten in Erwägung ziehen würde.
Mein Haus ist gastfrei. Das heißt, ich empfange gerne Gäste. Nur zwischen Mai und Juni gibt es eine eiserne Regel, die meine Gäste einhalten müssen: Zutritt zu den Räumlichkeiten ist nur nach Empfang von vier Pfund frischem, weißen Spargel möglich.
Hand aufs Herz: In Deutschland würde ich zwar auch gerne Spargel essen, aber mich wohl kaum so sehr danach verzehren wie hier im Liebesexil. Klar - hier gibt es ja die göttlichen weißen Stangen auch nicht zu kaufen. Jedenfalls nicht erschwinglich. Und alles, was der Mensch nicht hat, erscheint plötzlich ungeheuer erstrebenswert. Dieses Jahr habe ich Glück gehabt: Der deutsche Besuch hatte 2 kg Spargel dabei, noch frisch vom deutschen Acker, mit deutscher Erde. Fast habe ich pathetische Tränen geweint, als ich das heilige Braun unter dem schnöden irischen Wasser abgewaschen habe. Quatsch!
Aber geschmeckt hat er dann doch, der weiße Spargel. Stilecht, wie bei uns in der Familie Tradition, nur mit Kartoffeln, zerlassener Butter und geräuchertem Schinken. Ein Gedicht.
Deswegen:
Einladung: Alle Leser sind herzlich eingeladen, mich in Dublin zu besuchen. Allerdings nur bis 24. Juni, dann hat die Gastfreundschaft ein bitteres Ende...

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen